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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Renaissance-Decoration. Stein und Metall.

Wir greifen hier absichtlich tief in das XVI. und selbst in das
XVII. Jahrhundert hinab, um eine Menge von Einzelheiten mit einem
Mal vorzubringen, die sich bei den spätern Epochen der Baukunst
(wo sie der Zeit nach hingehören) sehr zerstreut ausnehmen würden.
Dem Styl nach ist es ohnediess meist ein Nachklang der Frührenais-
sance, für deren schönen und reichen Anblick die Decoration des
spätern Systemes keinen rechten Ersatz gewährte, und die man daher
stellenweise reproducirte.


Verschollen und verschwunden sind natürlich alle jene prächtigen
Decorationen des Augenblickes, von welchen Vasari eine so grosse
Menge mitten unter den bleibenden, monumentalen Kunstwerken auf-
zählt. Die Begeisterung, mit welchen er die Bauten und Geräthe für
Festzüge, die Triumphbogen und Theater für einmalige Feierlichkeiten
schildert, lässt uns die Fülle von Talent ahnen, dessen Entfaltung
und Andenken mit dem hinfälligen Stoff, mit Holz, Leinwand und
Stucco unwiederbringlich dahingegangen ist.


Auch die Aufzählung der decorativen Werke beginnt wie die der
Bauwerke billig mit Florenz, und zwar mit Brunellesco selbst.
Ohne völlige Sicherheit, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man
aihm den Entwurf zu der Lesekanzel des Refectoriums und zu dem
bBrunnen von dessen Vorraum in der Badia bei Fiesole zuschreiben;
in der leichten, edeln, auf das Ganze gehenden Zierweise spricht sich
mehr der Architekt als der Bildhauer aus. In der Kirche sind die
cAufsätze der beiden Thüren des Querschiffes sicher von ihm; von
dem artigen Giessbecken mit zwei Putten in dem hintern Nebenraum
rechts, durch welchen man in die Kirche geführt wird, lässt sich diess
weniger behaupten. Die Leibung einer Thür im Hof mit einfach edeln
Arabesken ist wohl wieder von seiner Erfindung. -- Nach diesen
dWerken zu urtheilen, kann der sehr prächtige, fein incrustirte Orgel-
lettner von S. Lorenzo mit seinen kleinlichen Motiven nicht von Bru-
enellesco entworfen sein. Aber der köstliche Brunnen in dem linken
Nebenraume der Sacristei, mit den Drachen an dem Brunnstock und

Renaissance-Decoration. Stein und Metall.

Wir greifen hier absichtlich tief in das XVI. und selbst in das
XVII. Jahrhundert hinab, um eine Menge von Einzelheiten mit einem
Mal vorzubringen, die sich bei den spätern Epochen der Baukunst
(wo sie der Zeit nach hingehören) sehr zerstreut ausnehmen würden.
Dem Styl nach ist es ohnediess meist ein Nachklang der Frührenais-
sance, für deren schönen und reichen Anblick die Decoration des
spätern Systemes keinen rechten Ersatz gewährte, und die man daher
stellenweise reproducirte.


Verschollen und verschwunden sind natürlich alle jene prächtigen
Decorationen des Augenblickes, von welchen Vasari eine so grosse
Menge mitten unter den bleibenden, monumentalen Kunstwerken auf-
zählt. Die Begeisterung, mit welchen er die Bauten und Geräthe für
Festzüge, die Triumphbogen und Theater für einmalige Feierlichkeiten
schildert, lässt uns die Fülle von Talent ahnen, dessen Entfaltung
und Andenken mit dem hinfälligen Stoff, mit Holz, Leinwand und
Stucco unwiederbringlich dahingegangen ist.


Auch die Aufzählung der decorativen Werke beginnt wie die der
Bauwerke billig mit Florenz, und zwar mit Brunellesco selbst.
Ohne völlige Sicherheit, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man
aihm den Entwurf zu der Lesekanzel des Refectoriums und zu dem
bBrunnen von dessen Vorraum in der Badia bei Fiesole zuschreiben;
in der leichten, edeln, auf das Ganze gehenden Zierweise spricht sich
mehr der Architekt als der Bildhauer aus. In der Kirche sind die
cAufsätze der beiden Thüren des Querschiffes sicher von ihm; von
dem artigen Giessbecken mit zwei Putten in dem hintern Nebenraum
rechts, durch welchen man in die Kirche geführt wird, lässt sich diess
weniger behaupten. Die Leibung einer Thür im Hof mit einfach edeln
Arabesken ist wohl wieder von seiner Erfindung. — Nach diesen
dWerken zu urtheilen, kann der sehr prächtige, fein incrustirte Orgel-
lettner von S. Lorenzo mit seinen kleinlichen Motiven nicht von Bru-
enellesco entworfen sein. Aber der köstliche Brunnen in dem linken
Nebenraume der Sacristei, mit den Drachen an dem Brunnstock und

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[232/0254] Renaissance-Decoration. Stein und Metall. Wir greifen hier absichtlich tief in das XVI. und selbst in das XVII. Jahrhundert hinab, um eine Menge von Einzelheiten mit einem Mal vorzubringen, die sich bei den spätern Epochen der Baukunst (wo sie der Zeit nach hingehören) sehr zerstreut ausnehmen würden. Dem Styl nach ist es ohnediess meist ein Nachklang der Frührenais- sance, für deren schönen und reichen Anblick die Decoration des spätern Systemes keinen rechten Ersatz gewährte, und die man daher stellenweise reproducirte. Verschollen und verschwunden sind natürlich alle jene prächtigen Decorationen des Augenblickes, von welchen Vasari eine so grosse Menge mitten unter den bleibenden, monumentalen Kunstwerken auf- zählt. Die Begeisterung, mit welchen er die Bauten und Geräthe für Festzüge, die Triumphbogen und Theater für einmalige Feierlichkeiten schildert, lässt uns die Fülle von Talent ahnen, dessen Entfaltung und Andenken mit dem hinfälligen Stoff, mit Holz, Leinwand und Stucco unwiederbringlich dahingegangen ist. Auch die Aufzählung der decorativen Werke beginnt wie die der Bauwerke billig mit Florenz, und zwar mit Brunellesco selbst. Ohne völlige Sicherheit, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man ihm den Entwurf zu der Lesekanzel des Refectoriums und zu dem Brunnen von dessen Vorraum in der Badia bei Fiesole zuschreiben; in der leichten, edeln, auf das Ganze gehenden Zierweise spricht sich mehr der Architekt als der Bildhauer aus. In der Kirche sind die Aufsätze der beiden Thüren des Querschiffes sicher von ihm; von dem artigen Giessbecken mit zwei Putten in dem hintern Nebenraum rechts, durch welchen man in die Kirche geführt wird, lässt sich diess weniger behaupten. Die Leibung einer Thür im Hof mit einfach edeln Arabesken ist wohl wieder von seiner Erfindung. — Nach diesen Werken zu urtheilen, kann der sehr prächtige, fein incrustirte Orgel- lettner von S. Lorenzo mit seinen kleinlichen Motiven nicht von Bru- nellesco entworfen sein. Aber der köstliche Brunnen in dem linken Nebenraume der Sacristei, mit den Drachen an dem Brunnstock und a b c d e

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/254>, abgerufen am 22.05.2024.