Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

haben! sie verunglückten oder konnten nicht zum Dasein
durchdringen, weil sich gerade nicht alle dazu nothwen-
digen Bedingungen zusammenfanden. Diejenigen For-
men, welche sich erhalten konnten, sehen wir jetzt in einer
gegliederten Reihe, in gegenseitiger Bedingung und Be-
grenzung sowohl unter einander, als gegen die umgeben-
den Naturkräfte, vor uns, und diese nothwendige und
durch natürliche Bedingungen hergestellte Ordnung er-
scheint uns nun zweckmäßig und gemacht. Was jetzt
in der Welt vorhanden ist, ist nur ein Ueberrest unend-
lich vieler Anfänge. Mit dieser Auseinandersetzung be-
gegnen wir vielleicht gleichzeitig einer Bemerkung des
Herrn Dr. Spieß in Frankfurt a. M., welcher gegen
die alte pantheistische Weltanschauung sich folgendermaßen
äußert: "Wenn es nur ein zufälliges Begegnen der
Elemente war, dem ursprünglich die Naturwesen ihr Da-
sein verdankten, so ist nicht einzusehen, warum nicht
durch ähnliche Zufälligkeiten stets neue Combinationen
und damit auch ganz neue Naturwesen entstehen sollten!"
Einen Zufall in der Weise, wie ihn hier Herr Spieß
anzieht, giebt es nicht in der Natur; überall herrscht in
Folge der Unveränderlichkeit der Naturgesetze eine ge-
wisse Nothwendigkeit, die keine Ausnahme erleidet. Da-
her kann es auch nicht möglich sein, daß unter ähnlichen
oder gleichen Verhältnissen der Zufall stets neue Com-
binationen hervorbringen solle. Wo sich indessen diese

haben! ſie verunglückten oder konnten nicht zum Daſein
durchdringen, weil ſich gerade nicht alle dazu nothwen-
digen Bedingungen zuſammenfanden. Diejenigen For-
men, welche ſich erhalten konnten, ſehen wir jetzt in einer
gegliederten Reihe, in gegenſeitiger Bedingung und Be-
grenzung ſowohl unter einander, als gegen die umgeben-
den Naturkräfte, vor uns, und dieſe nothwendige und
durch natürliche Bedingungen hergeſtellte Ordnung er-
ſcheint uns nun zweckmäßig und gemacht. Was jetzt
in der Welt vorhanden iſt, iſt nur ein Ueberreſt unend-
lich vieler Anfänge. Mit dieſer Auseinanderſetzung be-
gegnen wir vielleicht gleichzeitig einer Bemerkung des
Herrn Dr. Spieß in Frankfurt a. M., welcher gegen
die alte pantheiſtiſche Weltanſchauung ſich folgendermaßen
äußert: „Wenn es nur ein zufälliges Begegnen der
Elemente war, dem urſprünglich die Naturweſen ihr Da-
ſein verdankten, ſo iſt nicht einzuſehen, warum nicht
durch ähnliche Zufälligkeiten ſtets neue Combinationen
und damit auch ganz neue Naturweſen entſtehen ſollten!‟
Einen Zufall in der Weiſe, wie ihn hier Herr Spieß
anzieht, giebt es nicht in der Natur; überall herrſcht in
Folge der Unveränderlichkeit der Naturgeſetze eine ge-
wiſſe Nothwendigkeit, die keine Ausnahme erleidet. Da-
her kann es auch nicht möglich ſein, daß unter ähnlichen
oder gleichen Verhältniſſen der Zufall ſtets neue Com-
binationen hervorbringen ſolle. Wo ſich indeſſen dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="98"/>
haben! &#x017F;ie verunglückten oder konnten nicht zum Da&#x017F;ein<lb/>
durchdringen, weil &#x017F;ich gerade nicht alle dazu nothwen-<lb/>
digen Bedingungen zu&#x017F;ammenfanden. Diejenigen For-<lb/>
men, welche &#x017F;ich erhalten konnten, &#x017F;ehen wir jetzt in einer<lb/>
gegliederten Reihe, in gegen&#x017F;eitiger Bedingung und Be-<lb/>
grenzung &#x017F;owohl unter einander, als gegen die umgeben-<lb/>
den Naturkräfte, vor uns, und die&#x017F;e nothwendige und<lb/>
durch natürliche Bedingungen herge&#x017F;tellte Ordnung er-<lb/>
&#x017F;cheint uns nun zweckmäßig und <hi rendition="#g">gemacht</hi>. Was jetzt<lb/>
in der Welt vorhanden i&#x017F;t, i&#x017F;t nur ein Ueberre&#x017F;t unend-<lb/>
lich vieler Anfänge. Mit die&#x017F;er Auseinander&#x017F;etzung be-<lb/>
gegnen wir vielleicht gleichzeitig einer Bemerkung des<lb/>
Herrn <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Spieß</hi> in Frankfurt a. M., welcher gegen<lb/>
die alte panthei&#x017F;ti&#x017F;che Weltan&#x017F;chauung &#x017F;ich folgendermaßen<lb/>
äußert: &#x201E;Wenn es nur ein zufälliges Begegnen der<lb/>
Elemente war, dem ur&#x017F;prünglich die Naturwe&#x017F;en ihr Da-<lb/>
&#x017F;ein verdankten, &#x017F;o i&#x017F;t nicht einzu&#x017F;ehen, warum nicht<lb/>
durch ähnliche Zufälligkeiten &#x017F;tets neue Combinationen<lb/>
und damit auch ganz neue Naturwe&#x017F;en ent&#x017F;tehen &#x017F;ollten!&#x201F;<lb/>
Einen Zufall in der Wei&#x017F;e, wie ihn hier Herr Spieß<lb/>
anzieht, giebt es nicht in der Natur; überall herr&#x017F;cht in<lb/>
Folge der Unveränderlichkeit der Naturge&#x017F;etze eine ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Nothwendigkeit, die keine Ausnahme erleidet. Da-<lb/>
her kann es auch nicht möglich &#x017F;ein, daß unter ähnlichen<lb/>
oder gleichen Verhältni&#x017F;&#x017F;en der Zufall &#x017F;tets neue Com-<lb/>
binationen hervorbringen &#x017F;olle. Wo &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0118] haben! ſie verunglückten oder konnten nicht zum Daſein durchdringen, weil ſich gerade nicht alle dazu nothwen- digen Bedingungen zuſammenfanden. Diejenigen For- men, welche ſich erhalten konnten, ſehen wir jetzt in einer gegliederten Reihe, in gegenſeitiger Bedingung und Be- grenzung ſowohl unter einander, als gegen die umgeben- den Naturkräfte, vor uns, und dieſe nothwendige und durch natürliche Bedingungen hergeſtellte Ordnung er- ſcheint uns nun zweckmäßig und gemacht. Was jetzt in der Welt vorhanden iſt, iſt nur ein Ueberreſt unend- lich vieler Anfänge. Mit dieſer Auseinanderſetzung be- gegnen wir vielleicht gleichzeitig einer Bemerkung des Herrn Dr. Spieß in Frankfurt a. M., welcher gegen die alte pantheiſtiſche Weltanſchauung ſich folgendermaßen äußert: „Wenn es nur ein zufälliges Begegnen der Elemente war, dem urſprünglich die Naturweſen ihr Da- ſein verdankten, ſo iſt nicht einzuſehen, warum nicht durch ähnliche Zufälligkeiten ſtets neue Combinationen und damit auch ganz neue Naturweſen entſtehen ſollten!‟ Einen Zufall in der Weiſe, wie ihn hier Herr Spieß anzieht, giebt es nicht in der Natur; überall herrſcht in Folge der Unveränderlichkeit der Naturgeſetze eine ge- wiſſe Nothwendigkeit, die keine Ausnahme erleidet. Da- her kann es auch nicht möglich ſein, daß unter ähnlichen oder gleichen Verhältniſſen der Zufall ſtets neue Com- binationen hervorbringen ſolle. Wo ſich indeſſen dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/118
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/118>, abgerufen am 23.11.2024.