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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Hochrenaissance. Bau von S. Peter.
ursprünglichen Plans von S. Peter, und zwar eine trefflich modificirte,
zuzugeben sein. -- Wie weit beim Dom von Padua Michelangelo's
Angaben befolgt wurden, vgl. S. 320, a. -- Die ihm zugeschriebene
aDecke des Laterans steht so weit unter derjenigen der Laurenziana,
dass eine andere Angabe, wonach sie von Giac. della Porta entworfen
ist, ungleich mehr Glauben verdient.


Erst als Greis erhielt Michelangelo durch Paul III den Auftrag
bzur Vollendung der S. Peterskirche, von welcher hier im Zu-
sammenhang die Rede sein muss. Ohne auf die Geschichte des Baues
im Einzelnen, auf den Wechsel der Entwürfe näher einzugehen, be-
schränken wir uns auf dasjenige, was wirklich ausgeführt und noch
vorhanden ist.

Bramante hatte das Gebäude 1506 angefangen, mit der Absicht
ein griechisches, gleicharmiges Kreuz mit grosser mittlerer Kuppel zu
errichten. Ihm gehört die Abrundung der Kreuzarme zu Tribunen, die
er (S. 303) in der Lombardie gelernt und später auch an der Madonna
della Consolazione zu Todi in Anwendung gebracht hatte. Schon in ver-
schiedenen Gestalten ist uns diess griechische Kreuz mit abgerundeten
Armen begegnet, z. B. (S. 204, c) an der Steccata in Parma (1521); es
galt seit Bramante ohne Frage als die vollkommenste Kirchenform,
sodass z. B. Leo X unter den Plänen für S. Giovanni de' Fiorentini
demjenigen des Jacopo Sansovino (s. dessen Leben bei Vasari) den
Vorzug gab, weil er diese Gestalt hatte. -- Die Theorie wird über
diese Grundform sich immer in verschiedene Ansichten spalten; sicher
aber würde dieselbe, nach Bramante's Plan ausgeführt -- vier Halb-
runde mit quadratisch vortretenden Ecken -- an sich eine grosse
Wirkung machen, zumal wenn man den Bau in des grossen Meisters
Weise organisirt denkt. (Dazu zwei Seitenthürme und eine sechs-
säulige Vorhalle.)

Von Rafaels neuem Entwurf ist nichts Ausgeführtes vorhanden.
-- Von Baldassare Peruzzi stammt die Flankirung der Kuppel
mit vier kleinen Kuppeln (wovon später nur die beiden vordern aus-
geführt wurden). Die Combination mehrerer Kuppeln ist eine vene-
zianische, aus dem Orient übernommene Idee; die Renaissance fühlte

Hochrenaissance. Bau von S. Peter.
ursprünglichen Plans von S. Peter, und zwar eine trefflich modificirte,
zuzugeben sein. — Wie weit beim Dom von Padua Michelangelo’s
Angaben befolgt wurden, vgl. S. 320, a. — Die ihm zugeschriebene
aDecke des Laterans steht so weit unter derjenigen der Laurenziana,
dass eine andere Angabe, wonach sie von Giac. della Porta entworfen
ist, ungleich mehr Glauben verdient.


Erst als Greis erhielt Michelangelo durch Paul III den Auftrag
bzur Vollendung der S. Peterskirche, von welcher hier im Zu-
sammenhang die Rede sein muss. Ohne auf die Geschichte des Baues
im Einzelnen, auf den Wechsel der Entwürfe näher einzugehen, be-
schränken wir uns auf dasjenige, was wirklich ausgeführt und noch
vorhanden ist.

Bramante hatte das Gebäude 1506 angefangen, mit der Absicht
ein griechisches, gleicharmiges Kreuz mit grosser mittlerer Kuppel zu
errichten. Ihm gehört die Abrundung der Kreuzarme zu Tribunen, die
er (S. 303) in der Lombardie gelernt und später auch an der Madonna
della Consolazione zu Todi in Anwendung gebracht hatte. Schon in ver-
schiedenen Gestalten ist uns diess griechische Kreuz mit abgerundeten
Armen begegnet, z. B. (S. 204, c) an der Steccata in Parma (1521); es
galt seit Bramante ohne Frage als die vollkommenste Kirchenform,
sodass z. B. Leo X unter den Plänen für S. Giovanni de’ Fiorentini
demjenigen des Jacopo Sansovino (s. dessen Leben bei Vasari) den
Vorzug gab, weil er diese Gestalt hatte. — Die Theorie wird über
diese Grundform sich immer in verschiedene Ansichten spalten; sicher
aber würde dieselbe, nach Bramante’s Plan ausgeführt — vier Halb-
runde mit quadratisch vortretenden Ecken — an sich eine grosse
Wirkung machen, zumal wenn man den Bau in des grossen Meisters
Weise organisirt denkt. (Dazu zwei Seitenthürme und eine sechs-
säulige Vorhalle.)

Von Rafaels neuem Entwurf ist nichts Ausgeführtes vorhanden.
— Von Baldassare Peruzzi stammt die Flankirung der Kuppel
mit vier kleinen Kuppeln (wovon später nur die beiden vordern aus-
geführt wurden). Die Combination mehrerer Kuppeln ist eine vene-
zianische, aus dem Orient übernommene Idee; die Renaissance fühlte

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[334/0356] Hochrenaissance. Bau von S. Peter. ursprünglichen Plans von S. Peter, und zwar eine trefflich modificirte, zuzugeben sein. — Wie weit beim Dom von Padua Michelangelo’s Angaben befolgt wurden, vgl. S. 320, a. — Die ihm zugeschriebene Decke des Laterans steht so weit unter derjenigen der Laurenziana, dass eine andere Angabe, wonach sie von Giac. della Porta entworfen ist, ungleich mehr Glauben verdient. a Erst als Greis erhielt Michelangelo durch Paul III den Auftrag zur Vollendung der S. Peterskirche, von welcher hier im Zu- sammenhang die Rede sein muss. Ohne auf die Geschichte des Baues im Einzelnen, auf den Wechsel der Entwürfe näher einzugehen, be- schränken wir uns auf dasjenige, was wirklich ausgeführt und noch vorhanden ist. b Bramante hatte das Gebäude 1506 angefangen, mit der Absicht ein griechisches, gleicharmiges Kreuz mit grosser mittlerer Kuppel zu errichten. Ihm gehört die Abrundung der Kreuzarme zu Tribunen, die er (S. 303) in der Lombardie gelernt und später auch an der Madonna della Consolazione zu Todi in Anwendung gebracht hatte. Schon in ver- schiedenen Gestalten ist uns diess griechische Kreuz mit abgerundeten Armen begegnet, z. B. (S. 204, c) an der Steccata in Parma (1521); es galt seit Bramante ohne Frage als die vollkommenste Kirchenform, sodass z. B. Leo X unter den Plänen für S. Giovanni de’ Fiorentini demjenigen des Jacopo Sansovino (s. dessen Leben bei Vasari) den Vorzug gab, weil er diese Gestalt hatte. — Die Theorie wird über diese Grundform sich immer in verschiedene Ansichten spalten; sicher aber würde dieselbe, nach Bramante’s Plan ausgeführt — vier Halb- runde mit quadratisch vortretenden Ecken — an sich eine grosse Wirkung machen, zumal wenn man den Bau in des grossen Meisters Weise organisirt denkt. (Dazu zwei Seitenthürme und eine sechs- säulige Vorhalle.) Von Rafaels neuem Entwurf ist nichts Ausgeführtes vorhanden. — Von Baldassare Peruzzi stammt die Flankirung der Kuppel mit vier kleinen Kuppeln (wovon später nur die beiden vordern aus- geführt wurden). Die Combination mehrerer Kuppeln ist eine vene- zianische, aus dem Orient übernommene Idee; die Renaissance fühlte

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/356>, abgerufen am 18.05.2024.