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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Baptisterium. San Miniato.
Sie sind von orientalischem Granit, ihre vergoldeten korinthischen Ca-
pitäle aber ohne Zweifel für diese Stelle gearbeitet, mit genauem An-
schluss an römische Vorbilder. Die Galerie des obern Stockwerkes
schliesst sich streng harmonisch an das untere an, mit korinthi-
schen Pilastern und ionischen Säulchen. Die bauliche Wirkung wird
beeinträchtigt durch die Mosaikfiguren auf blendendem Goldgrund,
welche Friese, Brustwehr und zum Theil auch das Innere der Galerie
in Anspruch nehmen, und vorzüglich durch die drückenden Mosaiken
der Kuppel. Der Chorbau steht ausser Harmonie mit dem Übrigen,
und sein Triumphbogen möchte wohl der Theil eines ältern Ganzen
sein. -- Die Bodenplatten zum Theil als Niellen mit Ornamenten, ein
Ersatz für Mosaiken, wozu die harten Steine fehlen mochten.

San Miniato al Monte, vor dem gleichnamigen Thor, beschliessta
diese Reihe auf das ruhmvollste. Zwar hat die graziöse Fassade mehr
Willkürliches, zumal im Farbenwechsel der Incrustation, als das Bap-
tisterium, allein daneben finden sich die zartesten antiken Details
(z. B. am Dachgesimse Consolen); das Verhältniss des obern Stock-
werkes zum untern ist vielleicht hier zum erstenmal nach einem rein
ästhetischen Gefühl bestimmt, weil keine antiken Säulen das Maass
vorschrieben. Im Innern findet man jene Unterbrechung des Basiliken-
baues durch Pfeiler und Bogen, welche in S. Prassede zu Rom noch
roh auftritt, in höchst veredelter Gestalt wieder; auf jede zweite Säule
folgt ein Pfeiler von vier Halbsäulen mit überleitenden Bogen. Der
Dachstuhl, durchaus sichtbar, ist einer der sehr wenigen, welche noch
ihre einfache ursprüngliche Verzierung behalten haben 1). Die Capitäle
sind theils für das Gebäude gemacht und dann einfach, theils reich
antik. Auch die Vorderwand der ziemlich hohen und bedeutenden
Crypta und das Halbrund der Tribuna sind incrustirt; an letzterem
erscheinen die Säulen aus Einem Stein und antik, während die grossen
Säulen der Kirche aus lauter Stücken zusammengesetzt sind. Die fünf
Fenster der Tribuna sind mit grossen durchscheinenden Marmorplatten
geschlossen. Die Steinschranken und das Pult des Chores gehören
zu den prächtigen Decorationsstücken derselben Art wie die Sachen
im Baptisterium zu Pisa; die Bodenplatten im Hauptschiffe vorn, mit

1) Ein späterer, beiläufig gesagt, in S. Agostino zu Lucca.*

Baptisterium. San Miniato.
Sie sind von orientalischem Granit, ihre vergoldeten korinthischen Ca-
pitäle aber ohne Zweifel für diese Stelle gearbeitet, mit genauem An-
schluss an römische Vorbilder. Die Galerie des obern Stockwerkes
schliesst sich streng harmonisch an das untere an, mit korinthi-
schen Pilastern und ionischen Säulchen. Die bauliche Wirkung wird
beeinträchtigt durch die Mosaikfiguren auf blendendem Goldgrund,
welche Friese, Brustwehr und zum Theil auch das Innere der Galerie
in Anspruch nehmen, und vorzüglich durch die drückenden Mosaiken
der Kuppel. Der Chorbau steht ausser Harmonie mit dem Übrigen,
und sein Triumphbogen möchte wohl der Theil eines ältern Ganzen
sein. — Die Bodenplatten zum Theil als Niellen mit Ornamenten, ein
Ersatz für Mosaiken, wozu die harten Steine fehlen mochten.

San Miniato al Monte, vor dem gleichnamigen Thor, beschliessta
diese Reihe auf das ruhmvollste. Zwar hat die graziöse Fassade mehr
Willkürliches, zumal im Farbenwechsel der Incrustation, als das Bap-
tisterium, allein daneben finden sich die zartesten antiken Details
(z. B. am Dachgesimse Consolen); das Verhältniss des obern Stock-
werkes zum untern ist vielleicht hier zum erstenmal nach einem rein
ästhetischen Gefühl bestimmt, weil keine antiken Säulen das Maass
vorschrieben. Im Innern findet man jene Unterbrechung des Basiliken-
baues durch Pfeiler und Bogen, welche in S. Prassede zu Rom noch
roh auftritt, in höchst veredelter Gestalt wieder; auf jede zweite Säule
folgt ein Pfeiler von vier Halbsäulen mit überleitenden Bogen. Der
Dachstuhl, durchaus sichtbar, ist einer der sehr wenigen, welche noch
ihre einfache ursprüngliche Verzierung behalten haben 1). Die Capitäle
sind theils für das Gebäude gemacht und dann einfach, theils reich
antik. Auch die Vorderwand der ziemlich hohen und bedeutenden
Crypta und das Halbrund der Tribuna sind incrustirt; an letzterem
erscheinen die Säulen aus Einem Stein und antik, während die grossen
Säulen der Kirche aus lauter Stücken zusammengesetzt sind. Die fünf
Fenster der Tribuna sind mit grossen durchscheinenden Marmorplatten
geschlossen. Die Steinschranken und das Pult des Chores gehören
zu den prächtigen Decorationsstücken derselben Art wie die Sachen
im Baptisterium zu Pisa; die Bodenplatten im Hauptschiffe vorn, mit

1) Ein späterer, beiläufig gesagt, in S. Agostino zu Lucca.*
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[111/0133] Baptisterium. San Miniato. Sie sind von orientalischem Granit, ihre vergoldeten korinthischen Ca- pitäle aber ohne Zweifel für diese Stelle gearbeitet, mit genauem An- schluss an römische Vorbilder. Die Galerie des obern Stockwerkes schliesst sich streng harmonisch an das untere an, mit korinthi- schen Pilastern und ionischen Säulchen. Die bauliche Wirkung wird beeinträchtigt durch die Mosaikfiguren auf blendendem Goldgrund, welche Friese, Brustwehr und zum Theil auch das Innere der Galerie in Anspruch nehmen, und vorzüglich durch die drückenden Mosaiken der Kuppel. Der Chorbau steht ausser Harmonie mit dem Übrigen, und sein Triumphbogen möchte wohl der Theil eines ältern Ganzen sein. — Die Bodenplatten zum Theil als Niellen mit Ornamenten, ein Ersatz für Mosaiken, wozu die harten Steine fehlen mochten. San Miniato al Monte, vor dem gleichnamigen Thor, beschliesst diese Reihe auf das ruhmvollste. Zwar hat die graziöse Fassade mehr Willkürliches, zumal im Farbenwechsel der Incrustation, als das Bap- tisterium, allein daneben finden sich die zartesten antiken Details (z. B. am Dachgesimse Consolen); das Verhältniss des obern Stock- werkes zum untern ist vielleicht hier zum erstenmal nach einem rein ästhetischen Gefühl bestimmt, weil keine antiken Säulen das Maass vorschrieben. Im Innern findet man jene Unterbrechung des Basiliken- baues durch Pfeiler und Bogen, welche in S. Prassede zu Rom noch roh auftritt, in höchst veredelter Gestalt wieder; auf jede zweite Säule folgt ein Pfeiler von vier Halbsäulen mit überleitenden Bogen. Der Dachstuhl, durchaus sichtbar, ist einer der sehr wenigen, welche noch ihre einfache ursprüngliche Verzierung behalten haben 1). Die Capitäle sind theils für das Gebäude gemacht und dann einfach, theils reich antik. Auch die Vorderwand der ziemlich hohen und bedeutenden Crypta und das Halbrund der Tribuna sind incrustirt; an letzterem erscheinen die Säulen aus Einem Stein und antik, während die grossen Säulen der Kirche aus lauter Stücken zusammengesetzt sind. Die fünf Fenster der Tribuna sind mit grossen durchscheinenden Marmorplatten geschlossen. Die Steinschranken und das Pult des Chores gehören zu den prächtigen Decorationsstücken derselben Art wie die Sachen im Baptisterium zu Pisa; die Bodenplatten im Hauptschiffe vorn, mit a 1) Ein späterer, beiläufig gesagt, in S. Agostino zu Lucca.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/133>, abgerufen am 27.11.2024.