schen Bewegungsmotiven ist, so fehlt ihr doch im Einzelnen das aSchönlebendige. -- Albani's mythologische Fresken in einem Saal des Pal. Verospi (jetzt Torlonia, neben Pal. Chigi) in Rom, der be- deutendste Nachklang der farnesischen Galerie, haben im Detail viel Anmuthiges, aber dasselbe Allgemeine.
Wie verschieden ist Guido Reni nicht nur je nach der Lebens- zeit, sondern bisweilen in einem und demselben Werke. Von allen modernen Malern nähert er sich bisweilen am Meisten der hohen und bfreien Schönheit und seine Aurora (Casino des Pal. Rospigliosi) ist wohl Alles in Allem gerechnet das vollkommenste Gemälde dieser beiden letzten Jahrhunderte; allein die Horen sind in der Bildung von höchst ungleichem Werthe und mit sammt dem Apoll jener einzigen wunderbaren Gestalt der Morgengöttin nicht zu vergleichen. Der be- crühmte S. Michael in der Concezione zu Rom (1. Cap. r.) bleibt in Charakter und Stellung unendlich tief unter Rafaels Bild (Louvre). In den weiblichen Köpfen hat sich Guido sehr oft nach Antiken, na- mentlich nach den Niobiden gerichtet, in den weiblichen Körpern aber nicht selten einer buhlerischen Üppigkeit gehuldigt. (Man sehe die dHände seiner Cleopatra im Pal. Pitti, oder die weiblichen Charaktere in dem Bilde des Elieser, ebenda.) -- Auch Domenichino, mit seinem grossen Schönheitssinn, hat sich jener bolognesischen Formen- allgemeinheit nicht entziehen können. Er ist am ehesten frei davon ein den beiden herrlichen Wandfresken der Cäciliencapelle (die 2. r.) in S. Luigi de' Francesi zu Rom, auch in mehrern der Frescohistorien fzu Grottaferrata (Cap. des heil. Nilus). -- In seinen Engeln bleibt er sehr sichtbar von Coreggio abhängig, wie man z. B. aus dem grossen gBilde der Brera zu Mailand (Madonna mit Heiligen) sieht. -- Bei Guercino muss man einige köstliche Gestalten der edelsten Bildung (die ihm zu Gebote stand) ausscheiden von den Schöpfungen des ener- hgischen Naturalisten; so das Bild der Hagar (Brera zu Mailand), die iVermählung der heil. Catharina (Gal. zu Modena), auch die Cleopatra k(Pal. Brignole zu Genua). -- Sassoferrato, stets gewissenhaft, er- scheint auch in diesen Beziehungen von Rafael inspirirt, doch nicht abhängig.
Bei Caravaggio und den Neapolitanern steht Zeichnung und Modellirung durchgängig um eine beträchtliche Stufe tiefer, da sie
Moderne Malerei.
schen Bewegungsmotiven ist, so fehlt ihr doch im Einzelnen das aSchönlebendige. — Albani’s mythologische Fresken in einem Saal des Pal. Verospi (jetzt Torlonia, neben Pal. Chigi) in Rom, der be- deutendste Nachklang der farnesischen Galerie, haben im Detail viel Anmuthiges, aber dasselbe Allgemeine.
Wie verschieden ist Guido Reni nicht nur je nach der Lebens- zeit, sondern bisweilen in einem und demselben Werke. Von allen modernen Malern nähert er sich bisweilen am Meisten der hohen und bfreien Schönheit und seine Aurora (Casino des Pal. Rospigliosi) ist wohl Alles in Allem gerechnet das vollkommenste Gemälde dieser beiden letzten Jahrhunderte; allein die Horen sind in der Bildung von höchst ungleichem Werthe und mit sammt dem Apoll jener einzigen wunderbaren Gestalt der Morgengöttin nicht zu vergleichen. Der be- crühmte S. Michael in der Concezione zu Rom (1. Cap. r.) bleibt in Charakter und Stellung unendlich tief unter Rafaels Bild (Louvre). In den weiblichen Köpfen hat sich Guido sehr oft nach Antiken, na- mentlich nach den Niobiden gerichtet, in den weiblichen Körpern aber nicht selten einer buhlerischen Üppigkeit gehuldigt. (Man sehe die dHände seiner Cleopatra im Pal. Pitti, oder die weiblichen Charaktere in dem Bilde des Elieser, ebenda.) — Auch Domenichino, mit seinem grossen Schönheitssinn, hat sich jener bolognesischen Formen- allgemeinheit nicht entziehen können. Er ist am ehesten frei davon ein den beiden herrlichen Wandfresken der Cäciliencapelle (die 2. r.) in S. Luigi de’ Francesi zu Rom, auch in mehrern der Frescohistorien fzu Grottaferrata (Cap. des heil. Nilus). — In seinen Engeln bleibt er sehr sichtbar von Coreggio abhängig, wie man z. B. aus dem grossen gBilde der Brera zu Mailand (Madonna mit Heiligen) sieht. — Bei Guercino muss man einige köstliche Gestalten der edelsten Bildung (die ihm zu Gebote stand) ausscheiden von den Schöpfungen des ener- hgischen Naturalisten; so das Bild der Hagar (Brera zu Mailand), die iVermählung der heil. Catharina (Gal. zu Modena), auch die Cleopatra k(Pal. Brignole zu Genua). — Sassoferrato, stets gewissenhaft, er- scheint auch in diesen Beziehungen von Rafael inspirirt, doch nicht abhängig.
Bei Caravaggio und den Neapolitanern steht Zeichnung und Modellirung durchgängig um eine beträchtliche Stufe tiefer, da sie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f1034"n="1012"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Moderne Malerei.</hi></fw><lb/>
schen Bewegungsmotiven ist, so fehlt ihr doch im Einzelnen das<lb/><noteplace="left">a</note>Schönlebendige. —<hirendition="#g">Albani’s</hi> mythologische Fresken in einem Saal<lb/>
des Pal. Verospi (jetzt Torlonia, neben Pal. Chigi) in Rom, der be-<lb/>
deutendste Nachklang der farnesischen Galerie, haben im Detail viel<lb/>
Anmuthiges, aber dasselbe Allgemeine.</p><lb/><p>Wie verschieden ist <hirendition="#g">Guido Reni</hi> nicht nur je nach der Lebens-<lb/>
zeit, sondern bisweilen in einem und demselben Werke. Von allen<lb/>
modernen Malern nähert er sich bisweilen am Meisten der hohen und<lb/><noteplace="left">b</note>freien Schönheit und seine Aurora (Casino des Pal. Rospigliosi) ist<lb/>
wohl Alles in Allem gerechnet das vollkommenste Gemälde dieser<lb/>
beiden letzten Jahrhunderte; allein die Horen sind in der Bildung von<lb/>
höchst ungleichem Werthe und mit sammt dem Apoll jener einzigen<lb/>
wunderbaren Gestalt der Morgengöttin nicht zu vergleichen. Der be-<lb/><noteplace="left">c</note>rühmte S. Michael in der Concezione zu Rom (1. Cap. r.) bleibt in<lb/>
Charakter und Stellung unendlich tief unter Rafaels Bild (Louvre).<lb/>
In den weiblichen Köpfen hat sich Guido sehr oft nach Antiken, na-<lb/>
mentlich nach den Niobiden gerichtet, in den weiblichen Körpern aber<lb/>
nicht selten einer buhlerischen Üppigkeit gehuldigt. (Man sehe die<lb/><noteplace="left">d</note>Hände seiner Cleopatra im Pal. Pitti, oder die weiblichen Charaktere<lb/>
in dem Bilde des Elieser, ebenda.) — Auch <hirendition="#g">Domenichino</hi>, mit<lb/>
seinem grossen Schönheitssinn, hat sich jener bolognesischen Formen-<lb/>
allgemeinheit nicht entziehen können. Er ist am ehesten frei davon<lb/><noteplace="left">e</note>in den beiden herrlichen Wandfresken der Cäciliencapelle (die 2. r.)<lb/>
in S. Luigi de’ Francesi zu Rom, auch in mehrern der Frescohistorien<lb/><noteplace="left">f</note>zu Grottaferrata (Cap. des heil. Nilus). — In seinen Engeln bleibt er<lb/>
sehr sichtbar von Coreggio abhängig, wie man z. B. aus dem grossen<lb/><noteplace="left">g</note>Bilde der Brera zu Mailand (Madonna mit Heiligen) sieht. — Bei<lb/><hirendition="#g">Guercino</hi> muss man einige köstliche Gestalten der edelsten Bildung<lb/>
(die ihm zu Gebote stand) ausscheiden von den Schöpfungen des ener-<lb/><noteplace="left">h</note>gischen Naturalisten; so das Bild der Hagar (Brera zu Mailand), die<lb/><noteplace="left">i</note>Vermählung der heil. Catharina (Gal. zu Modena), auch die Cleopatra<lb/><noteplace="left">k</note>(Pal. Brignole zu Genua). —<hirendition="#g">Sassoferrato,</hi> stets gewissenhaft, er-<lb/>
scheint auch in diesen Beziehungen von Rafael inspirirt, doch nicht<lb/>
abhängig.</p><lb/><p>Bei <hirendition="#g">Caravaggio</hi> und den Neapolitanern steht Zeichnung und<lb/>
Modellirung durchgängig um eine beträchtliche Stufe tiefer, da sie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[1012/1034]
Moderne Malerei.
schen Bewegungsmotiven ist, so fehlt ihr doch im Einzelnen das
Schönlebendige. — Albani’s mythologische Fresken in einem Saal
des Pal. Verospi (jetzt Torlonia, neben Pal. Chigi) in Rom, der be-
deutendste Nachklang der farnesischen Galerie, haben im Detail viel
Anmuthiges, aber dasselbe Allgemeine.
a
Wie verschieden ist Guido Reni nicht nur je nach der Lebens-
zeit, sondern bisweilen in einem und demselben Werke. Von allen
modernen Malern nähert er sich bisweilen am Meisten der hohen und
freien Schönheit und seine Aurora (Casino des Pal. Rospigliosi) ist
wohl Alles in Allem gerechnet das vollkommenste Gemälde dieser
beiden letzten Jahrhunderte; allein die Horen sind in der Bildung von
höchst ungleichem Werthe und mit sammt dem Apoll jener einzigen
wunderbaren Gestalt der Morgengöttin nicht zu vergleichen. Der be-
rühmte S. Michael in der Concezione zu Rom (1. Cap. r.) bleibt in
Charakter und Stellung unendlich tief unter Rafaels Bild (Louvre).
In den weiblichen Köpfen hat sich Guido sehr oft nach Antiken, na-
mentlich nach den Niobiden gerichtet, in den weiblichen Körpern aber
nicht selten einer buhlerischen Üppigkeit gehuldigt. (Man sehe die
Hände seiner Cleopatra im Pal. Pitti, oder die weiblichen Charaktere
in dem Bilde des Elieser, ebenda.) — Auch Domenichino, mit
seinem grossen Schönheitssinn, hat sich jener bolognesischen Formen-
allgemeinheit nicht entziehen können. Er ist am ehesten frei davon
in den beiden herrlichen Wandfresken der Cäciliencapelle (die 2. r.)
in S. Luigi de’ Francesi zu Rom, auch in mehrern der Frescohistorien
zu Grottaferrata (Cap. des heil. Nilus). — In seinen Engeln bleibt er
sehr sichtbar von Coreggio abhängig, wie man z. B. aus dem grossen
Bilde der Brera zu Mailand (Madonna mit Heiligen) sieht. — Bei
Guercino muss man einige köstliche Gestalten der edelsten Bildung
(die ihm zu Gebote stand) ausscheiden von den Schöpfungen des ener-
gischen Naturalisten; so das Bild der Hagar (Brera zu Mailand), die
Vermählung der heil. Catharina (Gal. zu Modena), auch die Cleopatra
(Pal. Brignole zu Genua). — Sassoferrato, stets gewissenhaft, er-
scheint auch in diesen Beziehungen von Rafael inspirirt, doch nicht
abhängig.
b
c
d
e
f
g
h
i
k
Bei Caravaggio und den Neapolitanern steht Zeichnung und
Modellirung durchgängig um eine beträchtliche Stufe tiefer, da sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1012. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1034>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.