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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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der Arbeiterversicherung, des Bankwesens, die wachsende
Staatsthätigkeit auf ökonomischem Gebiete überhaupt: alles
dies deutet darauf hin, daß wir nach der absolutistischen
und liberalistischen in eine dritte Periode der Volkswirt-
schaft eingetreten sind. Dieselbe trägt ein eigenartig soziales
Gesicht; es handelt sich nicht mehr bloß um möglichst
selbständige und reichliche Deckung der nationalen Bedürf-
nisse durch nationale Produktion, sondern um gerechte Güter-
verteilung, um eigene gemeinwirtschaftliche Bethätigung des
Staates, mit dem Ziele, alle seine Angehörigen nach ihren
wirtschaftlichen Leistungen an den Gütern der Kultur zu
beteiligen. Die erforderlichen Maßregeln können nur auf
großer Stufenleiter ausgeführt werden; sie bedürfen eines
innigen Zusammenschlusses aller Einzelkräfte, wie sie nur der
große Nationalstaat zu bieten vermag.

Damit könnte ich schließen. Denn um die Fülle neuer
Erscheinungen, welche die Volkswirtschaft gegenüber der
geschlossenen Haus- und Stadtwirtschaft bietet, Ihren Augen
vorzuführen, müßte ich fast den Inhalt eines Lehrbuchs der
Nationalökonomie wiedergeben. Aber es wird doch zum
besseren Verständnis des Ganzen beitragen, wenn ich in
vergleichender Weise an einigen Haupterscheinungen noch-
mals die durchgehenden Züge der gesamten dreistufigen
Entwickelung zusammenfassend vorführe.

Der hervorstechendste dieser Züge ist, daß im Laufe
der Geschichte die Menschheit sich immer höhere wirtschaft-
liche Ziele steckt und die Mittel dazu in einer fortschreitend

der Arbeiterverſicherung, des Bankweſens, die wachſende
Staatsthätigkeit auf ökonomiſchem Gebiete überhaupt: alles
dies deutet darauf hin, daß wir nach der abſolutiſtiſchen
und liberaliſtiſchen in eine dritte Periode der Volkswirt-
ſchaft eingetreten ſind. Dieſelbe trägt ein eigenartig ſoziales
Geſicht; es handelt ſich nicht mehr bloß um möglichſt
ſelbſtändige und reichliche Deckung der nationalen Bedürf-
niſſe durch nationale Produktion, ſondern um gerechte Güter-
verteilung, um eigene gemeinwirtſchaftliche Bethätigung des
Staates, mit dem Ziele, alle ſeine Angehörigen nach ihren
wirtſchaftlichen Leiſtungen an den Gütern der Kultur zu
beteiligen. Die erforderlichen Maßregeln können nur auf
großer Stufenleiter ausgeführt werden; ſie bedürfen eines
innigen Zuſammenſchluſſes aller Einzelkräfte, wie ſie nur der
große Nationalſtaat zu bieten vermag.

Damit könnte ich ſchließen. Denn um die Fülle neuer
Erſcheinungen, welche die Volkswirtſchaft gegenüber der
geſchloſſenen Haus- und Stadtwirtſchaft bietet, Ihren Augen
vorzuführen, müßte ich faſt den Inhalt eines Lehrbuchs der
Nationalökonomie wiedergeben. Aber es wird doch zum
beſſeren Verſtändnis des Ganzen beitragen, wenn ich in
vergleichender Weiſe an einigen Haupterſcheinungen noch-
mals die durchgehenden Züge der geſamten dreiſtufigen
Entwickelung zuſammenfaſſend vorführe.

Der hervorſtechendſte dieſer Züge iſt, daß im Laufe
der Geſchichte die Menſchheit ſich immer höhere wirtſchaft-
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[76/0090] der Arbeiterverſicherung, des Bankweſens, die wachſende Staatsthätigkeit auf ökonomiſchem Gebiete überhaupt: alles dies deutet darauf hin, daß wir nach der abſolutiſtiſchen und liberaliſtiſchen in eine dritte Periode der Volkswirt- ſchaft eingetreten ſind. Dieſelbe trägt ein eigenartig ſoziales Geſicht; es handelt ſich nicht mehr bloß um möglichſt ſelbſtändige und reichliche Deckung der nationalen Bedürf- niſſe durch nationale Produktion, ſondern um gerechte Güter- verteilung, um eigene gemeinwirtſchaftliche Bethätigung des Staates, mit dem Ziele, alle ſeine Angehörigen nach ihren wirtſchaftlichen Leiſtungen an den Gütern der Kultur zu beteiligen. Die erforderlichen Maßregeln können nur auf großer Stufenleiter ausgeführt werden; ſie bedürfen eines innigen Zuſammenſchluſſes aller Einzelkräfte, wie ſie nur der große Nationalſtaat zu bieten vermag. Damit könnte ich ſchließen. Denn um die Fülle neuer Erſcheinungen, welche die Volkswirtſchaft gegenüber der geſchloſſenen Haus- und Stadtwirtſchaft bietet, Ihren Augen vorzuführen, müßte ich faſt den Inhalt eines Lehrbuchs der Nationalökonomie wiedergeben. Aber es wird doch zum beſſeren Verſtändnis des Ganzen beitragen, wenn ich in vergleichender Weiſe an einigen Haupterſcheinungen noch- mals die durchgehenden Züge der geſamten dreiſtufigen Entwickelung zuſammenfaſſend vorführe. Der hervorſtechendſte dieſer Züge iſt, daß im Laufe der Geſchichte die Menſchheit ſich immer höhere wirtſchaft- liche Ziele ſteckt und die Mittel dazu in einer fortſchreitend

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/90>, abgerufen am 23.11.2024.