positiv beantworten zu können; aber dazu wird es eben nie ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll- kommen aus, um sie negativ zu beantworten und die Hypothese zu verbannen. Wer die Hypothese auf natur- wissenschaftlichem Gebiete bekämpft, muß sie auch auf philosophischem bekämpfen. Die Hypothese kann be- haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren; die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. --
Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältnisse kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte Naturforschung nicht wenig Dank schuldet, sich, ange- stachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, versucht fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert der mechanischen und materiellen Naturanschauung den Fehdehandschuh entgegenzuwerfen. Freilich geschah es in einer Weise, welche dem Muthe der Verzweiflung eigen zu sein pflegt; denn durch positives Wissen hin- länglich befähigt, die machtlose Stellung des Jdealismus einzusehen, begann er selbst mit dem Geständniß, daß aller Widerstand gegen den immer näher und drohender heranrückenden Feind vorerst vergeblich sein werde. Aber nicht mit Thatsachen suchte er seinen unsichtbaren und und ihm doch so furchtbaren Gegner zu bekämpfen -- es konnte ihm ja nicht unbekannt sein, daß dem Jdealismus keine Thatsachen zu Gebote stehen -- sondern durch eine Wendung, welche man im gewöhnlichen Leben einen
poſitiv beantworten zu können; aber dazu wird es eben nie ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll- kommen aus, um ſie negativ zu beantworten und die Hypotheſe zu verbannen. Wer die Hypotheſe auf natur- wiſſenſchaftlichem Gebiete bekämpft, muß ſie auch auf philoſophiſchem bekämpfen. Die Hypotheſe kann be- haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren; die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. —
Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältniſſe kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte Naturforſchung nicht wenig Dank ſchuldet, ſich, ange- ſtachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, verſucht fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert der mechaniſchen und materiellen Naturanſchauung den Fehdehandſchuh entgegenzuwerfen. Freilich geſchah es in einer Weiſe, welche dem Muthe der Verzweiflung eigen zu ſein pflegt; denn durch poſitives Wiſſen hin- länglich befähigt, die machtloſe Stellung des Jdealismus einzuſehen, begann er ſelbſt mit dem Geſtändniß, daß aller Widerſtand gegen den immer näher und drohender heranrückenden Feind vorerſt vergeblich ſein werde. Aber nicht mit Thatſachen ſuchte er ſeinen unſichtbaren und und ihm doch ſo furchtbaren Gegner zu bekämpfen — es konnte ihm ja nicht unbekannt ſein, daß dem Jdealismus keine Thatſachen zu Gebote ſtehen — ſondern durch eine Wendung, welche man im gewöhnlichen Leben einen
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poſitiv beantworten zu können; aber dazu wird es
eben nie ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll-
kommen aus, um ſie negativ zu beantworten und die
Hypotheſe zu verbannen. Wer die Hypotheſe auf natur-
wiſſenſchaftlichem Gebiete bekämpft, muß ſie auch auf
philoſophiſchem bekämpfen. Die Hypotheſe kann be-
haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren;
die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. —
Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältniſſe
kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte
Naturforſchung nicht wenig Dank ſchuldet, ſich, ange-
ſtachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, verſucht
fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert
der mechaniſchen und materiellen Naturanſchauung den
Fehdehandſchuh entgegenzuwerfen. Freilich geſchah es
in einer Weiſe, welche dem Muthe der Verzweiflung
eigen zu ſein pflegt; denn durch poſitives Wiſſen hin-
länglich befähigt, die machtloſe Stellung des Jdealismus
einzuſehen, begann er ſelbſt mit dem Geſtändniß, daß
aller Widerſtand gegen den immer näher und drohender
heranrückenden Feind vorerſt vergeblich ſein werde. Aber
nicht mit Thatſachen ſuchte er ſeinen unſichtbaren und
und ihm doch ſo furchtbaren Gegner zu bekämpfen — es
konnte ihm ja nicht unbekannt ſein, daß dem Jdealismus
keine Thatſachen zu Gebote ſtehen — ſondern durch eine
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/283>, abgerufen am 25.11.2024.
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