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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Kaiserköpfe.

Das augusteische Haus, lauter normale und charaktervolle
Köpfe, blutsverwandt erscheinend trotz der vorherrschenden Verbindung
durch Adoptionen, ist überall stark bedacht. Die Köpfe des Tiberius sind
fast alle gut; von Caligula der feinste in der obern Galerie des capi-a
tolinischen Museums; auch der basaltene im Kaiserzimmer trefflich;b
Claudius bei weitem am besten in der genannten Statue des Laterans;
Nero fast durchgängig zweifelhaft: als Knabe in einem schönen Köpf-
chen von bösartigem Ausdruck (Museum von Neapel, dritter Gang);c
als Sieger des Gesanges in zwei halbcolossalen Köpfen (Vatican, Zim-d
mer der Büsten, und -- wenn ich richtig errathe -- im Museum vone
Neapel, Halle des Tiber, mit dem Namen Alexanders des Grossen).
Von Vitellius in Italien vielleicht kein Kopf von dem Werthe desje-
nigen in Berlin; ein guter im Dogenpalast zu Venedig (Sala de'f
Busti)1). Vespasian und Titus, wegen üblicher Verwechselung in
den Galerien hier nicht zu trennen: meisterlicher Colossalkopf im Mu-g
seum von Neapel (dritter Gang); gute Büste im Hauptsaal der Villah
Borghese. Trajan, dessen sonderbare Kopfbildung nirgends verhehlt
wird: am ansprechendsten in der vaticanischen Büste (Belvedere, Raumi
des Meleager). Hadrian: am häufigsten vorhanden und sehr oft gut.
Plotina und die ältere Faustina, Colossalköpfe in der Sala rotonda,k
interessant für die Behandlung des Lieblichen in diesem Massstab2).
Antoninus Pius: trefflich in der Colossalbüste der Villa Borghesel
(Hauptsaal), geringer in derjenigen des Museums von Neapel (dritterm
Gang) und in der sehr penibeln des Museo capitolino (grosser Saal).n
Eine auffallende Menge von Colossalköpfen u. A. der bisher Genann-
ten und Anderer im Garten der Villa Albani. Von Marc-Aurel undo
Lucius Verus eine bedeutende Anzahl Köpfe überall, wovon wir
das Beste nicht anzugeben im Stande sind. Von Commodus ein
wahrscheinlich echter, trefflicher, obwohl flüchtig behandelter Kopf imp
Museum von Neapel (dritter Gang). Pertinax, gute Colossalbüsteq
in der Sala rotonda des Vaticans. Septimius Severus, häufig als

1) Wo sonst manches Verdächtige und selbst Neue beisammensteht. Der schöne
jugendliche Kopf mit dem Eichenkranz entspricht unter den Kaisern am ehe-
sten dem Augustus.
2) An den Kaiserinnen stört oft der modemässige Haarputz, welcher sogar an
einzelnen Büsten zum Abnehmen und Wechseln eingerichtet ist.
Kaiserköpfe.

Das augusteische Haus, lauter normale und charaktervolle
Köpfe, blutsverwandt erscheinend trotz der vorherrschenden Verbindung
durch Adoptionen, ist überall stark bedacht. Die Köpfe des Tiberius sind
fast alle gut; von Caligula der feinste in der obern Galerie des capi-a
tolinischen Museums; auch der basaltene im Kaiserzimmer trefflich;b
Claudius bei weitem am besten in der genannten Statue des Laterans;
Nero fast durchgängig zweifelhaft: als Knabe in einem schönen Köpf-
chen von bösartigem Ausdruck (Museum von Neapel, dritter Gang);c
als Sieger des Gesanges in zwei halbcolossalen Köpfen (Vatican, Zim-d
mer der Büsten, und — wenn ich richtig errathe — im Museum vone
Neapel, Halle des Tiber, mit dem Namen Alexanders des Grossen).
Von Vitellius in Italien vielleicht kein Kopf von dem Werthe desje-
nigen in Berlin; ein guter im Dogenpalast zu Venedig (Sala de’f
Busti)1). Vespasian und Titus, wegen üblicher Verwechselung in
den Galerien hier nicht zu trennen: meisterlicher Colossalkopf im Mu-g
seum von Neapel (dritter Gang); gute Büste im Hauptsaal der Villah
Borghese. Trajan, dessen sonderbare Kopfbildung nirgends verhehlt
wird: am ansprechendsten in der vaticanischen Büste (Belvedere, Raumi
des Meleager). Hadrian: am häufigsten vorhanden und sehr oft gut.
Plotina und die ältere Faustina, Colossalköpfe in der Sala rotonda,k
interessant für die Behandlung des Lieblichen in diesem Massstab2).
Antoninus Pius: trefflich in der Colossalbüste der Villa Borghesel
(Hauptsaal), geringer in derjenigen des Museums von Neapel (dritterm
Gang) und in der sehr penibeln des Museo capitolino (grosser Saal).n
Eine auffallende Menge von Colossalköpfen u. A. der bisher Genann-
ten und Anderer im Garten der Villa Albani. Von Marc-Aurel undo
Lucius Verus eine bedeutende Anzahl Köpfe überall, wovon wir
das Beste nicht anzugeben im Stande sind. Von Commodus ein
wahrscheinlich echter, trefflicher, obwohl flüchtig behandelter Kopf imp
Museum von Neapel (dritter Gang). Pertinax, gute Colossalbüsteq
in der Sala rotonda des Vaticans. Septimius Severus, häufig als

1) Wo sonst manches Verdächtige und selbst Neue beisammensteht. Der schöne
jugendliche Kopf mit dem Eichenkranz entspricht unter den Kaisern am ehe-
sten dem Augustus.
2) An den Kaiserinnen stört oft der modemässige Haarputz, welcher sogar an
einzelnen Büsten zum Abnehmen und Wechseln eingerichtet ist.
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[521/0543] Kaiserköpfe. Das augusteische Haus, lauter normale und charaktervolle Köpfe, blutsverwandt erscheinend trotz der vorherrschenden Verbindung durch Adoptionen, ist überall stark bedacht. Die Köpfe des Tiberius sind fast alle gut; von Caligula der feinste in der obern Galerie des capi- tolinischen Museums; auch der basaltene im Kaiserzimmer trefflich; Claudius bei weitem am besten in der genannten Statue des Laterans; Nero fast durchgängig zweifelhaft: als Knabe in einem schönen Köpf- chen von bösartigem Ausdruck (Museum von Neapel, dritter Gang); als Sieger des Gesanges in zwei halbcolossalen Köpfen (Vatican, Zim- mer der Büsten, und — wenn ich richtig errathe — im Museum von Neapel, Halle des Tiber, mit dem Namen Alexanders des Grossen). Von Vitellius in Italien vielleicht kein Kopf von dem Werthe desje- nigen in Berlin; ein guter im Dogenpalast zu Venedig (Sala de’ Busti) 1). Vespasian und Titus, wegen üblicher Verwechselung in den Galerien hier nicht zu trennen: meisterlicher Colossalkopf im Mu- seum von Neapel (dritter Gang); gute Büste im Hauptsaal der Villa Borghese. Trajan, dessen sonderbare Kopfbildung nirgends verhehlt wird: am ansprechendsten in der vaticanischen Büste (Belvedere, Raum des Meleager). Hadrian: am häufigsten vorhanden und sehr oft gut. Plotina und die ältere Faustina, Colossalköpfe in der Sala rotonda, interessant für die Behandlung des Lieblichen in diesem Massstab 2). Antoninus Pius: trefflich in der Colossalbüste der Villa Borghese (Hauptsaal), geringer in derjenigen des Museums von Neapel (dritter Gang) und in der sehr penibeln des Museo capitolino (grosser Saal). Eine auffallende Menge von Colossalköpfen u. A. der bisher Genann- ten und Anderer im Garten der Villa Albani. Von Marc-Aurel und Lucius Verus eine bedeutende Anzahl Köpfe überall, wovon wir das Beste nicht anzugeben im Stande sind. Von Commodus ein wahrscheinlich echter, trefflicher, obwohl flüchtig behandelter Kopf im Museum von Neapel (dritter Gang). Pertinax, gute Colossalbüste in der Sala rotonda des Vaticans. Septimius Severus, häufig als a b c d e f g h i k l m n o p q 1) Wo sonst manches Verdächtige und selbst Neue beisammensteht. Der schöne jugendliche Kopf mit dem Eichenkranz entspricht unter den Kaisern am ehe- sten dem Augustus. 2) An den Kaiserinnen stört oft der modemässige Haarputz, welcher sogar an einzelnen Büsten zum Abnehmen und Wechseln eingerichtet ist.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/543>, abgerufen am 02.06.2024.