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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Grabmäler in Capellenform.
handene Säulenstellung mit der so unzugänglichen Pyramidalform iu
einige Harmonie gebracht war, lässt sich schwer errathen.

Sonst war für reichere Privatgräber die viereckige Capelle mit
einer Halle von vier Säulen, oder zwei Pfeilern und zwei Säulen, auch
bloss mit Pilastern, oft auf hohem Untersatz, der beliebteste Typus.
Das Innere bestand entweder bloss aus einer kleinen untern Grab-
kammer mit Nischen, oder auch noch aus einem obern gewölbten Raum.
Dieser Art sind sehr viele von den Gräbern an der Via Appia we-
nigstens gewesen, denn die Zerstörung hat an keinem einzigen die
Steinbekleidung verschont, so wenig als an den sog. Gräbern des As-a
canius und des Pompejus bei Albano, an dem des Cicero bei Molab
di Gaeta und an so vielen andern. Am besten ist es einzelnen
grossentheils von Backsteinen errichteten Grabmälern ergangen, wie
z. B. demjenigen beim Tavolato vor Porta S. Giovanni, und demc
fälschlich so benannten Tempel des Deus rediculus (am Weged
zur Grotte der Egeria). Hier sind nicht bloss die Mauern, sondern
auch die (allerdings unreinen) baulichen Details von einen Stoff ge-
bildet, der nicht wie die verschwundenen Marmorvorhallen die Raub-
sucht reizte und vermöge höchst sorgfältiger Bereitung den Jahrtau-
senden trotzen kann. (Bezeichnend: die möglichste Dünnheit und daher
gleichmässige Brennung des Backsteins; Zusammensetzung sogar der
Zierrathen aus mehrern Platten.) -- Ganz wohl erhalten ist nur der sog.
Bacchustempel, aus später Kaiserzeit (als Kirche: S. Urbano, übere
dem Thal der Egeria), welcher noch seine vollständige Fassade mit
Säulen und Pilastern, sein Untergeschoss mit den Grabresten und sein
Obergeschoss mit cassettirtem Tonnengewölbe besitzt, zugleich aber
durch den schweren Aufsatz zwichen dem Gebälk und dem backstei-
nernen Giebel Anstoss giebt. -- (Eine Spielerei wie das Grab desf
Eurysaces an der Porta Maggiore zeigt nicht weniger als die Py-
ramide des Cestius, dass der Aberwitz im Gräberbau nicht ausschliess-
lich eine Sache neuerer Jahrhunderte ist.)

Alles erwogen, möchten diese Gräber in Capellenform das Beste
gewesen sein, was sich in dieser Gattung schaffen liess. Sie sind
Collectivgräber und enthalten, nach der schönen Sitte des Alterthums,
die Nischen für die Aschenkrüge ganzer Familien, auch wohl ihrer
Freigelassenen auf einem verhältnissmässig sehr kleinen Raum bei-

Grabmäler in Capellenform.
handene Säulenstellung mit der so unzugänglichen Pyramidalform iu
einige Harmonie gebracht war, lässt sich schwer errathen.

Sonst war für reichere Privatgräber die viereckige Capelle mit
einer Halle von vier Säulen, oder zwei Pfeilern und zwei Säulen, auch
bloss mit Pilastern, oft auf hohem Untersatz, der beliebteste Typus.
Das Innere bestand entweder bloss aus einer kleinen untern Grab-
kammer mit Nischen, oder auch noch aus einem obern gewölbten Raum.
Dieser Art sind sehr viele von den Gräbern an der Via Appia we-
nigstens gewesen, denn die Zerstörung hat an keinem einzigen die
Steinbekleidung verschont, so wenig als an den sog. Gräbern des As-a
canius und des Pompejus bei Albano, an dem des Cicero bei Molab
di Gaeta und an so vielen andern. Am besten ist es einzelnen
grossentheils von Backsteinen errichteten Grabmälern ergangen, wie
z. B. demjenigen beim Tavolato vor Porta S. Giovanni, und demc
fälschlich so benannten Tempel des Deus rediculus (am Weged
zur Grotte der Egeria). Hier sind nicht bloss die Mauern, sondern
auch die (allerdings unreinen) baulichen Details von einen Stoff ge-
bildet, der nicht wie die verschwundenen Marmorvorhallen die Raub-
sucht reizte und vermöge höchst sorgfältiger Bereitung den Jahrtau-
senden trotzen kann. (Bezeichnend: die möglichste Dünnheit und daher
gleichmässige Brennung des Backsteins; Zusammensetzung sogar der
Zierrathen aus mehrern Platten.) — Ganz wohl erhalten ist nur der sog.
Bacchustempel, aus später Kaiserzeit (als Kirche: S. Urbano, übere
dem Thal der Egeria), welcher noch seine vollständige Fassade mit
Säulen und Pilastern, sein Untergeschoss mit den Grabresten und sein
Obergeschoss mit cassettirtem Tonnengewölbe besitzt, zugleich aber
durch den schweren Aufsatz zwichen dem Gebälk und dem backstei-
nernen Giebel Anstoss giebt. — (Eine Spielerei wie das Grab desf
Eurysaces an der Porta Maggiore zeigt nicht weniger als die Py-
ramide des Cestius, dass der Aberwitz im Gräberbau nicht ausschliess-
lich eine Sache neuerer Jahrhunderte ist.)

Alles erwogen, möchten diese Gräber in Capellenform das Beste
gewesen sein, was sich in dieser Gattung schaffen liess. Sie sind
Collectivgräber und enthalten, nach der schönen Sitte des Alterthums,
die Nischen für die Aschenkrüge ganzer Familien, auch wohl ihrer
Freigelassenen auf einem verhältnissmässig sehr kleinen Raum bei-

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[29/0051] Grabmäler in Capellenform. handene Säulenstellung mit der so unzugänglichen Pyramidalform iu einige Harmonie gebracht war, lässt sich schwer errathen. Sonst war für reichere Privatgräber die viereckige Capelle mit einer Halle von vier Säulen, oder zwei Pfeilern und zwei Säulen, auch bloss mit Pilastern, oft auf hohem Untersatz, der beliebteste Typus. Das Innere bestand entweder bloss aus einer kleinen untern Grab- kammer mit Nischen, oder auch noch aus einem obern gewölbten Raum. Dieser Art sind sehr viele von den Gräbern an der Via Appia we- nigstens gewesen, denn die Zerstörung hat an keinem einzigen die Steinbekleidung verschont, so wenig als an den sog. Gräbern des As- canius und des Pompejus bei Albano, an dem des Cicero bei Mola di Gaeta und an so vielen andern. Am besten ist es einzelnen grossentheils von Backsteinen errichteten Grabmälern ergangen, wie z. B. demjenigen beim Tavolato vor Porta S. Giovanni, und dem fälschlich so benannten Tempel des Deus rediculus (am Wege zur Grotte der Egeria). Hier sind nicht bloss die Mauern, sondern auch die (allerdings unreinen) baulichen Details von einen Stoff ge- bildet, der nicht wie die verschwundenen Marmorvorhallen die Raub- sucht reizte und vermöge höchst sorgfältiger Bereitung den Jahrtau- senden trotzen kann. (Bezeichnend: die möglichste Dünnheit und daher gleichmässige Brennung des Backsteins; Zusammensetzung sogar der Zierrathen aus mehrern Platten.) — Ganz wohl erhalten ist nur der sog. Bacchustempel, aus später Kaiserzeit (als Kirche: S. Urbano, über dem Thal der Egeria), welcher noch seine vollständige Fassade mit Säulen und Pilastern, sein Untergeschoss mit den Grabresten und sein Obergeschoss mit cassettirtem Tonnengewölbe besitzt, zugleich aber durch den schweren Aufsatz zwichen dem Gebälk und dem backstei- nernen Giebel Anstoss giebt. — (Eine Spielerei wie das Grab des Eurysaces an der Porta Maggiore zeigt nicht weniger als die Py- ramide des Cestius, dass der Aberwitz im Gräberbau nicht ausschliess- lich eine Sache neuerer Jahrhunderte ist.) a b c d e f Alles erwogen, möchten diese Gräber in Capellenform das Beste gewesen sein, was sich in dieser Gattung schaffen liess. Sie sind Collectivgräber und enthalten, nach der schönen Sitte des Alterthums, die Nischen für die Aschenkrüge ganzer Familien, auch wohl ihrer Freigelassenen auf einem verhältnissmässig sehr kleinen Raum bei-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/51>, abgerufen am 04.05.2024.