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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur von 1540 bis 1580.
a

Von der Vigna di Papa Giulio war eben die Rede. Wir über-
gehen auch die Gebäude am Platz der Stephansritter in Pisa: den
unbedeutenden Palast und die in auffallend unangenehmen Verhält-
nissen erbaute Kirche, sowie den von Vasari grossentheils erneuten
bInnenbau des Pal. vecchio in Florenz; er selber spricht mehr als ge-
nug von den Treppen und besonders von dem grossen Saal, dessen
beide Schmalseiten allerdings perspectivisch treffliche Abschlüsse sind.
cDie ganze Tüchtigkeit des Meisters zeigt erst das Gebäude der Uffi-
zien
, nach seinem Entwurf 1560 von ihm selbst begonnen, von Pa-
rigi, Buontalenti u. A. vollendet. Zur richtigen Beurtheilung ist es
wesentlich zu wissen, dass schon vorhandene Mauern benützt werden
mussten, dass der Verkehr zwischen Piazza del Granduca und dem
Arno nicht gehemmt werden durfte und dass die "Uffizj", d. h. Bu-
reaux, die verschiedensten Bestimmungen hatten (Verwaltung, Kassen,
Tribunale, Archive), also kein Motiv zu einer mehr geschlossenen,
centralen Composition gegeben war. Das Erdgeschoss bildet eine der
schönsten Hallen von Italien; in Harmonie mit allen übrigen Formen
des Baues gab ihr Vasari ein gerades Gebälk und sparte die Bogen
für die hintere Verbindungshalle, wo sie denn auch ihre imposante
Wirkung thun. Beim Organismus der obern Stockwerke ist zu er-
wägen, dass es sich nicht um einen fürstlichen Palast, sondern um
einen engen, hohen Nutzbau mit sehr bestimmten Zwecken handelte.
Auch bei der Anlage der Treppen, welche noch ziemlich steil sind,
war Vasari nicht frei; doch that er das Mögliche, um auch hier und
in den Vestibulen schöne Räume zu schaffen. Einzelne Barockformen
an Thürgiebeln etc. fallen vielleicht nicht ihm zur Last.

Endlich ein origineller, höchstens an Venezianisches (Seite 328, f)
derinnernder Kirchenbau Vasari's: Die Abbadia de' Cassinensi zu
Arezzo, aussen roh gelassen, wie leider so viele zumal toscanische
Kirchen; innen ein Tonnengewölbe der Länge nach, durchkreuzt von
zwei Querschiffen ebenfalls mit Tonnengewölben; über den Kreuzun-
gen niedrige Kuppeln (deren eine in der Folge von dem bekannten
Meister der Perspective, dem Jesuiten Pozzo, mit der täuschenden
Innensicht einer Hochkuppel ausgemalt worden ist); die vier niedri-
gern Nebenräume, welche so entstehen, sind durch Säulenstellungen
gegen das Hauptschiff geöffnet, die in der Mitte einen Bogen tragen;

Architektur von 1540 bis 1580.
a

Von der Vigna di Papa Giulio war eben die Rede. Wir über-
gehen auch die Gebäude am Platz der Stephansritter in Pisa: den
unbedeutenden Palast und die in auffallend unangenehmen Verhält-
nissen erbaute Kirche, sowie den von Vasari grossentheils erneuten
bInnenbau des Pal. vecchio in Florenz; er selber spricht mehr als ge-
nug von den Treppen und besonders von dem grossen Saal, dessen
beide Schmalseiten allerdings perspectivisch treffliche Abschlüsse sind.
cDie ganze Tüchtigkeit des Meisters zeigt erst das Gebäude der Uffi-
zien
, nach seinem Entwurf 1560 von ihm selbst begonnen, von Pa-
rigi, Buontalenti u. A. vollendet. Zur richtigen Beurtheilung ist es
wesentlich zu wissen, dass schon vorhandene Mauern benützt werden
mussten, dass der Verkehr zwischen Piazza del Granduca und dem
Arno nicht gehemmt werden durfte und dass die „Uffizj“, d. h. Bu-
reaux, die verschiedensten Bestimmungen hatten (Verwaltung, Kassen,
Tribunale, Archive), also kein Motiv zu einer mehr geschlossenen,
centralen Composition gegeben war. Das Erdgeschoss bildet eine der
schönsten Hallen von Italien; in Harmonie mit allen übrigen Formen
des Baues gab ihr Vasari ein gerades Gebälk und sparte die Bogen
für die hintere Verbindungshalle, wo sie denn auch ihre imposante
Wirkung thun. Beim Organismus der obern Stockwerke ist zu er-
wägen, dass es sich nicht um einen fürstlichen Palast, sondern um
einen engen, hohen Nutzbau mit sehr bestimmten Zwecken handelte.
Auch bei der Anlage der Treppen, welche noch ziemlich steil sind,
war Vasari nicht frei; doch that er das Mögliche, um auch hier und
in den Vestibulen schöne Räume zu schaffen. Einzelne Barockformen
an Thürgiebeln etc. fallen vielleicht nicht ihm zur Last.

Endlich ein origineller, höchstens an Venezianisches (Seite 328, f)
derinnernder Kirchenbau Vasari’s: Die Abbadia de’ Cassinensi zu
Arezzo, aussen roh gelassen, wie leider so viele zumal toscanische
Kirchen; innen ein Tonnengewölbe der Länge nach, durchkreuzt von
zwei Querschiffen ebenfalls mit Tonnengewölben; über den Kreuzun-
gen niedrige Kuppeln (deren eine in der Folge von dem bekannten
Meister der Perspective, dem Jesuiten Pozzo, mit der täuschenden
Innensicht einer Hochkuppel ausgemalt worden ist); die vier niedri-
gern Nebenräume, welche so entstehen, sind durch Säulenstellungen
gegen das Hauptschiff geöffnet, die in der Mitte einen Bogen tragen;

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[344/0366] Architektur von 1540 bis 1580. Von der Vigna di Papa Giulio war eben die Rede. Wir über- gehen auch die Gebäude am Platz der Stephansritter in Pisa: den unbedeutenden Palast und die in auffallend unangenehmen Verhält- nissen erbaute Kirche, sowie den von Vasari grossentheils erneuten Innenbau des Pal. vecchio in Florenz; er selber spricht mehr als ge- nug von den Treppen und besonders von dem grossen Saal, dessen beide Schmalseiten allerdings perspectivisch treffliche Abschlüsse sind. Die ganze Tüchtigkeit des Meisters zeigt erst das Gebäude der Uffi- zien, nach seinem Entwurf 1560 von ihm selbst begonnen, von Pa- rigi, Buontalenti u. A. vollendet. Zur richtigen Beurtheilung ist es wesentlich zu wissen, dass schon vorhandene Mauern benützt werden mussten, dass der Verkehr zwischen Piazza del Granduca und dem Arno nicht gehemmt werden durfte und dass die „Uffizj“, d. h. Bu- reaux, die verschiedensten Bestimmungen hatten (Verwaltung, Kassen, Tribunale, Archive), also kein Motiv zu einer mehr geschlossenen, centralen Composition gegeben war. Das Erdgeschoss bildet eine der schönsten Hallen von Italien; in Harmonie mit allen übrigen Formen des Baues gab ihr Vasari ein gerades Gebälk und sparte die Bogen für die hintere Verbindungshalle, wo sie denn auch ihre imposante Wirkung thun. Beim Organismus der obern Stockwerke ist zu er- wägen, dass es sich nicht um einen fürstlichen Palast, sondern um einen engen, hohen Nutzbau mit sehr bestimmten Zwecken handelte. Auch bei der Anlage der Treppen, welche noch ziemlich steil sind, war Vasari nicht frei; doch that er das Mögliche, um auch hier und in den Vestibulen schöne Räume zu schaffen. Einzelne Barockformen an Thürgiebeln etc. fallen vielleicht nicht ihm zur Last. b c Endlich ein origineller, höchstens an Venezianisches (Seite 328, f) erinnernder Kirchenbau Vasari’s: Die Abbadia de’ Cassinensi zu Arezzo, aussen roh gelassen, wie leider so viele zumal toscanische Kirchen; innen ein Tonnengewölbe der Länge nach, durchkreuzt von zwei Querschiffen ebenfalls mit Tonnengewölben; über den Kreuzun- gen niedrige Kuppeln (deren eine in der Folge von dem bekannten Meister der Perspective, dem Jesuiten Pozzo, mit der täuschenden Innensicht einer Hochkuppel ausgemalt worden ist); die vier niedri- gern Nebenräume, welche so entstehen, sind durch Säulenstellungen gegen das Hauptschiff geöffnet, die in der Mitte einen Bogen tragen; d

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/366>, abgerufen am 18.05.2024.