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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Christl. Architektur. Basiliken v. Ravenna u. Lucca.
a

S. Teodoro (oder S. Spirito), aus der Zeit Theodorichs des
Grossen, beim Baptisterium der Arianer (s. unten). -- Die schon er-
wähnte Herculesbasilica war, nach den Überresten zu urtheilen, wohl
kein kirchliches Gebäude.

b

S. Apollinare nuovo, die bedeutendste Basilica in der Stadt,
mit rundem Thurm; die Nebentribunen verbaut; die 24 Säulen aus
Constantinopel mit besonders bezeichnenden, fast ganz gleichen Capi-
tälen; das Gesimse über den Bogen alt. Grossartiges, trefflich erhal-
tenes Mosaikensystem an den Obermauern des Mittelschiffes.


Später und schon mehr mittelalterlich als diese ravennatischen
cKirchen: der Innenbau von San Frediano in Lucca (VII. Jahrhun-
dert?), ursprünglich fünfschiffig, jetzt durch Capellen verengt. Die
Capitäle theils aus römischer Zeit, theils den römischen ohne Verwil-
derung nachgebildet, mit dünner Platte; die Bogen noch ohne Über-
höhung. Der auffallend hohe Oberbau, die Fassade und die jetzige
Tribuna werden einem Umbau des XII. Jahrhunderts wohl mit Recht
zugeschrieben, allein die beiden letztern mit ihren geraden Gebälken
über den Wandsäulchen, und die Aussenseiten der Nebenschiffe mit
ihren Consolen und Wandstreifen (statt Bogenfriesen und Pilastern)
weichen so weit von dem pisanisch-lucchesischen System des XII. Jahr-
hunderts ab, dass man annehmen dürfte, der Umbau habe etwa die
Formen der alten Kirche reproducirt. Gerade diese abweichenden
Elemente sind aber das Wohlgefälligste am ganzen Gebäude und ein
vielleicht fruchtbringendes Motiv für unsere Baukunst. Schon Brunel-
lesco hat die genannte Eintheilung der Seitenwände an der Kirche der
Badia bei Fiesole unverholen nachgeahmt.

d

Der Innenbau von S. Micchele in Lucca gilt ebenfalls für sehr
alt (VIII. Jahrhundert), wenigstens sind die Säulen und Capitäle noch
denen von S. Frediano ähnlich behandelt.


e

Der Dom von Triest, eine ausgedehnte, ziemlich unscheinbare
Basilica (VI. Jahrhundert?) lohnt doch die Mühe des Besteigens wegen
der eigenthümlichen Verbindung der Kirche mit dem Baptisterium und

Christl. Architektur. Basiliken v. Ravenna u. Lucca.
a

S. Teodoro (oder S. Spirito), aus der Zeit Theodorichs des
Grossen, beim Baptisterium der Arianer (s. unten). — Die schon er-
wähnte Herculesbasilica war, nach den Überresten zu urtheilen, wohl
kein kirchliches Gebäude.

b

S. Apollinare nuovo, die bedeutendste Basilica in der Stadt,
mit rundem Thurm; die Nebentribunen verbaut; die 24 Säulen aus
Constantinopel mit besonders bezeichnenden, fast ganz gleichen Capi-
tälen; das Gesimse über den Bogen alt. Grossartiges, trefflich erhal-
tenes Mosaikensystem an den Obermauern des Mittelschiffes.


Später und schon mehr mittelalterlich als diese ravennatischen
cKirchen: der Innenbau von San Frediano in Lucca (VII. Jahrhun-
dert?), ursprünglich fünfschiffig, jetzt durch Capellen verengt. Die
Capitäle theils aus römischer Zeit, theils den römischen ohne Verwil-
derung nachgebildet, mit dünner Platte; die Bogen noch ohne Über-
höhung. Der auffallend hohe Oberbau, die Fassade und die jetzige
Tribuna werden einem Umbau des XII. Jahrhunderts wohl mit Recht
zugeschrieben, allein die beiden letztern mit ihren geraden Gebälken
über den Wandsäulchen, und die Aussenseiten der Nebenschiffe mit
ihren Consolen und Wandstreifen (statt Bogenfriesen und Pilastern)
weichen so weit von dem pisanisch-lucchesischen System des XII. Jahr-
hunderts ab, dass man annehmen dürfte, der Umbau habe etwa die
Formen der alten Kirche reproducirt. Gerade diese abweichenden
Elemente sind aber das Wohlgefälligste am ganzen Gebäude und ein
vielleicht fruchtbringendes Motiv für unsere Baukunst. Schon Brunel-
lesco hat die genannte Eintheilung der Seitenwände an der Kirche der
Badia bei Fiesole unverholen nachgeahmt.

d

Der Innenbau von S. Micchele in Lucca gilt ebenfalls für sehr
alt (VIII. Jahrhundert), wenigstens sind die Säulen und Capitäle noch
denen von S. Frediano ähnlich behandelt.


e

Der Dom von Triest, eine ausgedehnte, ziemlich unscheinbare
Basilica (VI. Jahrhundert?) lohnt doch die Mühe des Besteigens wegen
der eigenthümlichen Verbindung der Kirche mit dem Baptisterium und

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[86/0108] Christl. Architektur. Basiliken v. Ravenna u. Lucca. S. Teodoro (oder S. Spirito), aus der Zeit Theodorichs des Grossen, beim Baptisterium der Arianer (s. unten). — Die schon er- wähnte Herculesbasilica war, nach den Überresten zu urtheilen, wohl kein kirchliches Gebäude. S. Apollinare nuovo, die bedeutendste Basilica in der Stadt, mit rundem Thurm; die Nebentribunen verbaut; die 24 Säulen aus Constantinopel mit besonders bezeichnenden, fast ganz gleichen Capi- tälen; das Gesimse über den Bogen alt. Grossartiges, trefflich erhal- tenes Mosaikensystem an den Obermauern des Mittelschiffes. Später und schon mehr mittelalterlich als diese ravennatischen Kirchen: der Innenbau von San Frediano in Lucca (VII. Jahrhun- dert?), ursprünglich fünfschiffig, jetzt durch Capellen verengt. Die Capitäle theils aus römischer Zeit, theils den römischen ohne Verwil- derung nachgebildet, mit dünner Platte; die Bogen noch ohne Über- höhung. Der auffallend hohe Oberbau, die Fassade und die jetzige Tribuna werden einem Umbau des XII. Jahrhunderts wohl mit Recht zugeschrieben, allein die beiden letztern mit ihren geraden Gebälken über den Wandsäulchen, und die Aussenseiten der Nebenschiffe mit ihren Consolen und Wandstreifen (statt Bogenfriesen und Pilastern) weichen so weit von dem pisanisch-lucchesischen System des XII. Jahr- hunderts ab, dass man annehmen dürfte, der Umbau habe etwa die Formen der alten Kirche reproducirt. Gerade diese abweichenden Elemente sind aber das Wohlgefälligste am ganzen Gebäude und ein vielleicht fruchtbringendes Motiv für unsere Baukunst. Schon Brunel- lesco hat die genannte Eintheilung der Seitenwände an der Kirche der Badia bei Fiesole unverholen nachgeahmt. c Der Innenbau von S. Micchele in Lucca gilt ebenfalls für sehr alt (VIII. Jahrhundert), wenigstens sind die Säulen und Capitäle noch denen von S. Frediano ähnlich behandelt. Der Dom von Triest, eine ausgedehnte, ziemlich unscheinbare Basilica (VI. Jahrhundert?) lohnt doch die Mühe des Besteigens wegen der eigenthümlichen Verbindung der Kirche mit dem Baptisterium und

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/108>, abgerufen am 30.11.2024.