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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Denkmäler der Scaliger.
erhalten, dasjenige Benedicts XI (+ 1304) von Giovanni Pisano; ein
prächtiger Innenbau unter einem Baldachin auf gewundenen und figu-
rirten Säulen, alles mit reicher und dabei gemessener Mosaicirung.
Ein ebenfalls prächtiges Papstgrab im Cosmatenstyl ist dasjenige Ha-a
drians V (+ 1276) in S. Francesco zu Viterbo.


Endlich beschliesst Verona den Kreis italisch-gothischer Gräber-
formen mit den berühmten Denkmälern der Scaliger, bei S. Ma-b
ria antica. Neben mehrern einfachern zeichnen sich diejenigen des
Can Grande (1329), des Mastino II (vor 1351) und des Can Signorio
(vor 1375) als Freiarchitekturen aus; das zu Grunde liegende, verschie-
denartig ausgebildete Motiv ist der erhöhte Sarcophag mit liegender
Statue unter einem Baldachin auf Säulchen, der mit einer Reitersta-
tue gekrönt ist. Culturgeschichtlich sind diese Gräber eben so merk-
würdig als in Betreff der Kunst. Ausserhalb der Kirche, in mehr
politisch-monumentaler als in religiöser Absicht von den Gewaltherr-
schern Verona's noch bei Lebzeiten errichtet, sind sie die Vorstufe
jener ganz profanen Reiterdenkmäler, wie sie später von den Venezia-
nern als politische Belohnung für ihre Feldherrn gesetzt wurden. Hier
sind die Reiterstatuen noch klein auf dem Gipfel angebracht; das Grab
eines Generals und Verwandten der Scala, des Sarego, links im Chorc
von S. Anastasia (1432), stellt Ross und Reiter schon beträchtlich
grösser und als die Hauptsache dar (wovon unten.) -- Das übrige
Figürliche an den Gräbern der Scaliger, selbst an dem prächtigen des
Can Signorio (von Bonino da Campiglione) ist ebenfalls mehr
sachlich als künstlerisch wichtig. Die sechs Helden, welche in den
Baldachinen des letztern prangen, sind noch als heilige Krieger zu ver-
stehen (die Heiligen Georg, Martin, Quirinus, Sigismund, Valentin und
Ludwig IX); wenige Jahrzehnde später wären es schon eher jene un-
bestimmten römischen Heroen, welche an den Dogengräbern der Lom-
bardi Wache zu halten pflegen.


Denkmäler der Scaliger.
erhalten, dasjenige Benedicts XI († 1304) von Giovanni Pisano; ein
prächtiger Innenbau unter einem Baldachin auf gewundenen und figu-
rirten Säulen, alles mit reicher und dabei gemessener Mosaicirung.
Ein ebenfalls prächtiges Papstgrab im Cosmatenstyl ist dasjenige Ha-a
drians V († 1276) in S. Francesco zu Viterbo.


Endlich beschliesst Verona den Kreis italisch-gothischer Gräber-
formen mit den berühmten Denkmälern der Scaliger, bei S. Ma-b
ria antica. Neben mehrern einfachern zeichnen sich diejenigen des
Can Grande (1329), des Mastino II (vor 1351) und des Can Signorio
(vor 1375) als Freiarchitekturen aus; das zu Grunde liegende, verschie-
denartig ausgebildete Motiv ist der erhöhte Sarcophag mit liegender
Statue unter einem Baldachin auf Säulchen, der mit einer Reitersta-
tue gekrönt ist. Culturgeschichtlich sind diese Gräber eben so merk-
würdig als in Betreff der Kunst. Ausserhalb der Kirche, in mehr
politisch-monumentaler als in religiöser Absicht von den Gewaltherr-
schern Verona’s noch bei Lebzeiten errichtet, sind sie die Vorstufe
jener ganz profanen Reiterdenkmäler, wie sie später von den Venezia-
nern als politische Belohnung für ihre Feldherrn gesetzt wurden. Hier
sind die Reiterstatuen noch klein auf dem Gipfel angebracht; das Grab
eines Generals und Verwandten der Scala, des Sarego, links im Chorc
von S. Anastasia (1432), stellt Ross und Reiter schon beträchtlich
grösser und als die Hauptsache dar (wovon unten.) — Das übrige
Figürliche an den Gräbern der Scaliger, selbst an dem prächtigen des
Can Signorio (von Bonino da Campiglione) ist ebenfalls mehr
sachlich als künstlerisch wichtig. Die sechs Helden, welche in den
Baldachinen des letztern prangen, sind noch als heilige Krieger zu ver-
stehen (die Heiligen Georg, Martin, Quirinus, Sigismund, Valentin und
Ludwig IX); wenige Jahrzehnde später wären es schon eher jene un-
bestimmten römischen Heroen, welche an den Dogengräbern der Lom-
bardi Wache zu halten pflegen.


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[167/0189] Denkmäler der Scaliger. erhalten, dasjenige Benedicts XI († 1304) von Giovanni Pisano; ein prächtiger Innenbau unter einem Baldachin auf gewundenen und figu- rirten Säulen, alles mit reicher und dabei gemessener Mosaicirung. Ein ebenfalls prächtiges Papstgrab im Cosmatenstyl ist dasjenige Ha- drians V († 1276) in S. Francesco zu Viterbo. a Endlich beschliesst Verona den Kreis italisch-gothischer Gräber- formen mit den berühmten Denkmälern der Scaliger, bei S. Ma- ria antica. Neben mehrern einfachern zeichnen sich diejenigen des Can Grande (1329), des Mastino II (vor 1351) und des Can Signorio (vor 1375) als Freiarchitekturen aus; das zu Grunde liegende, verschie- denartig ausgebildete Motiv ist der erhöhte Sarcophag mit liegender Statue unter einem Baldachin auf Säulchen, der mit einer Reitersta- tue gekrönt ist. Culturgeschichtlich sind diese Gräber eben so merk- würdig als in Betreff der Kunst. Ausserhalb der Kirche, in mehr politisch-monumentaler als in religiöser Absicht von den Gewaltherr- schern Verona’s noch bei Lebzeiten errichtet, sind sie die Vorstufe jener ganz profanen Reiterdenkmäler, wie sie später von den Venezia- nern als politische Belohnung für ihre Feldherrn gesetzt wurden. Hier sind die Reiterstatuen noch klein auf dem Gipfel angebracht; das Grab eines Generals und Verwandten der Scala, des Sarego, links im Chor von S. Anastasia (1432), stellt Ross und Reiter schon beträchtlich grösser und als die Hauptsache dar (wovon unten.) — Das übrige Figürliche an den Gräbern der Scaliger, selbst an dem prächtigen des Can Signorio (von Bonino da Campiglione) ist ebenfalls mehr sachlich als künstlerisch wichtig. Die sechs Helden, welche in den Baldachinen des letztern prangen, sind noch als heilige Krieger zu ver- stehen (die Heiligen Georg, Martin, Quirinus, Sigismund, Valentin und Ludwig IX); wenige Jahrzehnde später wären es schon eher jene un- bestimmten römischen Heroen, welche an den Dogengräbern der Lom- bardi Wache zu halten pflegen. b c

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/189>, abgerufen am 05.05.2024.