men haben. Daraus wird hervorgehen, daß sich die Spuren einer unmittelbaren Schöpfung aus den That- sachen, die uns zu Gebote stehen, nie und nirgends nachweisen lassen, daß uns vielmehr Alles darauf hin- drängt, die Jdee einer solchen abzuweisen und allein das ewige wechselvolle Spiel der Naturkräfte als den Urgrund alles Entstehens und Vergehens zu betrachten.
Es kommt uns in unserer Auseinandersetzung nicht zu, uns mit denjenigen zu beschäftigen, welche sich mit ihren Versuchen einer Erklärung des Daseins an den Glauben wenden. Wir beschäftigen uns mit der greif- baren sinnlichen Welt und nicht mit dem, was jeder Einzelne darüber hinaus für existirend zu halten gut finden mag. Glauben und Wissen gehören getrennten Gebieten an, und wenn auch unsere subjective Meinung uns verbietet, etwas zu glauben, was wir nicht wissen, so sind wir doch weit entfernt, dieses Recht Andern bestreiten zu wollen. Was Dieser oder Jener über die sinnliche Welt hinaus als regierende Vernunft, als absolute Potenz, als Weltseele u. s. w. denken mag, ist seine Sache. Die Theologen mögen mit ihren Glaubens- sätzen für sich bleiben, die Naturforscher mit ihrem Wissen nicht minder. Ja, wir sind so tolerant, uns nicht ein- mal über jene Naturforscher lustig machen zu wollen, welche es für nöthig halten und sogar den naiven Rath geben, sich zwei verschiedene Gewissen anzuschaffen, ein
men haben. Daraus wird hervorgehen, daß ſich die Spuren einer unmittelbaren Schöpfung aus den That- ſachen, die uns zu Gebote ſtehen, nie und nirgends nachweiſen laſſen, daß uns vielmehr Alles darauf hin- drängt, die Jdee einer ſolchen abzuweiſen und allein das ewige wechſelvolle Spiel der Naturkräfte als den Urgrund alles Entſtehens und Vergehens zu betrachten.
Es kommt uns in unſerer Auseinanderſetzung nicht zu, uns mit denjenigen zu beſchäftigen, welche ſich mit ihren Verſuchen einer Erklärung des Daſeins an den Glauben wenden. Wir beſchäftigen uns mit der greif- baren ſinnlichen Welt und nicht mit dem, was jeder Einzelne darüber hinaus für exiſtirend zu halten gut finden mag. Glauben und Wiſſen gehören getrennten Gebieten an, und wenn auch unſere ſubjective Meinung uns verbietet, etwas zu glauben, was wir nicht wiſſen, ſo ſind wir doch weit entfernt, dieſes Recht Andern beſtreiten zu wollen. Was Dieſer oder Jener über die ſinnliche Welt hinaus als regierende Vernunft, als abſolute Potenz, als Weltſeele u. ſ. w. denken mag, iſt ſeine Sache. Die Theologen mögen mit ihren Glaubens- ſätzen für ſich bleiben, die Naturforſcher mit ihrem Wiſſen nicht minder. Ja, wir ſind ſo tolerant, uns nicht ein- mal über jene Naturforſcher luſtig machen zu wollen, welche es für nöthig halten und ſogar den naiven Rath geben, ſich zwei verſchiedene Gewiſſen anzuſchaffen, ein
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men haben. Daraus wird hervorgehen, daß ſich die
Spuren einer unmittelbaren Schöpfung aus den That-
ſachen, die uns zu Gebote ſtehen, nie und nirgends
nachweiſen laſſen, daß uns vielmehr Alles darauf hin-
drängt, die Jdee einer ſolchen abzuweiſen und allein das
ewige wechſelvolle Spiel der Naturkräfte als den Urgrund
alles Entſtehens und Vergehens zu betrachten.
Es kommt uns in unſerer Auseinanderſetzung nicht
zu, uns mit denjenigen zu beſchäftigen, welche ſich mit
ihren Verſuchen einer Erklärung des Daſeins an den
Glauben wenden. Wir beſchäftigen uns mit der greif-
baren ſinnlichen Welt und nicht mit dem, was jeder
Einzelne darüber hinaus für exiſtirend zu halten gut
finden mag. Glauben und Wiſſen gehören getrennten
Gebieten an, und wenn auch unſere ſubjective Meinung
uns verbietet, etwas zu glauben, was wir nicht wiſſen,
ſo ſind wir doch weit entfernt, dieſes Recht Andern
beſtreiten zu wollen. Was Dieſer oder Jener über die
ſinnliche Welt hinaus als regierende Vernunft, als
abſolute Potenz, als Weltſeele u. ſ. w. denken mag, iſt
ſeine Sache. Die Theologen mögen mit ihren Glaubens-
ſätzen für ſich bleiben, die Naturforſcher mit ihrem Wiſſen
nicht minder. Ja, wir ſind ſo tolerant, uns nicht ein-
mal über jene Naturforſcher luſtig machen zu wollen,
welche es für nöthig halten und ſogar den naiven Rath
geben, ſich zwei verſchiedene Gewiſſen anzuſchaffen, ein
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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