wendet, wo man damit einen bedeutenden Anblick hervorbringen, einen Stadttheil beherrschen konnte. Wie schmerzlich würde das Auge az. B. in Florenz S. Frediano, in Siena Madonna di Provenzano ver- missen, die doch vermöge ihres Styles keinerlei Theilnahme erwecken. bIn Venedig hat schon Palladio sein schönes Inselkloster S. Giorgio maggiore so gewendet, wie es der Piazzetta am besten als Schluss- decoration dienen musste. Vollends sind die Dogana di mare (1682) cund die Kirche della Salute (1631) mit aller möglichen perspectivi- schen Absicht gerade so und nicht anders gestaltet und gestellt wor- den. Longhena, der die Salute baute, wusste ohne Zweifel, wie sinnwidrig die kleinere Kuppel hinter der grössern sei, aber er schuf mit Willen die prächtigste Decoration; ausser den beiden Kuppeln noch zwei Thürme; unten ringsum Fronten, die theils von S. Giorgio, theils von den Zitelle (Seite 363, b) geborgt sind; überragt von unge- heuern Voluten und bevölkert von mehr als 100 Statuen. Wie sich der so vielgebrochene Umgang des Achtecks im Innern ausnehmen würde, kümmerte den Erbauer offenbar wenig. (Das Achteck selbst ist innen ganz nach S. Giorgio stylisirt; dahinter folgt ausser dem zweiten Kuppelraum noch ein Chor.) Und wie grundschlecht die ganze Decoration von hinten, von der Giudecca aus sich präsentiren müsse, war ihm vollends gleichgültig.
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts werden zuerst Anläufe, dann ernstliche Versuche zur Erneuerung des echten Classicismus ge- macht. Es sind für Italien weniger die Stuart'schen Abbildungen der Alterthümer von Athen, als vielmehr neue ernstliche Studien der rö- mischen Ruinen, welche im Zusammenhang mit andern Bewegungen des italienischen Geistes den Ausschlag geben. Ganz speciell war das Detail des Barockstyls dermassen ausgelebt, dass der erste Anstoss ihm ein Ende machen musste; schon etwa seit 1730 hatte man lieber ganz matte, leere Formen gebildet, als jenen colossalen Schwulst wiederholt, zu welchem seit Pozzo und den Bibiena Niemand mehr die erforderliche Leidenschaft und Phantasterei besass. Der Cultus Palladio's in Oberitalien (Seite 364) kam der neuen Regung nicht wenig zu Hülfe.
Der Barockstyl.
wendet, wo man damit einen bedeutenden Anblick hervorbringen, einen Stadttheil beherrschen konnte. Wie schmerzlich würde das Auge az. B. in Florenz S. Frediano, in Siena Madonna di Provenzano ver- missen, die doch vermöge ihres Styles keinerlei Theilnahme erwecken. bIn Venedig hat schon Palladio sein schönes Inselkloster S. Giorgio maggiore so gewendet, wie es der Piazzetta am besten als Schluss- decoration dienen musste. Vollends sind die Dogana di mare (1682) cund die Kirche della Salute (1631) mit aller möglichen perspectivi- schen Absicht gerade so und nicht anders gestaltet und gestellt wor- den. Longhena, der die Salute baute, wusste ohne Zweifel, wie sinnwidrig die kleinere Kuppel hinter der grössern sei, aber er schuf mit Willen die prächtigste Decoration; ausser den beiden Kuppeln noch zwei Thürme; unten ringsum Fronten, die theils von S. Giorgio, theils von den Zitelle (Seite 363, b) geborgt sind; überragt von unge- heuern Voluten und bevölkert von mehr als 100 Statuen. Wie sich der so vielgebrochene Umgang des Achtecks im Innern ausnehmen würde, kümmerte den Erbauer offenbar wenig. (Das Achteck selbst ist innen ganz nach S. Giorgio stylisirt; dahinter folgt ausser dem zweiten Kuppelraum noch ein Chor.) Und wie grundschlecht die ganze Decoration von hinten, von der Giudecca aus sich präsentiren müsse, war ihm vollends gleichgültig.
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts werden zuerst Anläufe, dann ernstliche Versuche zur Erneuerung des echten Classicismus ge- macht. Es sind für Italien weniger die Stuart’schen Abbildungen der Alterthümer von Athen, als vielmehr neue ernstliche Studien der rö- mischen Ruinen, welche im Zusammenhang mit andern Bewegungen des italienischen Geistes den Ausschlag geben. Ganz speciell war das Detail des Barockstyls dermassen ausgelebt, dass der erste Anstoss ihm ein Ende machen musste; schon etwa seit 1730 hatte man lieber ganz matte, leere Formen gebildet, als jenen colossalen Schwulst wiederholt, zu welchem seit Pozzo und den Bibiena Niemand mehr die erforderliche Leidenschaft und Phantasterei besass. Der Cultus Palladio’s in Oberitalien (Seite 364) kam der neuen Regung nicht wenig zu Hülfe.
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[398/0420]
Der Barockstyl.
wendet, wo man damit einen bedeutenden Anblick hervorbringen,
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z. B. in Florenz S. Frediano, in Siena Madonna di Provenzano ver-
missen, die doch vermöge ihres Styles keinerlei Theilnahme erwecken.
In Venedig hat schon Palladio sein schönes Inselkloster S. Giorgio
maggiore so gewendet, wie es der Piazzetta am besten als Schluss-
decoration dienen musste. Vollends sind die Dogana di mare (1682)
und die Kirche della Salute (1631) mit aller möglichen perspectivi-
schen Absicht gerade so und nicht anders gestaltet und gestellt wor-
den. Longhena, der die Salute baute, wusste ohne Zweifel, wie
sinnwidrig die kleinere Kuppel hinter der grössern sei, aber er schuf
mit Willen die prächtigste Decoration; ausser den beiden Kuppeln
noch zwei Thürme; unten ringsum Fronten, die theils von S. Giorgio,
theils von den Zitelle (Seite 363, b) geborgt sind; überragt von unge-
heuern Voluten und bevölkert von mehr als 100 Statuen. Wie sich
der so vielgebrochene Umgang des Achtecks im Innern ausnehmen
würde, kümmerte den Erbauer offenbar wenig. (Das Achteck selbst
ist innen ganz nach S. Giorgio stylisirt; dahinter folgt ausser dem
zweiten Kuppelraum noch ein Chor.) Und wie grundschlecht die ganze
Decoration von hinten, von der Giudecca aus sich präsentiren müsse,
war ihm vollends gleichgültig.
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b
c
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts werden zuerst Anläufe,
dann ernstliche Versuche zur Erneuerung des echten Classicismus ge-
macht. Es sind für Italien weniger die Stuart’schen Abbildungen der
Alterthümer von Athen, als vielmehr neue ernstliche Studien der rö-
mischen Ruinen, welche im Zusammenhang mit andern Bewegungen
des italienischen Geistes den Ausschlag geben. Ganz speciell war das
Detail des Barockstyls dermassen ausgelebt, dass der erste Anstoss
ihm ein Ende machen musste; schon etwa seit 1730 hatte man lieber
ganz matte, leere Formen gebildet, als jenen colossalen Schwulst
wiederholt, zu welchem seit Pozzo und den Bibiena Niemand mehr
die erforderliche Leidenschaft und Phantasterei besass. Der Cultus
Palladio’s in Oberitalien (Seite 364) kam der neuen Regung nicht
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/420>, abgerufen am 18.12.2024.
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