Der menschliche Hochmuth hat bei Besorgung dieser Angelegenheit zunächst nur an sich gedacht und nicht einsehen wollen, daß dem Thiere das nämliche Recht zu- kommt, wie dem Menschen. Daß zwischen Mensch und Thier kein wesentlicher und prägnanter naturhistorischer Unterschied besteht, sondern daß hier, wie überall in der Natur, die allmähligsten Uebergänge stattfinden und daß Menschen- und Thierseele fundamental dasselbe sind -- werden wir in einem folgenden Kapitel näher auszu- führen Gelegenheit finden. Nun dürfte es für die An- hänger der persönlichen Fortdauer, welche die Unsterb- lichkeit der Thierseele nicht statuiren, schwer, ja unmög- lich werden, die Grenze zu bestimmen, an welcher denn die Unvernichtbarkeit der thierischen oder menschlichen Seele beginnen soll. Es unterscheidet sich die letztere von der ersteren nicht qualitativ, sondern nur quantitativ, und ein allgemein gültiges Naturgesetz muß auf beide seine gleichmäßige Anwendung finden. "Jst die mensch- liche Seele unsterblich, so muß es auch die thierische sein. Beide haben, vermöge ihrer gleichen Grundquali- täten, auch gleiche Ansprüche auf Fortdauer." (Bur- meister.) Verfolgt man nun diese Consequenz bis in die untersten Thierreihen, welchen ebensowenig eine Seele abgesprochen werden kann, wie den höchsten, so fallen alle jene moralischen Gründe, welche man für individuelle Unsterblichkeit geltend gemacht hat, in sich znsammen,
Büchner, Kraft und Stoff. 14
Der menſchliche Hochmuth hat bei Beſorgung dieſer Angelegenheit zunächſt nur an ſich gedacht und nicht einſehen wollen, daß dem Thiere das nämliche Recht zu- kommt, wie dem Menſchen. Daß zwiſchen Menſch und Thier kein weſentlicher und prägnanter naturhiſtoriſcher Unterſchied beſteht, ſondern daß hier, wie überall in der Natur, die allmähligſten Uebergänge ſtattfinden und daß Menſchen- und Thierſeele fundamental daſſelbe ſind — werden wir in einem folgenden Kapitel näher auszu- führen Gelegenheit finden. Nun dürfte es für die An- hänger der perſönlichen Fortdauer, welche die Unſterb- lichkeit der Thierſeele nicht ſtatuiren, ſchwer, ja unmög- lich werden, die Grenze zu beſtimmen, an welcher denn die Unvernichtbarkeit der thieriſchen oder menſchlichen Seele beginnen ſoll. Es unterſcheidet ſich die letztere von der erſteren nicht qualitativ, ſondern nur quantitativ, und ein allgemein gültiges Naturgeſetz muß auf beide ſeine gleichmäßige Anwendung finden. „Jſt die menſch- liche Seele unſterblich, ſo muß es auch die thieriſche ſein. Beide haben, vermöge ihrer gleichen Grundquali- täten, auch gleiche Anſprüche auf Fortdauer.‟ (Bur- meiſter.) Verfolgt man nun dieſe Conſequenz bis in die unterſten Thierreihen, welchen ebenſowenig eine Seele abgeſprochen werden kann, wie den höchſten, ſo fallen alle jene moraliſchen Gründe, welche man für individuelle Unſterblichkeit geltend gemacht hat, in ſich znſammen,
Büchner, Kraft und Stoff. 14
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0229"n="209"/>
Der menſchliche Hochmuth hat bei Beſorgung dieſer<lb/>
Angelegenheit zunächſt nur an ſich gedacht und nicht<lb/>
einſehen wollen, daß dem Thiere das nämliche Recht zu-<lb/>
kommt, wie dem Menſchen. Daß zwiſchen Menſch und<lb/>
Thier kein weſentlicher und prägnanter naturhiſtoriſcher<lb/>
Unterſchied beſteht, ſondern daß hier, wie überall in der<lb/>
Natur, die allmähligſten Uebergänge ſtattfinden und daß<lb/>
Menſchen- und Thierſeele <hirendition="#g">fundamental</hi> daſſelbe ſind —<lb/>
werden wir in einem folgenden Kapitel näher auszu-<lb/>
führen Gelegenheit finden. Nun dürfte es für die An-<lb/>
hänger der perſönlichen Fortdauer, welche die Unſterb-<lb/>
lichkeit der Thierſeele nicht ſtatuiren, ſchwer, ja unmög-<lb/>
lich werden, die Grenze zu beſtimmen, an welcher denn<lb/>
die Unvernichtbarkeit der thieriſchen oder menſchlichen<lb/>
Seele beginnen ſoll. Es unterſcheidet ſich die letztere<lb/>
von der erſteren nicht qualitativ, ſondern nur quantitativ,<lb/>
und ein allgemein gültiges Naturgeſetz muß auf beide<lb/>ſeine gleichmäßige Anwendung finden. „Jſt die menſch-<lb/>
liche Seele unſterblich, ſo muß es auch die thieriſche<lb/>ſein. Beide haben, vermöge ihrer gleichen Grundquali-<lb/>
täten, auch gleiche Anſprüche auf Fortdauer.‟ (Bur-<lb/>
meiſter.) Verfolgt man nun dieſe Conſequenz bis in<lb/>
die unterſten Thierreihen, welchen ebenſowenig eine Seele<lb/>
abgeſprochen werden kann, wie den höchſten, ſo fallen<lb/>
alle jene moraliſchen Gründe, welche man für individuelle<lb/>
Unſterblichkeit geltend gemacht hat, in ſich znſammen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Büchner,</hi> Kraft und Stoff. 14</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[209/0229]
Der menſchliche Hochmuth hat bei Beſorgung dieſer
Angelegenheit zunächſt nur an ſich gedacht und nicht
einſehen wollen, daß dem Thiere das nämliche Recht zu-
kommt, wie dem Menſchen. Daß zwiſchen Menſch und
Thier kein weſentlicher und prägnanter naturhiſtoriſcher
Unterſchied beſteht, ſondern daß hier, wie überall in der
Natur, die allmähligſten Uebergänge ſtattfinden und daß
Menſchen- und Thierſeele fundamental daſſelbe ſind —
werden wir in einem folgenden Kapitel näher auszu-
führen Gelegenheit finden. Nun dürfte es für die An-
hänger der perſönlichen Fortdauer, welche die Unſterb-
lichkeit der Thierſeele nicht ſtatuiren, ſchwer, ja unmög-
lich werden, die Grenze zu beſtimmen, an welcher denn
die Unvernichtbarkeit der thieriſchen oder menſchlichen
Seele beginnen ſoll. Es unterſcheidet ſich die letztere
von der erſteren nicht qualitativ, ſondern nur quantitativ,
und ein allgemein gültiges Naturgeſetz muß auf beide
ſeine gleichmäßige Anwendung finden. „Jſt die menſch-
liche Seele unſterblich, ſo muß es auch die thieriſche
ſein. Beide haben, vermöge ihrer gleichen Grundquali-
täten, auch gleiche Anſprüche auf Fortdauer.‟ (Bur-
meiſter.) Verfolgt man nun dieſe Conſequenz bis in
die unterſten Thierreihen, welchen ebenſowenig eine Seele
abgeſprochen werden kann, wie den höchſten, ſo fallen
alle jene moraliſchen Gründe, welche man für individuelle
Unſterblichkeit geltend gemacht hat, in ſich znſammen,
Büchner, Kraft und Stoff. 14
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/229>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.