haft sein kann. Tägliche Erfahrung und eine Menge der sprechendsten Thatsachen drängen ihm diese Ueber- zeugung mit Nothwendigkeit auf. Weniger im Hinblick auf sie, als mehr auf das große Publikum, welchem oft die einfachsten und klarsten Wahrheiten der Naturfor- schung noch vollkommene Räthsel sind, entwerfen wir die folgende thatsächliche Darstellung. Es ist eigenthümlich, daß sich gerade in diesem Punkte das Publikum von je mit großer Hartnäckigkeit gesträubt hat, die Macht der Thatsachen anzuerkennen; die Gründe dafür sind indessen nicht schwer aufzufinden und hauptsächlich egoistischer Natur.
Das Gehirn ist Sitz und Organ des Denkens, seine Größe, seine Form, die Art seiner Zusammensetzung stehen in gradem Verhältniß zu Größe und Kraft der ihm innewohnenden geistigen Funktion. Die vergleichende Anatomie gibt hierüber die deutlichsten Nachweise und zeigt uns, wie ein constantes aufsteigendes Verhältniß der materiellen und Größenbeschaffenheit des Gehirns zur geistigen Energie durch alle Thierreihen hindurch bis hinauf zu dem Menschen als Gesetz waltet. Thiere, welche kein eigentliches Gehirn, sondern nur Nervenknoten an seiner Stelle oder rudimentäre Bildung desselben besitzen, stehen auf der niedersten Stufe geistiger Befähigung und scheinen mehr zu vegetiren, als zu leben. Jm Gegen- satz dazu besitzt der Mensch, das geistig höchststehende
haft ſein kann. Tägliche Erfahrung und eine Menge der ſprechendſten Thatſachen drängen ihm dieſe Ueber- zeugung mit Nothwendigkeit auf. Weniger im Hinblick auf ſie, als mehr auf das große Publikum, welchem oft die einfachſten und klarſten Wahrheiten der Naturfor- ſchung noch vollkommene Räthſel ſind, entwerfen wir die folgende thatſächliche Darſtellung. Es iſt eigenthümlich, daß ſich gerade in dieſem Punkte das Publikum von je mit großer Hartnäckigkeit geſträubt hat, die Macht der Thatſachen anzuerkennen; die Gründe dafür ſind indeſſen nicht ſchwer aufzufinden und hauptſächlich egoiſtiſcher Natur.
Das Gehirn iſt Sitz und Organ des Denkens, ſeine Größe, ſeine Form, die Art ſeiner Zuſammenſetzung ſtehen in gradem Verhältniß zu Größe und Kraft der ihm innewohnenden geiſtigen Funktion. Die vergleichende Anatomie gibt hierüber die deutlichſten Nachweiſe und zeigt uns, wie ein conſtantes aufſteigendes Verhältniß der materiellen und Größenbeſchaffenheit des Gehirns zur geiſtigen Energie durch alle Thierreihen hindurch bis hinauf zu dem Menſchen als Geſetz waltet. Thiere, welche kein eigentliches Gehirn, ſondern nur Nervenknoten an ſeiner Stelle oder rudimentäre Bildung deſſelben beſitzen, ſtehen auf der niederſten Stufe geiſtiger Befähigung und ſcheinen mehr zu vegetiren, als zu leben. Jm Gegen- ſatz dazu beſitzt der Menſch, das geiſtig höchſtſtehende
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haft ſein kann. Tägliche Erfahrung und eine Menge
der ſprechendſten Thatſachen drängen ihm dieſe Ueber-
zeugung mit Nothwendigkeit auf. Weniger im Hinblick
auf ſie, als mehr auf das große Publikum, welchem oft
die einfachſten und klarſten Wahrheiten der Naturfor-
ſchung noch vollkommene Räthſel ſind, entwerfen wir die
folgende thatſächliche Darſtellung. Es iſt eigenthümlich,
daß ſich gerade in dieſem Punkte das Publikum von je
mit großer Hartnäckigkeit geſträubt hat, die Macht der
Thatſachen anzuerkennen; die Gründe dafür ſind indeſſen
nicht ſchwer aufzufinden und hauptſächlich egoiſtiſcher
Natur.
Das Gehirn iſt Sitz und Organ des Denkens, ſeine
Größe, ſeine Form, die Art ſeiner Zuſammenſetzung
ſtehen in gradem Verhältniß zu Größe und Kraft der
ihm innewohnenden geiſtigen Funktion. Die vergleichende
Anatomie gibt hierüber die deutlichſten Nachweiſe und
zeigt uns, wie ein conſtantes aufſteigendes Verhältniß
der materiellen und Größenbeſchaffenheit des Gehirns
zur geiſtigen Energie durch alle Thierreihen hindurch bis
hinauf zu dem Menſchen als Geſetz waltet. Thiere, welche
kein eigentliches Gehirn, ſondern nur Nervenknoten an
ſeiner Stelle oder rudimentäre Bildung deſſelben beſitzen,
ſtehen auf der niederſten Stufe geiſtiger Befähigung und
ſcheinen mehr zu vegetiren, als zu leben. Jm Gegen-
ſatz dazu beſitzt der Menſch, das geiſtig höchſtſtehende
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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