ganz unverziert zu lassen. Ein weiterer Unterschied ist die jetzt üb- liche Bedeckung des Innern mit einem cassettirten Tonnengewölbe, während man doch aussen den griechischen Giebel, d. h. den Ausdruck eines Balkendaches, beibehielt. Wahrscheinlich brachte man, wie einst im Dach des griechischen Tempels, so hier im Gewölbe eine grosse Licht- öffnung an, ohne welche die Beleuchtung ganz zweifelhaft bliebe; Sei- tenfenster finden sich fast nirgends. Echt römisch ist endlich die Zer- theilung der Wandflächen durch einwärtstretende Nischen und die Er- richtung einer hintern Hauptnische für das Bild der Gottheit; dieses ganze Nischenwerk aber muss man sich bekleidet und umgeben den- ken von besondern Säulenstellungen mit Gebälken und Giebeln, wo- durch die ganze Mauer ein prachtvoll abwechselndes Leben erhielt und die griechische Ruhe total einbüsste. -- Das Dach der Vorhalle be- stand wie bei den griechischen Tempeln aus Steinbalken verschiedener Lagen und verschiedenen Ranges, deren Zwischenräume mit Stein- platten zugedeckt waren. Allein die Durchführung ist eine andere als in den (sehr wenigen) erhaltenen Beispielen der griechischen Zeit; von der Balkenlage wird nur eine Reminiscenz beibehalten und die ganze Innensicht des Daches als erwünschter Anlass zum Aufwand von Or- namenten benützt. Die Untenseiten der Balken bekommen Reliefarabes- ken, ihre Zwischenräume werden zu reich profilirten Cassetten, welche grosse, gewaltig wirksame Rosetten enthalten.
Mit der dorischen Ordnung hatten die Römer entschiedenes Unglück. Sie wollten die ernsten Formen derselben mit den leichten Verhältnissen der ionischen verbinden und fielen dabei nothwendig in das Magere und Dürftige. In Rom selbst ist kein dorischer Tempel amehr erhalten; an den zwanzig Säulen in S. Pietro in vincoli näm- lich, welche vom Tempel des Quirinus entlehnt sein sollen, ist die ur- sprüngliche Höhe fraglich und die Capitäle sind modern. -- Das einzige Beispiel, welches eine ungestörte Anschauung des Römisch- bDorischen giebt, möchte wohl in der Vorhalle des Herculestempels zu Cora (drei Stunden von Velletri) bestehen; Lage, Material und Ernst der Formen (so übereinfach sie sein mögen) sichern diesem Ge- bäude noch immer eine grosse Wirkung. Dasselbe wird etwa in die
Architektur. Römisch-dorische Tempel.
ganz unverziert zu lassen. Ein weiterer Unterschied ist die jetzt üb- liche Bedeckung des Innern mit einem cassettirten Tonnengewölbe, während man doch aussen den griechischen Giebel, d. h. den Ausdruck eines Balkendaches, beibehielt. Wahrscheinlich brachte man, wie einst im Dach des griechischen Tempels, so hier im Gewölbe eine grosse Licht- öffnung an, ohne welche die Beleuchtung ganz zweifelhaft bliebe; Sei- tenfenster finden sich fast nirgends. Echt römisch ist endlich die Zer- theilung der Wandflächen durch einwärtstretende Nischen und die Er- richtung einer hintern Hauptnische für das Bild der Gottheit; dieses ganze Nischenwerk aber muss man sich bekleidet und umgeben den- ken von besondern Säulenstellungen mit Gebälken und Giebeln, wo- durch die ganze Mauer ein prachtvoll abwechselndes Leben erhielt und die griechische Ruhe total einbüsste. — Das Dach der Vorhalle be- stand wie bei den griechischen Tempeln aus Steinbalken verschiedener Lagen und verschiedenen Ranges, deren Zwischenräume mit Stein- platten zugedeckt waren. Allein die Durchführung ist eine andere als in den (sehr wenigen) erhaltenen Beispielen der griechischen Zeit; von der Balkenlage wird nur eine Reminiscenz beibehalten und die ganze Innensicht des Daches als erwünschter Anlass zum Aufwand von Or- namenten benützt. Die Untenseiten der Balken bekommen Reliefarabes- ken, ihre Zwischenräume werden zu reich profilirten Cassetten, welche grosse, gewaltig wirksame Rosetten enthalten.
Mit der dorischen Ordnung hatten die Römer entschiedenes Unglück. Sie wollten die ernsten Formen derselben mit den leichten Verhältnissen der ionischen verbinden und fielen dabei nothwendig in das Magere und Dürftige. In Rom selbst ist kein dorischer Tempel amehr erhalten; an den zwanzig Säulen in S. Pietro in vincoli näm- lich, welche vom Tempel des Quirinus entlehnt sein sollen, ist die ur- sprüngliche Höhe fraglich und die Capitäle sind modern. — Das einzige Beispiel, welches eine ungestörte Anschauung des Römisch- bDorischen giebt, möchte wohl in der Vorhalle des Herculestempels zu Cora (drei Stunden von Velletri) bestehen; Lage, Material und Ernst der Formen (so übereinfach sie sein mögen) sichern diesem Ge- bäude noch immer eine grosse Wirkung. Dasselbe wird etwa in die
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[14/0036]
Architektur. Römisch-dorische Tempel.
ganz unverziert zu lassen. Ein weiterer Unterschied ist die jetzt üb-
liche Bedeckung des Innern mit einem cassettirten Tonnengewölbe,
während man doch aussen den griechischen Giebel, d. h. den Ausdruck
eines Balkendaches, beibehielt. Wahrscheinlich brachte man, wie einst im
Dach des griechischen Tempels, so hier im Gewölbe eine grosse Licht-
öffnung an, ohne welche die Beleuchtung ganz zweifelhaft bliebe; Sei-
tenfenster finden sich fast nirgends. Echt römisch ist endlich die Zer-
theilung der Wandflächen durch einwärtstretende Nischen und die Er-
richtung einer hintern Hauptnische für das Bild der Gottheit; dieses
ganze Nischenwerk aber muss man sich bekleidet und umgeben den-
ken von besondern Säulenstellungen mit Gebälken und Giebeln, wo-
durch die ganze Mauer ein prachtvoll abwechselndes Leben erhielt und
die griechische Ruhe total einbüsste. — Das Dach der Vorhalle be-
stand wie bei den griechischen Tempeln aus Steinbalken verschiedener
Lagen und verschiedenen Ranges, deren Zwischenräume mit Stein-
platten zugedeckt waren. Allein die Durchführung ist eine andere als
in den (sehr wenigen) erhaltenen Beispielen der griechischen Zeit; von
der Balkenlage wird nur eine Reminiscenz beibehalten und die ganze
Innensicht des Daches als erwünschter Anlass zum Aufwand von Or-
namenten benützt. Die Untenseiten der Balken bekommen Reliefarabes-
ken, ihre Zwischenräume werden zu reich profilirten Cassetten, welche
grosse, gewaltig wirksame Rosetten enthalten.
Mit der dorischen Ordnung hatten die Römer entschiedenes
Unglück. Sie wollten die ernsten Formen derselben mit den leichten
Verhältnissen der ionischen verbinden und fielen dabei nothwendig in
das Magere und Dürftige. In Rom selbst ist kein dorischer Tempel
mehr erhalten; an den zwanzig Säulen in S. Pietro in vincoli näm-
lich, welche vom Tempel des Quirinus entlehnt sein sollen, ist die ur-
sprüngliche Höhe fraglich und die Capitäle sind modern. — Das
einzige Beispiel, welches eine ungestörte Anschauung des Römisch-
Dorischen giebt, möchte wohl in der Vorhalle des Herculestempels
zu Cora (drei Stunden von Velletri) bestehen; Lage, Material und
Ernst der Formen (so übereinfach sie sein mögen) sichern diesem Ge-
bäude noch immer eine grosse Wirkung. Dasselbe wird etwa in die
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/36>, abgerufen am 05.12.2024.
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