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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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feige Memmen wären, wenn sie aus lauter entschlossenen
Volksfreunden beständen?! Was ist von Ständen zu er-
warten, die kaum die elenden Fetzen einer armseligen Ver-
fassung zu vertheidigen vermögen! -- Der einzige Wider-
stand, den sie zu leisten vermochten, war die Verweigerung
der zwei Millionen Gulden, die sich der Großherzog von
dem überschuldeten Volke wollte schenken lassen zur Bezahlung
seiner Schulden. Hätten aber auch die Landstände des Groß-
herzogthums genügende Rechte, und hätte das Großherzog-
thum, aber nur das Großherzogthum allein, eine wahrhafte
Verfassung, so würde die Herrlichkeit doch bald zu Ende sein.
Die Raubgeier in Wien und Berlin würden ihre Henkers-
krallen ausstrecken, und die kleine Freiheit mit Rumpf und
Stumpf ausrotten. Das ganze deutsche Volk muß sich die
Freiheit erringen. Und diese Zeit, geliebte Mitbürger, ist
nicht ferne. Der Herr hat das schöne deutsche Land, das
viele Jahrhunderte das herrlichste Reich der Erde war, in
die Hände der Fremden und einheimischen Schinder gegeben,
weil das Herz des deutschen Volkes von der Freiheit und
Gleichheit seiner Voreltern und von der Furcht des Herrn
abgefallen war, weil ihr dem Götzendienste der vielen Herr-
lein, Kleinherzoge und Däumlings-Könige euch ergeben hattet!

Der Herr, der den Stecken des fremden Treibers Na-
poleon zerbrochen hat, wird auch die Götzenbilder unserer
einheimischen Tyrannen zerbrechen durch die Hände des
Volkes. Wohl glänzen diese Götzenbilder von Gold und
Edelsteinen, von Orden und Ehrenzeichen, aber in ihrem
Innern stirbt der Wurm nicht, und ihre Füße sind von
Lehm. -- Gott wird euch Kraft geben, ihre Füße zu zer-
schmeißen, sobald ihr Euch bekehrt von dem Irrthum eures

feige Memmen wären, wenn ſie aus lauter entſchloſſenen
Volksfreunden beſtänden?! Was iſt von Ständen zu er-
warten, die kaum die elenden Fetzen einer armſeligen Ver-
faſſung zu vertheidigen vermögen! — Der einzige Wider-
ſtand, den ſie zu leiſten vermochten, war die Verweigerung
der zwei Millionen Gulden, die ſich der Großherzog von
dem überſchuldeten Volke wollte ſchenken laſſen zur Bezahlung
ſeiner Schulden. Hätten aber auch die Landſtände des Groß-
herzogthums genügende Rechte, und hätte das Großherzog-
thum, aber nur das Großherzogthum allein, eine wahrhafte
Verfaſſung, ſo würde die Herrlichkeit doch bald zu Ende ſein.
Die Raubgeier in Wien und Berlin würden ihre Henkers-
krallen ausſtrecken, und die kleine Freiheit mit Rumpf und
Stumpf ausrotten. Das ganze deutſche Volk muß ſich die
Freiheit erringen. Und dieſe Zeit, geliebte Mitbürger, iſt
nicht ferne. Der Herr hat das ſchöne deutſche Land, das
viele Jahrhunderte das herrlichſte Reich der Erde war, in
die Hände der Fremden und einheimiſchen Schinder gegeben,
weil das Herz des deutſchen Volkes von der Freiheit und
Gleichheit ſeiner Voreltern und von der Furcht des Herrn
abgefallen war, weil ihr dem Götzendienſte der vielen Herr-
lein, Kleinherzoge und Däumlings-Könige euch ergeben hattet!

Der Herr, der den Stecken des fremden Treibers Na-
poleon zerbrochen hat, wird auch die Götzenbilder unſerer
einheimiſchen Tyrannen zerbrechen durch die Hände des
Volkes. Wohl glänzen dieſe Götzenbilder von Gold und
Edelſteinen, von Orden und Ehrenzeichen, aber in ihrem
Innern ſtirbt der Wurm nicht, und ihre Füße ſind von
Lehm. — Gott wird euch Kraft geben, ihre Füße zu zer-
ſchmeißen, ſobald ihr Euch bekehrt von dem Irrthum eures

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[277/0473] feige Memmen wären, wenn ſie aus lauter entſchloſſenen Volksfreunden beſtänden?! Was iſt von Ständen zu er- warten, die kaum die elenden Fetzen einer armſeligen Ver- faſſung zu vertheidigen vermögen! — Der einzige Wider- ſtand, den ſie zu leiſten vermochten, war die Verweigerung der zwei Millionen Gulden, die ſich der Großherzog von dem überſchuldeten Volke wollte ſchenken laſſen zur Bezahlung ſeiner Schulden. Hätten aber auch die Landſtände des Groß- herzogthums genügende Rechte, und hätte das Großherzog- thum, aber nur das Großherzogthum allein, eine wahrhafte Verfaſſung, ſo würde die Herrlichkeit doch bald zu Ende ſein. Die Raubgeier in Wien und Berlin würden ihre Henkers- krallen ausſtrecken, und die kleine Freiheit mit Rumpf und Stumpf ausrotten. Das ganze deutſche Volk muß ſich die Freiheit erringen. Und dieſe Zeit, geliebte Mitbürger, iſt nicht ferne. Der Herr hat das ſchöne deutſche Land, das viele Jahrhunderte das herrlichſte Reich der Erde war, in die Hände der Fremden und einheimiſchen Schinder gegeben, weil das Herz des deutſchen Volkes von der Freiheit und Gleichheit ſeiner Voreltern und von der Furcht des Herrn abgefallen war, weil ihr dem Götzendienſte der vielen Herr- lein, Kleinherzoge und Däumlings-Könige euch ergeben hattet! Der Herr, der den Stecken des fremden Treibers Na- poleon zerbrochen hat, wird auch die Götzenbilder unſerer einheimiſchen Tyrannen zerbrechen durch die Hände des Volkes. Wohl glänzen dieſe Götzenbilder von Gold und Edelſteinen, von Orden und Ehrenzeichen, aber in ihrem Innern ſtirbt der Wurm nicht, und ihre Füße ſind von Lehm. — Gott wird euch Kraft geben, ihre Füße zu zer- ſchmeißen, ſobald ihr Euch bekehrt von dem Irrthum eures

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/473>, abgerufen am 24.11.2024.