die Architektur viel mehr ihr Recht behauptet, als an diesem bunten, graziösen und kindlich spielenden Zierbau.
Am Dom von Como sind die Tabernakel der Denkmäler dera beiden Plinius (das eine datirt 1498) decorativ merkwürdig, weniger wegen der barock-reichen Candelabersäulen, als wegen der Consolen mit den magern nackten Tragfiguren, welche offenbar den Schlussstei- nen römischer Triumphbogen nachgebildet sind. Die Thür des nörd- lichen Seitenschiffes, zum Theil von dem Architekten Tommaso Rodari, aber aus dessen früherer Zeit, ist auf das Reichste überladen in der lombardischen Art jener Epoche. Vielleicht von derselben Hand wie die Pliniusdenkmäler ist dann der überaus prächtige Schnitzaltar (der zweite rechts) im Innern, von welchem ein Mehreres bei Anlass der Sculptur; das Decorative ist als Ganzes nicht gut und im Detail nir- gends rein, obwohl nicht geistlos; die Candelabersäulchen zu zart für die vortretenden Gesimse.
An der Cathedrale von Lugano sind die Arabeskenpfosten derb drei Hauptpforten zwar, zumal im Verhältniss zu ihrer baulichen Func- tion betrachtet, sehr überfüllt, auch zum Theil nicht mehr rein in der Composition, aber von der elegantesten vegetabilischen Arbeit, schwung- voll und stark unterhöhlt.
Von der Certosa von Pavia wurde das Wenige, was wir nach alternden Erinnerungen und nach Abbildungen vorbringen durften, bei Anlass der Architektur (Seite 201, b) gesagt. Das im Querbau befind- liche, sehr prächtige Grabmal des Giangaleazzo Visconti wurde 1490c von einem gewissen Galeazzo Pellegrini entworfen, der sonach der Urheber des Decorativen sein möchte; an den plastischen Theilen wurde bis 1562 von sehr verschiedenen Händen gearbeitet.
Von Marmor und Erz wenden wir uns zu der Decoration in Holz, welche in der Renaissance eine so bedeutende Stelle einnimmt.
Die mittelalterliche Kirchendecoration hatte ein Princip, welchem sie aus allen Kräften nachlebte: die Zubauten, wodurch sie die Har-
B. Cicerone. 17
Herzogthum Mailand.
die Architektur viel mehr ihr Recht behauptet, als an diesem bunten, graziösen und kindlich spielenden Zierbau.
Am Dom von Como sind die Tabernakel der Denkmäler dera beiden Plinius (das eine datirt 1498) decorativ merkwürdig, weniger wegen der barock-reichen Candelabersäulen, als wegen der Consolen mit den magern nackten Tragfiguren, welche offenbar den Schlussstei- nen römischer Triumphbogen nachgebildet sind. Die Thür des nörd- lichen Seitenschiffes, zum Theil von dem Architekten Tommaso Rodari, aber aus dessen früherer Zeit, ist auf das Reichste überladen in der lombardischen Art jener Epoche. Vielleicht von derselben Hand wie die Pliniusdenkmäler ist dann der überaus prächtige Schnitzaltar (der zweite rechts) im Innern, von welchem ein Mehreres bei Anlass der Sculptur; das Decorative ist als Ganzes nicht gut und im Detail nir- gends rein, obwohl nicht geistlos; die Candelabersäulchen zu zart für die vortretenden Gesimse.
An der Cathedrale von Lugano sind die Arabeskenpfosten derb drei Hauptpforten zwar, zumal im Verhältniss zu ihrer baulichen Func- tion betrachtet, sehr überfüllt, auch zum Theil nicht mehr rein in der Composition, aber von der elegantesten vegetabilischen Arbeit, schwung- voll und stark unterhöhlt.
Von der Certosa von Pavia wurde das Wenige, was wir nach alternden Erinnerungen und nach Abbildungen vorbringen durften, bei Anlass der Architektur (Seite 201, b) gesagt. Das im Querbau befind- liche, sehr prächtige Grabmal des Giangaleazzo Visconti wurde 1490c von einem gewissen Galeazzo Pellegrini entworfen, der sonach der Urheber des Decorativen sein möchte; an den plastischen Theilen wurde bis 1562 von sehr verschiedenen Händen gearbeitet.
Von Marmor und Erz wenden wir uns zu der Decoration in Holz, welche in der Renaissance eine so bedeutende Stelle einnimmt.
Die mittelalterliche Kirchendecoration hatte ein Princip, welchem sie aus allen Kräften nachlebte: die Zubauten, wodurch sie die Har-
B. Cicerone. 17
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Herzogthum Mailand.
die Architektur viel mehr ihr Recht behauptet, als an diesem bunten,
graziösen und kindlich spielenden Zierbau.
Am Dom von Como sind die Tabernakel der Denkmäler der
beiden Plinius (das eine datirt 1498) decorativ merkwürdig, weniger
wegen der barock-reichen Candelabersäulen, als wegen der Consolen
mit den magern nackten Tragfiguren, welche offenbar den Schlussstei-
nen römischer Triumphbogen nachgebildet sind. Die Thür des nörd-
lichen Seitenschiffes, zum Theil von dem Architekten Tommaso Rodari,
aber aus dessen früherer Zeit, ist auf das Reichste überladen in der
lombardischen Art jener Epoche. Vielleicht von derselben Hand wie
die Pliniusdenkmäler ist dann der überaus prächtige Schnitzaltar (der
zweite rechts) im Innern, von welchem ein Mehreres bei Anlass der
Sculptur; das Decorative ist als Ganzes nicht gut und im Detail nir-
gends rein, obwohl nicht geistlos; die Candelabersäulchen zu zart für
die vortretenden Gesimse.
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An der Cathedrale von Lugano sind die Arabeskenpfosten der
drei Hauptpforten zwar, zumal im Verhältniss zu ihrer baulichen Func-
tion betrachtet, sehr überfüllt, auch zum Theil nicht mehr rein in der
Composition, aber von der elegantesten vegetabilischen Arbeit, schwung-
voll und stark unterhöhlt.
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Von der Certosa von Pavia wurde das Wenige, was wir nach
alternden Erinnerungen und nach Abbildungen vorbringen durften, bei
Anlass der Architektur (Seite 201, b) gesagt. Das im Querbau befind-
liche, sehr prächtige Grabmal des Giangaleazzo Visconti wurde 1490
von einem gewissen Galeazzo Pellegrini entworfen, der sonach der
Urheber des Decorativen sein möchte; an den plastischen Theilen
wurde bis 1562 von sehr verschiedenen Händen gearbeitet.
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Von Marmor und Erz wenden wir uns zu der Decoration in
Holz, welche in der Renaissance eine so bedeutende Stelle einnimmt.
Die mittelalterliche Kirchendecoration hatte ein Princip, welchem
sie aus allen Kräften nachlebte: die Zubauten, wodurch sie die Har-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/279>, abgerufen am 18.12.2024.
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