kleiner Thiere, oft von den feinsten und ausgeprägtesten Formen, welche sich bewegen, fressen, verdauen, leben wie jedes andere Thier und mit Organen versehen sind, über deren genauere Struktur uns jede Vermuthung fehlt. Die kleinsten derselben sind auch der stärksten Ver- größerung kaum ihren äußeren Umrissen nach erreichbar; ihre innere Organisation bleibt uns natürlich vollkommen unbekannt, noch unbekannter, welche noch kleinere For- men lebender Wesen existiren können. Wird man bei noch verbesserten Jnstrumenten, fragt Cotta, die Mo- naden als Riesen unter einer Zwergwelt noch kleinerer Organismen erblicken? Das Räderthier, welches den zehnten oder zwanzigsten Theil einer Linie groß ist, hat einen Schlund, gezahnte Kiefer, Magen, Darm, Drüsen, Gefäße und Nerven. Die pfeilschnell dahin- schießende Monade mißt den 2000sten Theil einer Linie, und in einem Tropfen Flüssigkeit finden sich Millionen derselben; dieses Thier muß Bewegungs- organe haben, und die Art seiner Bewegungen läßt kei- nen Zweifel darüber, daß es Empfindung und Wille besitzt, daß es also auch Organe haben muß, welche solche zu vermitteln im Stande sind. Wie aber diese Organe beschaffen sind, welche stofflichen Elemente ihrem Baue zu Grunde liegen, darüber hat uns bis jetzt un- ser Auge noch keinen Aufschluß geben können. Die Samenkörner eines in Jtalien vorkommenden Trauben-
kleiner Thiere, oft von den feinſten und ausgeprägteſten Formen, welche ſich bewegen, freſſen, verdauen, leben wie jedes andere Thier und mit Organen verſehen ſind, über deren genauere Struktur uns jede Vermuthung fehlt. Die kleinſten derſelben ſind auch der ſtärkſten Ver- größerung kaum ihren äußeren Umriſſen nach erreichbar; ihre innere Organiſation bleibt uns natürlich vollkommen unbekannt, noch unbekannter, welche noch kleinere For- men lebender Weſen exiſtiren können. Wird man bei noch verbeſſerten Jnſtrumenten, fragt Cotta, die Mo- naden als Rieſen unter einer Zwergwelt noch kleinerer Organismen erblicken? Das Räderthier, welches den zehnten oder zwanzigſten Theil einer Linie groß iſt, hat einen Schlund, gezahnte Kiefer, Magen, Darm, Drüſen, Gefäße und Nerven. Die pfeilſchnell dahin- ſchießende Monade mißt den 2000ſten Theil einer Linie, und in einem Tropfen Flüſſigkeit finden ſich Millionen derſelben; dieſes Thier muß Bewegungs- organe haben, und die Art ſeiner Bewegungen läßt kei- nen Zweifel darüber, daß es Empfindung und Wille beſitzt, daß es alſo auch Organe haben muß, welche ſolche zu vermitteln im Stande ſind. Wie aber dieſe Organe beſchaffen ſind, welche ſtofflichen Elemente ihrem Baue zu Grunde liegen, darüber hat uns bis jetzt un- ſer Auge noch keinen Aufſchluß geben können. Die Samenkörner eines in Jtalien vorkommenden Trauben-
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kleiner Thiere, oft von den feinſten und ausgeprägteſten
Formen, welche ſich bewegen, freſſen, verdauen, leben wie
jedes andere Thier und mit Organen verſehen ſind, über
deren genauere Struktur uns jede Vermuthung fehlt.
Die kleinſten derſelben ſind auch der ſtärkſten Ver-
größerung kaum ihren äußeren Umriſſen nach erreichbar;
ihre innere Organiſation bleibt uns natürlich vollkommen
unbekannt, noch unbekannter, welche noch kleinere For-
men lebender Weſen exiſtiren können. Wird man bei
noch verbeſſerten Jnſtrumenten, fragt Cotta, die Mo-
naden als Rieſen unter einer Zwergwelt noch kleinerer
Organismen erblicken? Das Räderthier, welches
den zehnten oder zwanzigſten Theil einer Linie groß iſt,
hat einen Schlund, gezahnte Kiefer, Magen, Darm,
Drüſen, Gefäße und Nerven. Die pfeilſchnell dahin-
ſchießende Monade mißt den 2000ſten Theil einer
Linie, und in einem Tropfen Flüſſigkeit finden ſich
Millionen derſelben; dieſes Thier muß Bewegungs-
organe haben, und die Art ſeiner Bewegungen läßt kei-
nen Zweifel darüber, daß es Empfindung und Wille
beſitzt, daß es alſo auch Organe haben muß, welche
ſolche zu vermitteln im Stande ſind. Wie aber dieſe
Organe beſchaffen ſind, welche ſtofflichen Elemente ihrem
Baue zu Grunde liegen, darüber hat uns bis jetzt un-
ſer Auge noch keinen Aufſchluß geben können. Die
Samenkörner eines in Jtalien vorkommenden Trauben-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/41>, abgerufen am 24.11.2024.
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