ed Anastasio alle tre fontane, eine halbe Stunde ausserhalb S. Paul. Es giebt aus jener Zeit, welche in Toscana ein Baptisterium von Florenz, ein S. Miniato schuf, vielleicht gar kein missgeschaffne- res Gebäude als diese Pfeilerkirche. (Die Fenster sind mit Marmor- platten verschlossen, welche Reihen kleiner runder Öffnungen enthalten.)
Wo der gänzliche Mangel an antiken Säulen die Baumeister schon frühe genöthigt hatte, mit eigenen Mitteln das Mögliche zu leisten, da erscheinen sie viel selbständiger. Und zwar bis an die Thore von aRom. Die Cathedrale von Viterbo (XII. Jahrhundert?) mit eigens gefertigten, gleichmässigen und stattlichen Säulen, bringt auch wieder einen eigenthümlichen Eindruck hervor; vollends steht die schöne bS. Maria in Toscanella (1206) an Schwung der Formen den edlern ctoscanischen Bauten parallel. (Andere Basiliken freilich, in Viterbo selbst, in Montefiascone, Orvieto, Foligno u. s. w. sind sehr dformlos und roh 1); der Dom von Narni und die Vorhalle der dortigen Kirche Pensola haben die schon erwähnten wunderlichen Flachbogen.)
Die Campanili (Glockenthürme) mehrerer Basiliken und auch späterer Kirchen Roms gewinnen durch ihre schöne landschaftliche Wirkung einen höhern Werth als durch ihre Kunstform. Auch sie sind oft aus antiken Trümmern errichtet; manche Simse, welche die einzelnen Stockwerke scheiden, die Säulchen, welche die meist drei- bogigen Fenster stützen, auch die Platten von Porphyr, Verde antico u. dgl., welche als harmlose Verzierung in die Wände eingelassen sind und von dem sonstigen Ziegelwerk wunderlich abstechen, sind aus den Ruinen des alten Roms entlehnt. Hie und da entwickelt sich aus dem Backsteinbau selbst durch Verschränkung und Schrägstellung der Ziegel ein neues primitives Gesimse. Von irgend einer Verjüngung oder organischen Entwicklung ist keine Rede, kaum hie oder da von einem Vortreten der Ecken. Der Effect hängt wesentlich von der
1) Mit dicken, stämmigen Säulen, schmalen Mittelschiffen, starken Intervallen und schiessschartenähnlichen Oberfenstern, also den unten zu nennenden rohern toscanischen Basiliken verwandt. Das steinerne Dachgesimse bisweilen schon von eleganter und kräftiger Bildung, während es in Rom noch null ist.
Christliche Architektur. Basiliken. Campanili.
ed Anastasio alle tre fontane, eine halbe Stunde ausserhalb S. Paul. Es giebt aus jener Zeit, welche in Toscana ein Baptisterium von Florenz, ein S. Miniato schuf, vielleicht gar kein missgeschaffne- res Gebäude als diese Pfeilerkirche. (Die Fenster sind mit Marmor- platten verschlossen, welche Reihen kleiner runder Öffnungen enthalten.)
Wo der gänzliche Mangel an antiken Säulen die Baumeister schon frühe genöthigt hatte, mit eigenen Mitteln das Mögliche zu leisten, da erscheinen sie viel selbständiger. Und zwar bis an die Thore von aRom. Die Cathedrale von Viterbo (XII. Jahrhundert?) mit eigens gefertigten, gleichmässigen und stattlichen Säulen, bringt auch wieder einen eigenthümlichen Eindruck hervor; vollends steht die schöne bS. Maria in Toscanella (1206) an Schwung der Formen den edlern ctoscanischen Bauten parallel. (Andere Basiliken freilich, in Viterbo selbst, in Montefiascone, Orvieto, Foligno u. s. w. sind sehr dformlos und roh 1); der Dom von Narni und die Vorhalle der dortigen Kirche Pensola haben die schon erwähnten wunderlichen Flachbogen.)
Die Campanili (Glockenthürme) mehrerer Basiliken und auch späterer Kirchen Roms gewinnen durch ihre schöne landschaftliche Wirkung einen höhern Werth als durch ihre Kunstform. Auch sie sind oft aus antiken Trümmern errichtet; manche Simse, welche die einzelnen Stockwerke scheiden, die Säulchen, welche die meist drei- bogigen Fenster stützen, auch die Platten von Porphyr, Verde antico u. dgl., welche als harmlose Verzierung in die Wände eingelassen sind und von dem sonstigen Ziegelwerk wunderlich abstechen, sind aus den Ruinen des alten Roms entlehnt. Hie und da entwickelt sich aus dem Backsteinbau selbst durch Verschränkung und Schrägstellung der Ziegel ein neues primitives Gesimse. Von irgend einer Verjüngung oder organischen Entwicklung ist keine Rede, kaum hie oder da von einem Vortreten der Ecken. Der Effect hängt wesentlich von der
1) Mit dicken, stämmigen Säulen, schmalen Mittelschiffen, starken Intervallen und schiessschartenähnlichen Oberfenstern, also den unten zu nennenden rohern toscanischen Basiliken verwandt. Das steinerne Dachgesimse bisweilen schon von eleganter und kräftiger Bildung, während es in Rom noch null ist.
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[84/0106]
Christliche Architektur. Basiliken. Campanili.
ed Anastasio alle tre fontane, eine halbe Stunde ausserhalb
S. Paul. Es giebt aus jener Zeit, welche in Toscana ein Baptisterium
von Florenz, ein S. Miniato schuf, vielleicht gar kein missgeschaffne-
res Gebäude als diese Pfeilerkirche. (Die Fenster sind mit Marmor-
platten verschlossen, welche Reihen kleiner runder Öffnungen enthalten.)
Wo der gänzliche Mangel an antiken Säulen die Baumeister schon
frühe genöthigt hatte, mit eigenen Mitteln das Mögliche zu leisten, da
erscheinen sie viel selbständiger. Und zwar bis an die Thore von
Rom. Die Cathedrale von Viterbo (XII. Jahrhundert?) mit eigens
gefertigten, gleichmässigen und stattlichen Säulen, bringt auch wieder
einen eigenthümlichen Eindruck hervor; vollends steht die schöne
S. Maria in Toscanella (1206) an Schwung der Formen den edlern
toscanischen Bauten parallel. (Andere Basiliken freilich, in Viterbo
selbst, in Montefiascone, Orvieto, Foligno u. s. w. sind sehr
formlos und roh 1); der Dom von Narni und die Vorhalle der dortigen
Kirche Pensola haben die schon erwähnten wunderlichen Flachbogen.)
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Die Campanili (Glockenthürme) mehrerer Basiliken und auch
späterer Kirchen Roms gewinnen durch ihre schöne landschaftliche
Wirkung einen höhern Werth als durch ihre Kunstform. Auch sie
sind oft aus antiken Trümmern errichtet; manche Simse, welche die
einzelnen Stockwerke scheiden, die Säulchen, welche die meist drei-
bogigen Fenster stützen, auch die Platten von Porphyr, Verde antico
u. dgl., welche als harmlose Verzierung in die Wände eingelassen sind
und von dem sonstigen Ziegelwerk wunderlich abstechen, sind aus
den Ruinen des alten Roms entlehnt. Hie und da entwickelt sich aus
dem Backsteinbau selbst durch Verschränkung und Schrägstellung der
Ziegel ein neues primitives Gesimse. Von irgend einer Verjüngung
oder organischen Entwicklung ist keine Rede, kaum hie oder da von
einem Vortreten der Ecken. Der Effect hängt wesentlich von der
1) Mit dicken, stämmigen Säulen, schmalen Mittelschiffen, starken Intervallen und
schiessschartenähnlichen Oberfenstern, also den unten zu nennenden rohern
toscanischen Basiliken verwandt. Das steinerne Dachgesimse bisweilen schon
von eleganter und kräftiger Bildung, während es in Rom noch null ist.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/106>, abgerufen am 30.11.2024.
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