In Genua drang der realistische Sculpturstyl nur sehr langsam adurch. Man sieht im Dom auf dem 1. Altar rechts das Relief einer Kreuzigung, von guter und fleissiger Arbeit etwa aus der Mitte des Jahrh., und doch kaum von einem fernen Echo der florentinischen bUmwälzung berührt. Ebenso ist (in der 1. Cap. links) das Grabmal des 1461 verstorbenen Card. Giorgio Fiesco in der Anordnung sowohl als in der recht schönen und ausdrucksvollen Behandlung fast noch ein Werk des vorhergehenden Jahrhunderts. -- Das Thürrelief mit der cAnbetung der Könige, an dem Hause N. 111 Strada degli orefici, ist vielleicht kaum früher und doch noch fast germanisch; hier nennens- werth als das beste unter sehr vielen.
Am frühsten meldet sich der Realismus des XV. Jahrh. -- vielleicht selbständig, vielleicht auf eine Anregung hin, die von Quercia herstam- men könnte -- in den Ehrenstatuen verdienter Bürger. Wohl ein Duzend derselben aus dieser Zeit stehen theils (nebst neuern) in den dGängen und im Hauptsaal des Pal. S. Giorgio am Hafen, theils in den efünf Aussennischen eines Palastes an Piazza Fontane amorose (N. 17, er heisst Pal. Spinola), auch anderswo. Bei ungeschickter Gestalt und Haltung, bei einer bisweilen rohen Draperie ist doch in den Köpfen, auch wohl in den Händen der Ausdruck des individuellsten Lebens hie und da vollkommen erreicht. (Auch für die Trachten von Werth.)
Ein kenntlicher florentinischer Einfluss ist vielleicht zuerst an den ferzählenden Reliefs der Aussenseite und der grossen innern Lunetten der Johannescapelle im Dom sichtbar; ungeschickte, selbst rohe Ar- beiten, die man nicht einmal Mino da Fiesole, geschweige denn Matteo Civitali zutrauen möchte, als dessen Arbeit wenigstens die Lunette links gilt. Mit den notorischen Arbeiten Matteo's (S. 606, b) schliesst dann das Jahrhundert.
Woher für Venedig die Anregung zu dem neuen Styl kam, ist schwer zu sagen. Derjenige bedeutende Künstler, welcher in den ersten 4 Jahrzehnden des XV. Jahrh. die Reihe der Renaissancebild- hauer eröffnet, Mastro Bartolommeo, wächst so allmälig in den neuen Styl hinein, dass man annehmen darf, er sei selbständig durch
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Genua.
In Genua drang der realistische Sculpturstyl nur sehr langsam adurch. Man sieht im Dom auf dem 1. Altar rechts das Relief einer Kreuzigung, von guter und fleissiger Arbeit etwa aus der Mitte des Jahrh., und doch kaum von einem fernen Echo der florentinischen bUmwälzung berührt. Ebenso ist (in der 1. Cap. links) das Grabmal des 1461 verstorbenen Card. Giorgio Fiesco in der Anordnung sowohl als in der recht schönen und ausdrucksvollen Behandlung fast noch ein Werk des vorhergehenden Jahrhunderts. — Das Thürrelief mit der cAnbetung der Könige, an dem Hause N. 111 Strada degli orefici, ist vielleicht kaum früher und doch noch fast germanisch; hier nennens- werth als das beste unter sehr vielen.
Am frühsten meldet sich der Realismus des XV. Jahrh. — vielleicht selbständig, vielleicht auf eine Anregung hin, die von Quercia herstam- men könnte — in den Ehrenstatuen verdienter Bürger. Wohl ein Duzend derselben aus dieser Zeit stehen theils (nebst neuern) in den dGängen und im Hauptsaal des Pal. S. Giorgio am Hafen, theils in den efünf Aussennischen eines Palastes an Piazza Fontane amorose (N. 17, er heisst Pal. Spinola), auch anderswo. Bei ungeschickter Gestalt und Haltung, bei einer bisweilen rohen Draperie ist doch in den Köpfen, auch wohl in den Händen der Ausdruck des individuellsten Lebens hie und da vollkommen erreicht. (Auch für die Trachten von Werth.)
Ein kenntlicher florentinischer Einfluss ist vielleicht zuerst an den ferzählenden Reliefs der Aussenseite und der grossen innern Lunetten der Johannescapelle im Dom sichtbar; ungeschickte, selbst rohe Ar- beiten, die man nicht einmal Mino da Fiesole, geschweige denn Matteo Civitali zutrauen möchte, als dessen Arbeit wenigstens die Lunette links gilt. Mit den notorischen Arbeiten Matteo’s (S. 606, b) schliesst dann das Jahrhundert.
Woher für Venedig die Anregung zu dem neuen Styl kam, ist schwer zu sagen. Derjenige bedeutende Künstler, welcher in den ersten 4 Jahrzehnden des XV. Jahrh. die Reihe der Renaissancebild- hauer eröffnet, Mastro Bartolommeo, wächst so allmälig in den neuen Styl hinein, dass man annehmen darf, er sei selbständig durch
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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Genua.
In Genua drang der realistische Sculpturstyl nur sehr langsam
durch. Man sieht im Dom auf dem 1. Altar rechts das Relief einer
Kreuzigung, von guter und fleissiger Arbeit etwa aus der Mitte des
Jahrh., und doch kaum von einem fernen Echo der florentinischen
Umwälzung berührt. Ebenso ist (in der 1. Cap. links) das Grabmal
des 1461 verstorbenen Card. Giorgio Fiesco in der Anordnung sowohl
als in der recht schönen und ausdrucksvollen Behandlung fast noch
ein Werk des vorhergehenden Jahrhunderts. — Das Thürrelief mit der
Anbetung der Könige, an dem Hause N. 111 Strada degli orefici, ist
vielleicht kaum früher und doch noch fast germanisch; hier nennens-
werth als das beste unter sehr vielen.
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b
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Am frühsten meldet sich der Realismus des XV. Jahrh. — vielleicht
selbständig, vielleicht auf eine Anregung hin, die von Quercia herstam-
men könnte — in den Ehrenstatuen verdienter Bürger. Wohl
ein Duzend derselben aus dieser Zeit stehen theils (nebst neuern) in den
Gängen und im Hauptsaal des Pal. S. Giorgio am Hafen, theils in den
fünf Aussennischen eines Palastes an Piazza Fontane amorose (N. 17,
er heisst Pal. Spinola), auch anderswo. Bei ungeschickter Gestalt und
Haltung, bei einer bisweilen rohen Draperie ist doch in den Köpfen,
auch wohl in den Händen der Ausdruck des individuellsten Lebens
hie und da vollkommen erreicht. (Auch für die Trachten von Werth.)
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Ein kenntlicher florentinischer Einfluss ist vielleicht zuerst an den
erzählenden Reliefs der Aussenseite und der grossen innern Lunetten
der Johannescapelle im Dom sichtbar; ungeschickte, selbst rohe Ar-
beiten, die man nicht einmal Mino da Fiesole, geschweige denn Matteo
Civitali zutrauen möchte, als dessen Arbeit wenigstens die Lunette links
gilt. Mit den notorischen Arbeiten Matteo’s (S. 606, b) schliesst dann
das Jahrhundert.
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Woher für Venedig die Anregung zu dem neuen Styl kam, ist
schwer zu sagen. Derjenige bedeutende Künstler, welcher in den
ersten 4 Jahrzehnden des XV. Jahrh. die Reihe der Renaissancebild-
hauer eröffnet, Mastro Bartolommeo, wächst so allmälig in den
neuen Styl hinein, dass man annehmen darf, er sei selbständig durch
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/640>, abgerufen am 18.12.2024.
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