Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.Ach scheiden, ach scheiden, ach scheiden, Wer hat sich das Scheiden erdacht? Wie kommt mir grade das in den Kopf? Das ist (Sie geht.) Freies Feld. Danton. Ich mag nicht weiter. Ich mag in dieser Stille mit dem Geplauder meiner Tritte und dem Keuchen meines Athems nicht Lärmen machen. (Er setzt sich nieder, nach einer Pause.) Man hat mir von einer Krankheit erzählt, die einem das Gedächtniß verlie- ren mache. Der Tod soll etwas davon haben. Dann kommt mir manchmal die Hoffnung, daß er vielleicht noch kräftiger wirke und einem Alles verlieren mache. -- Wenn das wäre! -- Dann lief' ich wie ein Christ, um einen Feind, d. h. mein Gedächtniß, zu retten. -- Der Ort soll sicher sein, Ach ſcheiden, ach ſcheiden, ach ſcheiden, Wer hat ſich das Scheiden erdacht? Wie kommt mir grade das in den Kopf? Das iſt (Sie geht.) Freies Feld. Danton. Ich mag nicht weiter. Ich mag in dieſer Stille mit dem Geplauder meiner Tritte und dem Keuchen meines Athems nicht Lärmen machen. (Er ſetzt ſich nieder, nach einer Pauſe.) Man hat mir von einer Krankheit erzählt, die einem das Gedächtniß verlie- ren mache. Der Tod ſoll etwas davon haben. Dann kommt mir manchmal die Hoffnung, daß er vielleicht noch kräftiger wirke und einem Alles verlieren mache. — Wenn das wäre! — Dann lief’ ich wie ein Chriſt, um einen Feind, d. h. mein Gedächtniß, zu retten. — Der Ort ſoll ſicher ſein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="72"/> <lg type="poem"> <l>Ach ſcheiden, ach ſcheiden, ach ſcheiden,</l><lb/> <l>Wer hat ſich das Scheiden erdacht?</l> </lg><lb/> <p>Wie kommt mir grade das in den Kopf? Das iſt<lb/> nicht gut, daß es den Weg ſo von ſelbſt findet. — Wie<lb/> er hinaus iſt, war mir’s, als könnte er nicht mehr<lb/> umkehren, und müſſe immer weiter weg von mir,<lb/> immer weiter. — Wie das Zimmer ſo leer iſt; die<lb/> Fenſter ſtehen offen, als hätte ein Todter darin ge-<lb/> legen. Ich halt’ es da oben nicht aus.</p> <stage>(Sie geht.)</stage> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Freies Feld.</hi> </hi> </head><lb/> <sp who="#DAN"> <speaker> <hi rendition="#g">Danton.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich mag nicht weiter. Ich mag in dieſer Stille<lb/> mit dem Geplauder meiner Tritte und dem Keuchen<lb/> meines Athems nicht Lärmen machen. <stage>(Er ſetzt ſich<lb/> nieder, nach einer Pauſe.)</stage> Man hat mir von einer<lb/> Krankheit erzählt, die einem das Gedächtniß verlie-<lb/> ren mache. Der Tod ſoll etwas davon haben.<lb/> Dann kommt mir manchmal die Hoffnung, daß<lb/> er vielleicht noch kräftiger wirke und einem <hi rendition="#g">Alles</hi><lb/> verlieren mache. — Wenn das wäre! — Dann lief’<lb/> ich wie ein Chriſt, um einen Feind, d. h. mein<lb/> Gedächtniß, zu retten. — Der Ort ſoll ſicher ſein,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0076]
Ach ſcheiden, ach ſcheiden, ach ſcheiden,
Wer hat ſich das Scheiden erdacht?
Wie kommt mir grade das in den Kopf? Das iſt
nicht gut, daß es den Weg ſo von ſelbſt findet. — Wie
er hinaus iſt, war mir’s, als könnte er nicht mehr
umkehren, und müſſe immer weiter weg von mir,
immer weiter. — Wie das Zimmer ſo leer iſt; die
Fenſter ſtehen offen, als hätte ein Todter darin ge-
legen. Ich halt’ es da oben nicht aus.
(Sie geht.)
Freies Feld.
Danton.
Ich mag nicht weiter. Ich mag in dieſer Stille
mit dem Geplauder meiner Tritte und dem Keuchen
meines Athems nicht Lärmen machen. (Er ſetzt ſich
nieder, nach einer Pauſe.) Man hat mir von einer
Krankheit erzählt, die einem das Gedächtniß verlie-
ren mache. Der Tod ſoll etwas davon haben.
Dann kommt mir manchmal die Hoffnung, daß
er vielleicht noch kräftiger wirke und einem Alles
verlieren mache. — Wenn das wäre! — Dann lief’
ich wie ein Chriſt, um einen Feind, d. h. mein
Gedächtniß, zu retten. — Der Ort ſoll ſicher ſein,
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