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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur. Römische Ordnung.

Bei der nun folgenden Übersicht der römischen Bauwerke in Italien
möge man ja im Auge behalten, dass wir das rein Archäologische ab-
sichtlich beseitigen und auf eine Ergänzung desselben aus den Reise-
handbüchern und aus sonstigen Studien rechnen. Auch unsere Vor-
bemerkungen werden nicht aus Notizen bestehen, sondern einige all-
gemeine Gesichtspunkte festzustellen suchen.

Römerbauten der bessern und noch der mittlern Zeit haben ein
Königsrecht selbst neben dem Massivsten was Italien aus dem Mittel-
alter und der neuen Bauperiode besitzt. Selbst ein kleiner Rest be-
meistert in seiner Wirkung ganze Gassen, deren Häuser doppelt und
dreimal so hoch sind. Diess kommt zunächst von dem Stoffe, aus wel-
chem gebaut wurde; in der Regel ist es der beste, der zu haben war.
Sodann wurde von allem Anfang an bei öffentlichen Gebäuden nicht
gepfuscht und nicht jeder Rücksicht nachgegeben; man baute etwas
Rechtes oder gar nichts. Endlich ist die antike Architektur mit ihren
plastisch sprechenden, bedeutsam abwechselnden Einzeltheilen, Säulen,
Gebälken, Giebeln etc. im Stande, jeder andern baulichen Gliederung
die Spitze zu bieten, selbst der gothischen, so wie sie in Italien auftritt.

Nun sind einige zeitliche und technische Unterschiede zu beob-
achten. Zur Zeit der römischen Republik und auch der frühern Kaiser
wurden die öffentlichen Bauwerke aus Quadern desjenigen Steines er-
baut, welcher unter den nächst zu habenden der beste war. Für Rom
z. B. musste die Wahl auf den grüngrauen Peperin und den gelblichen
Travertin fallen. Allein schon seit Augustus gewann man den fernab
liegenden weissen Marmor so lieb, dass mit der Zeit wenigstens Säulen
und Gebälk vorzugsweise daraus gebildet wurden, während man die
Wände mit Platten dieses und anderer kostbarer Stoffe bekleidete; das
Innere der Mauern aber bestand fortan aus Ziegeln.

Marmorbauten jedoch waren das ganze Mittelalter hindurch die
beliebtesten und bequemsten Steinbrüche, wo man die schönsten Säu-
len, in der Regel aus Einem Steine, fertig vorfand um hundert Basi-
liken damit auszustatten. Von den Mauern löste man mit Leichtigkeit
die vorgesetzten Platten ab und verwandte sie auf alle Weise; Ge-
bäude, deren Mauern aus vollen durchgehenden Quadern bestanden
hätten, würde man gewiss eher respectirt und so gut es ging, zu neuen
Bestimmungen eingerichtet haben.

Architektur. Römische Ordnung.

Bei der nun folgenden Übersicht der römischen Bauwerke in Italien
möge man ja im Auge behalten, dass wir das rein Archäologische ab-
sichtlich beseitigen und auf eine Ergänzung desselben aus den Reise-
handbüchern und aus sonstigen Studien rechnen. Auch unsere Vor-
bemerkungen werden nicht aus Notizen bestehen, sondern einige all-
gemeine Gesichtspunkte festzustellen suchen.

Römerbauten der bessern und noch der mittlern Zeit haben ein
Königsrecht selbst neben dem Massivsten was Italien aus dem Mittel-
alter und der neuen Bauperiode besitzt. Selbst ein kleiner Rest be-
meistert in seiner Wirkung ganze Gassen, deren Häuser doppelt und
dreimal so hoch sind. Diess kommt zunächst von dem Stoffe, aus wel-
chem gebaut wurde; in der Regel ist es der beste, der zu haben war.
Sodann wurde von allem Anfang an bei öffentlichen Gebäuden nicht
gepfuscht und nicht jeder Rücksicht nachgegeben; man baute etwas
Rechtes oder gar nichts. Endlich ist die antike Architektur mit ihren
plastisch sprechenden, bedeutsam abwechselnden Einzeltheilen, Säulen,
Gebälken, Giebeln etc. im Stande, jeder andern baulichen Gliederung
die Spitze zu bieten, selbst der gothischen, so wie sie in Italien auftritt.

Nun sind einige zeitliche und technische Unterschiede zu beob-
achten. Zur Zeit der römischen Republik und auch der frühern Kaiser
wurden die öffentlichen Bauwerke aus Quadern desjenigen Steines er-
baut, welcher unter den nächst zu habenden der beste war. Für Rom
z. B. musste die Wahl auf den grüngrauen Peperin und den gelblichen
Travertin fallen. Allein schon seit Augustus gewann man den fernab
liegenden weissen Marmor so lieb, dass mit der Zeit wenigstens Säulen
und Gebälk vorzugsweise daraus gebildet wurden, während man die
Wände mit Platten dieses und anderer kostbarer Stoffe bekleidete; das
Innere der Mauern aber bestand fortan aus Ziegeln.

Marmorbauten jedoch waren das ganze Mittelalter hindurch die
beliebtesten und bequemsten Steinbrüche, wo man die schönsten Säu-
len, in der Regel aus Einem Steine, fertig vorfand um hundert Basi-
liken damit auszustatten. Von den Mauern löste man mit Leichtigkeit
die vorgesetzten Platten ab und verwandte sie auf alle Weise; Ge-
bäude, deren Mauern aus vollen durchgehenden Quadern bestanden
hätten, würde man gewiss eher respectirt und so gut es ging, zu neuen
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[10/0032] Architektur. Römische Ordnung. Bei der nun folgenden Übersicht der römischen Bauwerke in Italien möge man ja im Auge behalten, dass wir das rein Archäologische ab- sichtlich beseitigen und auf eine Ergänzung desselben aus den Reise- handbüchern und aus sonstigen Studien rechnen. Auch unsere Vor- bemerkungen werden nicht aus Notizen bestehen, sondern einige all- gemeine Gesichtspunkte festzustellen suchen. Römerbauten der bessern und noch der mittlern Zeit haben ein Königsrecht selbst neben dem Massivsten was Italien aus dem Mittel- alter und der neuen Bauperiode besitzt. Selbst ein kleiner Rest be- meistert in seiner Wirkung ganze Gassen, deren Häuser doppelt und dreimal so hoch sind. Diess kommt zunächst von dem Stoffe, aus wel- chem gebaut wurde; in der Regel ist es der beste, der zu haben war. Sodann wurde von allem Anfang an bei öffentlichen Gebäuden nicht gepfuscht und nicht jeder Rücksicht nachgegeben; man baute etwas Rechtes oder gar nichts. Endlich ist die antike Architektur mit ihren plastisch sprechenden, bedeutsam abwechselnden Einzeltheilen, Säulen, Gebälken, Giebeln etc. im Stande, jeder andern baulichen Gliederung die Spitze zu bieten, selbst der gothischen, so wie sie in Italien auftritt. Nun sind einige zeitliche und technische Unterschiede zu beob- achten. Zur Zeit der römischen Republik und auch der frühern Kaiser wurden die öffentlichen Bauwerke aus Quadern desjenigen Steines er- baut, welcher unter den nächst zu habenden der beste war. Für Rom z. B. musste die Wahl auf den grüngrauen Peperin und den gelblichen Travertin fallen. Allein schon seit Augustus gewann man den fernab liegenden weissen Marmor so lieb, dass mit der Zeit wenigstens Säulen und Gebälk vorzugsweise daraus gebildet wurden, während man die Wände mit Platten dieses und anderer kostbarer Stoffe bekleidete; das Innere der Mauern aber bestand fortan aus Ziegeln. Marmorbauten jedoch waren das ganze Mittelalter hindurch die beliebtesten und bequemsten Steinbrüche, wo man die schönsten Säu- len, in der Regel aus Einem Steine, fertig vorfand um hundert Basi- liken damit auszustatten. Von den Mauern löste man mit Leichtigkeit die vorgesetzten Platten ab und verwandte sie auf alle Weise; Ge- bäude, deren Mauern aus vollen durchgehenden Quadern bestanden hätten, würde man gewiss eher respectirt und so gut es ging, zu neuen Bestimmungen eingerichtet haben.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/32>, abgerufen am 05.12.2024.