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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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Haushaltung; aber es haben sich die Berufe des Landwirts,
des Handwerkers, des Händlers gebildet, welche die Wirt-
schaften und das Leben ihrer Träger in eine besondere
Richtung gelenkt haben. Vom Standpunkte der modernen
Volkswirtschaft könnte man sagen, daß der Handwerker noch
ein halber Bauer und der Bauer in manchen Dingen auch
noch ein halber Handwerker war.

Der ganze wirtschaftliche Erscheinungskreis ist gegen-
über der geschlossenen Hauswirtschaft reicher und mannig-
faltiger geworden; die Sonderwirtschaften sind an Menschen-
zahl kleiner; sie sind von einander abhängig; sie übernehmen
gewisse Funktionen für einander; der Tauschwert dringt be-
reits bestimmend in ihr inneres Leben ein. Aber die Pro-
duktionsgemeinschaft fällt noch immer mit der Komsumtions-
gemeinschaft zusammen: auch die fremden Gehilfen des Hand-
werkers und selbst des Händlers sind Glieder seines Haus-
haltes, seiner Disziplinargewalt unterworfen. Er ist ihr
Herr, sie seine "Knechte".

Noch immer verläßt der größte Teil der Güter die
Wirtschaft nicht, in der er entsteht. Ein kleinerer Teil tritt
auf dem Wege des Tausches in andere Wirtschaften über;

wirtschaft, noch mehr als jetzt, dergestalt vermischt, daß jeder Hand-
werker nicht allein Gartenland, sondern auch meistens Getreideland
besaß und selbst bauete. Damals waren von Schustern keine Schuhe,
von Schneidern keine Kleider zu erhalten, wenn beide zu ackern hatten.
Um ein neues Publikum zu befriedigen, mußte man zum Teil neue
Handwerker ansetzen." Ueber das Mittelalter vgl. meine Bevölkerung
von Frankfurt I, S. 259--293.

Haushaltung; aber es haben ſich die Berufe des Landwirts,
des Handwerkers, des Händlers gebildet, welche die Wirt-
ſchaften und das Leben ihrer Träger in eine beſondere
Richtung gelenkt haben. Vom Standpunkte der modernen
Volkswirtſchaft könnte man ſagen, daß der Handwerker noch
ein halber Bauer und der Bauer in manchen Dingen auch
noch ein halber Handwerker war.

Der ganze wirtſchaftliche Erſcheinungskreis iſt gegen-
über der geſchloſſenen Hauswirtſchaft reicher und mannig-
faltiger geworden; die Sonderwirtſchaften ſind an Menſchen-
zahl kleiner; ſie ſind von einander abhängig; ſie übernehmen
gewiſſe Funktionen für einander; der Tauſchwert dringt be-
reits beſtimmend in ihr inneres Leben ein. Aber die Pro-
duktionsgemeinſchaft fällt noch immer mit der Komſumtions-
gemeinſchaft zuſammen: auch die fremden Gehilfen des Hand-
werkers und ſelbſt des Händlers ſind Glieder ſeines Haus-
haltes, ſeiner Disziplinargewalt unterworfen. Er iſt ihr
Herr, ſie ſeine „Knechte“.

Noch immer verläßt der größte Teil der Güter die
Wirtſchaft nicht, in der er entſteht. Ein kleinerer Teil tritt
auf dem Wege des Tauſches in andere Wirtſchaften über;

wirtſchaft, noch mehr als jetzt, dergeſtalt vermiſcht, daß jeder Hand-
werker nicht allein Gartenland, ſondern auch meiſtens Getreideland
beſaß und ſelbſt bauete. Damals waren von Schuſtern keine Schuhe,
von Schneidern keine Kleider zu erhalten, wenn beide zu ackern hatten.
Um ein neues Publikum zu befriedigen, mußte man zum Teil neue
Handwerker anſetzen.“ Ueber das Mittelalter vgl. meine Bevölkerung
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[59/0073] Haushaltung; aber es haben ſich die Berufe des Landwirts, des Handwerkers, des Händlers gebildet, welche die Wirt- ſchaften und das Leben ihrer Träger in eine beſondere Richtung gelenkt haben. Vom Standpunkte der modernen Volkswirtſchaft könnte man ſagen, daß der Handwerker noch ein halber Bauer und der Bauer in manchen Dingen auch noch ein halber Handwerker war. Der ganze wirtſchaftliche Erſcheinungskreis iſt gegen- über der geſchloſſenen Hauswirtſchaft reicher und mannig- faltiger geworden; die Sonderwirtſchaften ſind an Menſchen- zahl kleiner; ſie ſind von einander abhängig; ſie übernehmen gewiſſe Funktionen für einander; der Tauſchwert dringt be- reits beſtimmend in ihr inneres Leben ein. Aber die Pro- duktionsgemeinſchaft fällt noch immer mit der Komſumtions- gemeinſchaft zuſammen: auch die fremden Gehilfen des Hand- werkers und ſelbſt des Händlers ſind Glieder ſeines Haus- haltes, ſeiner Disziplinargewalt unterworfen. Er iſt ihr Herr, ſie ſeine „Knechte“. Noch immer verläßt der größte Teil der Güter die Wirtſchaft nicht, in der er entſteht. Ein kleinerer Teil tritt auf dem Wege des Tauſches in andere Wirtſchaften über; 1) 1) wirtſchaft, noch mehr als jetzt, dergeſtalt vermiſcht, daß jeder Hand- werker nicht allein Gartenland, ſondern auch meiſtens Getreideland beſaß und ſelbſt bauete. Damals waren von Schuſtern keine Schuhe, von Schneidern keine Kleider zu erhalten, wenn beide zu ackern hatten. Um ein neues Publikum zu befriedigen, mußte man zum Teil neue Handwerker anſetzen.“ Ueber das Mittelalter vgl. meine Bevölkerung von Frankfurt I, S. 259—293.

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/73>, abgerufen am 01.05.2024.