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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Es wird dem Carl Zeuner ein Exemplar des
"hessischen Landboten", erste Botschaft, zur Anerkennung vor-
gelegt etc. Nach Ansicht äußert derselbe:

"Es ist dies ein Exemplar derjenigen Schriften, welche
durch den Minnigerode gebracht und durch diesen und mich
auf die vorhin bezeichnete Weise weiter befördert worden
sind. Ich las diese Schrift nach meiner Ankunft in Butzbach
zum erstenmal; da dieselbe aber meinen politischen Ge-
sinnungen und Absichten nicht entsprach, so nahm ich ein
Blatt davon, ging zu Dr. Weidig, bei dem Schütz und
Minnigerode gleichfalls gewesen waren, und erzählte ihm die
Sache etc. Nicht lange darnach kam der Pfarrer Schaum
von Hochweisel. Ich äußerte gegen Weidig, die Schrift sei
zu scharf und wahrhaft ekelhaft. Weidig sagte, er habe das
auch schon gesagt, die Schrift sei noch schlimmer projectirt
gewesen, er habe sie etwas milder abgefaßt etc.

In der darauf folgenden Nacht (vom 1. auf den 2.
August) klopfte mir um Mitternacht Jemand an meinem
Fenster und rief mich bei Namen. Ich öffnete das Fenster
und fragte: "was gibt's Neues?" worauf erwiedert wurde:
Minnigerode sei am Thor zu Gießen verhaftet worden und
man habe bei ihm Schriften vorgefunden, er habe sich so-
gleich aufgemacht, um uns davon zu benachrichtigen. Ich
erkannte nun den Büchner, er wünschte, ich möge ihn als-
bald zu Weidig begleiten, was ich dann auch that. Ich
klopfte dem Weidig am Fenster, sowie er heraussah, wurde
ihm alsbald die Hiobspost mitgetheilt; er erwiederte, das sei
schlimm. Weidig öffnete das Haus, und wir traten in seine
Stube. Weidig pochte auch den August Becker aus dem
Schlaf, welcher damals in dem Weidig'schen Haus über-

27 *

Es wird dem Carl Zeuner ein Exemplar des
"heſſiſchen Landboten", erſte Botſchaft, zur Anerkennung vor-
gelegt etc. Nach Anſicht äußert derſelbe:

"Es iſt dies ein Exemplar derjenigen Schriften, welche
durch den Minnigerode gebracht und durch dieſen und mich
auf die vorhin bezeichnete Weiſe weiter befördert worden
ſind. Ich las dieſe Schrift nach meiner Ankunft in Butzbach
zum erſtenmal; da dieſelbe aber meinen politiſchen Ge-
ſinnungen und Abſichten nicht entſprach, ſo nahm ich ein
Blatt davon, ging zu Dr. Weidig, bei dem Schütz und
Minnigerode gleichfalls geweſen waren, und erzählte ihm die
Sache etc. Nicht lange darnach kam der Pfarrer Schaum
von Hochweiſel. Ich äußerte gegen Weidig, die Schrift ſei
zu ſcharf und wahrhaft ekelhaft. Weidig ſagte, er habe das
auch ſchon geſagt, die Schrift ſei noch ſchlimmer projectirt
geweſen, er habe ſie etwas milder abgefaßt etc.

In der darauf folgenden Nacht (vom 1. auf den 2.
Auguſt) klopfte mir um Mitternacht Jemand an meinem
Fenſter und rief mich bei Namen. Ich öffnete das Fenſter
und fragte: "was gibt's Neues?" worauf erwiedert wurde:
Minnigerode ſei am Thor zu Gießen verhaftet worden und
man habe bei ihm Schriften vorgefunden, er habe ſich ſo-
gleich aufgemacht, um uns davon zu benachrichtigen. Ich
erkannte nun den Büchner, er wünſchte, ich möge ihn als-
bald zu Weidig begleiten, was ich dann auch that. Ich
klopfte dem Weidig am Fenſter, ſowie er herausſah, wurde
ihm alsbald die Hiobspoſt mitgetheilt; er erwiederte, das ſei
ſchlimm. Weidig öffnete das Haus, und wir traten in ſeine
Stube. Weidig pochte auch den Auguſt Becker aus dem
Schlaf, welcher damals in dem Weidig'ſchen Haus über-

27 *
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[419/0615] Es wird dem Carl Zeuner ein Exemplar des "heſſiſchen Landboten", erſte Botſchaft, zur Anerkennung vor- gelegt etc. Nach Anſicht äußert derſelbe: "Es iſt dies ein Exemplar derjenigen Schriften, welche durch den Minnigerode gebracht und durch dieſen und mich auf die vorhin bezeichnete Weiſe weiter befördert worden ſind. Ich las dieſe Schrift nach meiner Ankunft in Butzbach zum erſtenmal; da dieſelbe aber meinen politiſchen Ge- ſinnungen und Abſichten nicht entſprach, ſo nahm ich ein Blatt davon, ging zu Dr. Weidig, bei dem Schütz und Minnigerode gleichfalls geweſen waren, und erzählte ihm die Sache etc. Nicht lange darnach kam der Pfarrer Schaum von Hochweiſel. Ich äußerte gegen Weidig, die Schrift ſei zu ſcharf und wahrhaft ekelhaft. Weidig ſagte, er habe das auch ſchon geſagt, die Schrift ſei noch ſchlimmer projectirt geweſen, er habe ſie etwas milder abgefaßt etc. In der darauf folgenden Nacht (vom 1. auf den 2. Auguſt) klopfte mir um Mitternacht Jemand an meinem Fenſter und rief mich bei Namen. Ich öffnete das Fenſter und fragte: "was gibt's Neues?" worauf erwiedert wurde: Minnigerode ſei am Thor zu Gießen verhaftet worden und man habe bei ihm Schriften vorgefunden, er habe ſich ſo- gleich aufgemacht, um uns davon zu benachrichtigen. Ich erkannte nun den Büchner, er wünſchte, ich möge ihn als- bald zu Weidig begleiten, was ich dann auch that. Ich klopfte dem Weidig am Fenſter, ſowie er herausſah, wurde ihm alsbald die Hiobspoſt mitgetheilt; er erwiederte, das ſei ſchlimm. Weidig öffnete das Haus, und wir traten in ſeine Stube. Weidig pochte auch den Auguſt Becker aus dem Schlaf, welcher damals in dem Weidig'ſchen Haus über- 27 *

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/615>, abgerufen am 24.11.2024.