Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Raspe, Rudolf Erich]: Wunderbare Reisen [...] des Freyherrn von Münchhausen [...]. London [i. e. Göttingen], 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

sogen hatte. Und so gab ich ihm die
volle Ladung mitten auf seine Stirn
zwischen das Geweyhe. Der Schuß
betäubte ihn zwar -- er taumelte --
machte sich aber doch aus dem Staube.
Ein oder zwey Jahre darnach war ich
in eben demselben Walde auf der Jagd;
und siehe! zum Vorschein kam ein statt-
licher Hirsch, mit einem vollausgewach-
senen Kirschbaume, mehr denn zehn
Fuß hoch, zwischen seinem Geweyhe.
Mir fiel gleich mein voriges Abentheuer
wieder ein; ich betrachtete den Hirsch
als mein längst wohl erworbenes Eigen-
thum, und legte ihn mit einem Schusse
zu Boden, wodurch ich denn auf ein-
mal an Braten und Kirschtunke zu-
gleich gerieth. Denn der Baum hing
reichlich voll Früchte, die ich in meinem
ganzen Leben so delicat nicht gegessen
hatte. Wer kann nun wohl sagen,
ob nicht irgend ein passionirter heiliger
Waidmann, ein jagdlustiger Abt oder
Bischoff, das Kreuz auf eine ähnliche

Art

ſogen hatte. Und ſo gab ich ihm die
volle Ladung mitten auf ſeine Stirn
zwiſchen das Geweyhe. Der Schuß
betaͤubte ihn zwar — er taumelte —
machte ſich aber doch aus dem Staube.
Ein oder zwey Jahre darnach war ich
in eben demſelben Walde auf der Jagd;
und ſiehe! zum Vorſchein kam ein ſtatt-
licher Hirſch, mit einem vollausgewach-
ſenen Kirſchbaume, mehr denn zehn
Fuß hoch, zwiſchen ſeinem Geweyhe.
Mir fiel gleich mein voriges Abentheuer
wieder ein; ich betrachtete den Hirſch
als mein laͤngſt wohl erworbenes Eigen-
thum, und legte ihn mit einem Schuſſe
zu Boden, wodurch ich denn auf ein-
mal an Braten und Kirſchtunke zu-
gleich gerieth. Denn der Baum hing
reichlich voll Fruͤchte, die ich in meinem
ganzen Leben ſo delicat nicht gegeſſen
hatte. Wer kann nun wohl ſagen,
ob nicht irgend ein paſſionirter heiliger
Waidmann, ein jagdluſtiger Abt oder
Biſchoff, das Kreuz auf eine aͤhnliche

Art
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="34"/>
&#x017F;ogen hatte. Und &#x017F;o gab ich ihm die<lb/>
volle Ladung mitten auf &#x017F;eine Stirn<lb/>
zwi&#x017F;chen das Geweyhe. Der Schuß<lb/>
beta&#x0364;ubte ihn zwar &#x2014; er taumelte &#x2014;<lb/>
machte &#x017F;ich aber doch aus dem Staube.<lb/>
Ein oder zwey Jahre darnach war ich<lb/>
in eben dem&#x017F;elben Walde auf der Jagd;<lb/>
und &#x017F;iehe! zum Vor&#x017F;chein kam ein &#x017F;tatt-<lb/>
licher Hir&#x017F;ch, mit einem vollausgewach-<lb/>
&#x017F;enen Kir&#x017F;chbaume, mehr denn zehn<lb/>
Fuß hoch, zwi&#x017F;chen &#x017F;einem Geweyhe.<lb/>
Mir fiel gleich mein voriges Abentheuer<lb/>
wieder ein; ich betrachtete den Hir&#x017F;ch<lb/>
als mein la&#x0364;ng&#x017F;t wohl erworbenes Eigen-<lb/>
thum, und legte ihn mit einem Schu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu Boden, wodurch ich denn auf ein-<lb/>
mal an Braten und Kir&#x017F;chtunke zu-<lb/>
gleich gerieth. Denn der Baum hing<lb/>
reichlich voll Fru&#x0364;chte, die ich in meinem<lb/>
ganzen Leben &#x017F;o delicat nicht gege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte. Wer kann nun wohl &#x017F;agen,<lb/>
ob nicht irgend ein pa&#x017F;&#x017F;ionirter heiliger<lb/>
Waidmann, ein jagdlu&#x017F;tiger Abt oder<lb/>
Bi&#x017F;choff, das Kreuz auf eine a&#x0364;hnliche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Art</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0041] ſogen hatte. Und ſo gab ich ihm die volle Ladung mitten auf ſeine Stirn zwiſchen das Geweyhe. Der Schuß betaͤubte ihn zwar — er taumelte — machte ſich aber doch aus dem Staube. Ein oder zwey Jahre darnach war ich in eben demſelben Walde auf der Jagd; und ſiehe! zum Vorſchein kam ein ſtatt- licher Hirſch, mit einem vollausgewach- ſenen Kirſchbaume, mehr denn zehn Fuß hoch, zwiſchen ſeinem Geweyhe. Mir fiel gleich mein voriges Abentheuer wieder ein; ich betrachtete den Hirſch als mein laͤngſt wohl erworbenes Eigen- thum, und legte ihn mit einem Schuſſe zu Boden, wodurch ich denn auf ein- mal an Braten und Kirſchtunke zu- gleich gerieth. Denn der Baum hing reichlich voll Fruͤchte, die ich in meinem ganzen Leben ſo delicat nicht gegeſſen hatte. Wer kann nun wohl ſagen, ob nicht irgend ein paſſionirter heiliger Waidmann, ein jagdluſtiger Abt oder Biſchoff, das Kreuz auf eine aͤhnliche Art

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_muenchhausen_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_muenchhausen_1786/41
Zitationshilfe: [Raspe, Rudolf Erich]: Wunderbare Reisen [...] des Freyherrn von Münchhausen [...]. London [i. e. Göttingen], 1786, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_muenchhausen_1786/41>, abgerufen am 23.11.2024.