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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Florenz. Venedig. Verona.

Das Anmuthigste dieser Richtung ist vielleicht der Fries mit Ge-
nien in dem hübschen kleinen Hof der Camaldulenser (Via degli Alfani)a
links von der Kirche, nach 1621. In der zweifarbigen Malerei tönt
hier ein Echo der Robbia nach, obwohl die Formen der Putten schon
manirirt sind.

Mit der völligen Ausbildung des Barockstyles (seit etwa 1630)
nahm diese Art von Decoration auch in Florenz ein Ende; man
scheint sie als etwas Kleinliches oder Kindisches verachtet zu haben;
mit ihr zehrt die Architektur das letzte freie Zierelement auf. An
ihre Stelle tritt, wo man der Decoration bedurfte, die Perspectiven-
malerei, in welcher sich einst schon Baldassare Peruzzi auf seine
Weise versucht hatte. Wir werden bei Anlass der spätern Epochen
darauf zurückkommen.


Venedig besitzt in dieser Gattung nur noch Weniges und im
Zustande fast totaler Zerstörung durch die Feuchtigkeit, aber von so
grossen Meistern, dass man gerne auch die Trümmer aufsucht. So
war der Fondaco de' Tedeschi am Rialto (jetzige Dogana), ein grossesb
einfaches Gebäude des Fra Giocondo vom Jahr 1506, vollständig be-
malt von Tizian und seinen Schülern; hie und da ist noch ein
schwacher Schimmer zu erblicken. Etwas besser erhalten sind die
Malereien an der Oberwand des Klosterhofes von S. Stefano, vonc
Giov. Ant. Pordenone, theils alttestamentliche Geschichten, theils
vorzüglich schön belebte nackte Figuren (meist Kinder) und Tugenden.
Dieser Rest ist vielleicht die bedeutendste Aussenmalerei der goldenen
Zeit, welche überhaupt erhalten ist und wiegt alles Gleichartige in
Genua weit auf.


Endlich muss Verona vor allen Städten Italiens durch Menge
und Werth bemalter Fassaden ausgezeichnet gewesen sein. Eine be-
sondere climatische Ursache oder irgend ein innerer Fehler des Mör-
tels hat leider bei weitem das Meiste davon zerstört und auch das
Erhaltene ist nur dürftig erhalten, ungleich weniger als z. B. ähnliche
Malereien in Florenz. An vielen Häusern ist nur etwa das Haupt-

Florenz. Venedig. Verona.

Das Anmuthigste dieser Richtung ist vielleicht der Fries mit Ge-
nien in dem hübschen kleinen Hof der Camaldulenser (Via degli Alfani)a
links von der Kirche, nach 1621. In der zweifarbigen Malerei tönt
hier ein Echo der Robbia nach, obwohl die Formen der Putten schon
manirirt sind.

Mit der völligen Ausbildung des Barockstyles (seit etwa 1630)
nahm diese Art von Decoration auch in Florenz ein Ende; man
scheint sie als etwas Kleinliches oder Kindisches verachtet zu haben;
mit ihr zehrt die Architektur das letzte freie Zierelement auf. An
ihre Stelle tritt, wo man der Decoration bedurfte, die Perspectiven-
malerei, in welcher sich einst schon Baldassare Peruzzi auf seine
Weise versucht hatte. Wir werden bei Anlass der spätern Epochen
darauf zurückkommen.


Venedig besitzt in dieser Gattung nur noch Weniges und im
Zustande fast totaler Zerstörung durch die Feuchtigkeit, aber von so
grossen Meistern, dass man gerne auch die Trümmer aufsucht. So
war der Fondaco de’ Tedeschi am Rialto (jetzige Dogana), ein grossesb
einfaches Gebäude des Fra Giocondo vom Jahr 1506, vollständig be-
malt von Tizian und seinen Schülern; hie und da ist noch ein
schwacher Schimmer zu erblicken. Etwas besser erhalten sind die
Malereien an der Oberwand des Klosterhofes von S. Stefano, vonc
Giov. Ant. Pordenone, theils alttestamentliche Geschichten, theils
vorzüglich schön belebte nackte Figuren (meist Kinder) und Tugenden.
Dieser Rest ist vielleicht die bedeutendste Aussenmalerei der goldenen
Zeit, welche überhaupt erhalten ist und wiegt alles Gleichartige in
Genua weit auf.


Endlich muss Verona vor allen Städten Italiens durch Menge
und Werth bemalter Fassaden ausgezeichnet gewesen sein. Eine be-
sondere climatische Ursache oder irgend ein innerer Fehler des Mör-
tels hat leider bei weitem das Meiste davon zerstört und auch das
Erhaltene ist nur dürftig erhalten, ungleich weniger als z. B. ähnliche
Malereien in Florenz. An vielen Häusern ist nur etwa das Haupt-

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[295/0317] Florenz. Venedig. Verona. Das Anmuthigste dieser Richtung ist vielleicht der Fries mit Ge- nien in dem hübschen kleinen Hof der Camaldulenser (Via degli Alfani) links von der Kirche, nach 1621. In der zweifarbigen Malerei tönt hier ein Echo der Robbia nach, obwohl die Formen der Putten schon manirirt sind. a Mit der völligen Ausbildung des Barockstyles (seit etwa 1630) nahm diese Art von Decoration auch in Florenz ein Ende; man scheint sie als etwas Kleinliches oder Kindisches verachtet zu haben; mit ihr zehrt die Architektur das letzte freie Zierelement auf. An ihre Stelle tritt, wo man der Decoration bedurfte, die Perspectiven- malerei, in welcher sich einst schon Baldassare Peruzzi auf seine Weise versucht hatte. Wir werden bei Anlass der spätern Epochen darauf zurückkommen. Venedig besitzt in dieser Gattung nur noch Weniges und im Zustande fast totaler Zerstörung durch die Feuchtigkeit, aber von so grossen Meistern, dass man gerne auch die Trümmer aufsucht. So war der Fondaco de’ Tedeschi am Rialto (jetzige Dogana), ein grosses einfaches Gebäude des Fra Giocondo vom Jahr 1506, vollständig be- malt von Tizian und seinen Schülern; hie und da ist noch ein schwacher Schimmer zu erblicken. Etwas besser erhalten sind die Malereien an der Oberwand des Klosterhofes von S. Stefano, von Giov. Ant. Pordenone, theils alttestamentliche Geschichten, theils vorzüglich schön belebte nackte Figuren (meist Kinder) und Tugenden. Dieser Rest ist vielleicht die bedeutendste Aussenmalerei der goldenen Zeit, welche überhaupt erhalten ist und wiegt alles Gleichartige in Genua weit auf. b c Endlich muss Verona vor allen Städten Italiens durch Menge und Werth bemalter Fassaden ausgezeichnet gewesen sein. Eine be- sondere climatische Ursache oder irgend ein innerer Fehler des Mör- tels hat leider bei weitem das Meiste davon zerstört und auch das Erhaltene ist nur dürftig erhalten, ungleich weniger als z. B. ähnliche Malereien in Florenz. An vielen Häusern ist nur etwa das Haupt-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/317>, abgerufen am 24.05.2024.