Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Erfolge sich bemüht haben. Er versetzt zahlreiche Menschen
fast plötzlich aus einer vorzugsweise naturalwirtschaftlichen
in die geld- und kreditwirtschaftliche Lebenssphäre und führt
dadurch Folgen für die Lebenshaltung und die sozialen Ge-
wohnheiten der handarbeitenden Klassen herbei, welche den
Menschenfreund mit schweren Sorgen erfüllen müssen.

Viele halten diesen massenhaften Zustrom der Land-
bevölkerung nach den Städten und das allgemeine rasche
Wachstum der letzteren für eine durchaus neue Erscheinung.
Und sie haben in gewissem Sinne Recht. Das vorige Jahr-
hundert kennt ihn noch nicht, wenigstens in Deutschland.
Dem großen Begründer der Bevölkerungsstatistik, J. P. Süß-
milch ist es nicht gelungen, eine durchgehende Gesetzmäßig-
keit der Bevölkerungsbewegung in den Städten zu finden.
Er meint, daß sie nach dem Willen des Herrn in ihrer
Menschenzahl bald steigen und bald wieder fallen. "So
leiht der große Regierer der Welt den Ländern und Städten
Macht, Reichtum und Herrlichkeit. Er nimmt sie auch
wieder und gibt sie andern nach seinem Rat. Er stürzet
die Gewaltigen vom Thron und erhebet die Niedrigen 1)".
Auch J. H. G. v. Justi hält es kaum für möglich, eine
Stadt zu vergrößern, wenn nicht den neuen Ansiedlern
besondere Vorteile zugestanden würden 2). Damit stimmt

1) Göttliche Ordnung, II § 546 (2. Aufl. S. 477 f.).
2) Grundsätze der Polizeywissenschaft, § 54. Vgl. auch Gesam-
melte politische und Finanzschriften III, S. 449 ff.

Erfolge ſich bemüht haben. Er verſetzt zahlreiche Menſchen
faſt plötzlich aus einer vorzugsweiſe naturalwirtſchaftlichen
in die geld- und kreditwirtſchaftliche Lebensſphäre und führt
dadurch Folgen für die Lebenshaltung und die ſozialen Ge-
wohnheiten der handarbeitenden Klaſſen herbei, welche den
Menſchenfreund mit ſchweren Sorgen erfüllen müſſen.

Viele halten dieſen maſſenhaften Zuſtrom der Land-
bevölkerung nach den Städten und das allgemeine raſche
Wachstum der letzteren für eine durchaus neue Erſcheinung.
Und ſie haben in gewiſſem Sinne Recht. Das vorige Jahr-
hundert kennt ihn noch nicht, wenigſtens in Deutſchland.
Dem großen Begründer der Bevölkerungsſtatiſtik, J. P. Süß-
milch iſt es nicht gelungen, eine durchgehende Geſetzmäßig-
keit der Bevölkerungsbewegung in den Städten zu finden.
Er meint, daß ſie nach dem Willen des Herrn in ihrer
Menſchenzahl bald ſteigen und bald wieder fallen. „So
leiht der große Regierer der Welt den Ländern und Städten
Macht, Reichtum und Herrlichkeit. Er nimmt ſie auch
wieder und gibt ſie andern nach ſeinem Rat. Er ſtürzet
die Gewaltigen vom Thron und erhebet die Niedrigen 1)“.
Auch J. H. G. v. Juſti hält es kaum für möglich, eine
Stadt zu vergrößern, wenn nicht den neuen Anſiedlern
beſondere Vorteile zugeſtanden würden 2). Damit ſtimmt

1) Göttliche Ordnung, II § 546 (2. Aufl. S. 477 f.).
2) Grundſätze der Polizeywiſſenſchaft, § 54. Vgl. auch Geſam-
melte politiſche und Finanzſchriften III, S. 449 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="284"/>
Erfolge &#x017F;ich bemüht haben. Er ver&#x017F;etzt zahlreiche Men&#x017F;chen<lb/>
fa&#x017F;t plötzlich aus einer vorzugswei&#x017F;e naturalwirt&#x017F;chaftlichen<lb/>
in die geld- und kreditwirt&#x017F;chaftliche Lebens&#x017F;phäre und führt<lb/>
dadurch Folgen für die Lebenshaltung und die &#x017F;ozialen Ge-<lb/>
wohnheiten der handarbeitenden Kla&#x017F;&#x017F;en herbei, welche den<lb/>
Men&#x017F;chenfreund mit &#x017F;chweren Sorgen erfüllen mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Viele halten die&#x017F;en ma&#x017F;&#x017F;enhaften Zu&#x017F;trom der Land-<lb/>
bevölkerung nach den Städten und das allgemeine ra&#x017F;che<lb/>
Wachstum der letzteren für eine durchaus neue Er&#x017F;cheinung.<lb/>
Und &#x017F;ie haben in gewi&#x017F;&#x017F;em Sinne Recht. Das vorige Jahr-<lb/>
hundert kennt ihn noch nicht, wenig&#x017F;tens in Deut&#x017F;chland.<lb/>
Dem großen Begründer der Bevölkerungs&#x017F;tati&#x017F;tik, J. P. <hi rendition="#g">Süß-<lb/>
milch</hi> i&#x017F;t es nicht gelungen, eine durchgehende Ge&#x017F;etzmäßig-<lb/>
keit der Bevölkerungsbewegung in den Städten zu finden.<lb/>
Er meint, daß &#x017F;ie nach dem Willen des Herrn in ihrer<lb/>
Men&#x017F;chenzahl bald &#x017F;teigen und bald wieder fallen. &#x201E;So<lb/>
leiht der große Regierer der Welt den Ländern und Städten<lb/>
Macht, Reichtum und Herrlichkeit. Er nimmt &#x017F;ie auch<lb/>
wieder und gibt &#x017F;ie andern nach &#x017F;einem Rat. Er &#x017F;türzet<lb/>
die Gewaltigen vom Thron und erhebet die Niedrigen <note place="foot" n="1)">Göttliche Ordnung, <hi rendition="#aq">II</hi> § 546 (2. Aufl. S. 477 f.).</note>&#x201C;.<lb/>
Auch J. H. G. v. <hi rendition="#g">Ju&#x017F;ti</hi> hält es kaum für möglich, eine<lb/>
Stadt zu vergrößern, wenn nicht den neuen An&#x017F;iedlern<lb/>
be&#x017F;ondere Vorteile zuge&#x017F;tanden würden <note place="foot" n="2)">Grund&#x017F;ätze der Polizeywi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, § 54. Vgl. auch Ge&#x017F;am-<lb/>
melte politi&#x017F;che und Finanz&#x017F;chriften <hi rendition="#aq">III,</hi> S. 449 ff.</note>. Damit &#x017F;timmt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0306] Erfolge ſich bemüht haben. Er verſetzt zahlreiche Menſchen faſt plötzlich aus einer vorzugsweiſe naturalwirtſchaftlichen in die geld- und kreditwirtſchaftliche Lebensſphäre und führt dadurch Folgen für die Lebenshaltung und die ſozialen Ge- wohnheiten der handarbeitenden Klaſſen herbei, welche den Menſchenfreund mit ſchweren Sorgen erfüllen müſſen. Viele halten dieſen maſſenhaften Zuſtrom der Land- bevölkerung nach den Städten und das allgemeine raſche Wachstum der letzteren für eine durchaus neue Erſcheinung. Und ſie haben in gewiſſem Sinne Recht. Das vorige Jahr- hundert kennt ihn noch nicht, wenigſtens in Deutſchland. Dem großen Begründer der Bevölkerungsſtatiſtik, J. P. Süß- milch iſt es nicht gelungen, eine durchgehende Geſetzmäßig- keit der Bevölkerungsbewegung in den Städten zu finden. Er meint, daß ſie nach dem Willen des Herrn in ihrer Menſchenzahl bald ſteigen und bald wieder fallen. „So leiht der große Regierer der Welt den Ländern und Städten Macht, Reichtum und Herrlichkeit. Er nimmt ſie auch wieder und gibt ſie andern nach ſeinem Rat. Er ſtürzet die Gewaltigen vom Thron und erhebet die Niedrigen 1)“. Auch J. H. G. v. Juſti hält es kaum für möglich, eine Stadt zu vergrößern, wenn nicht den neuen Anſiedlern beſondere Vorteile zugeſtanden würden 2). Damit ſtimmt 1) Göttliche Ordnung, II § 546 (2. Aufl. S. 477 f.). 2) Grundſätze der Polizeywiſſenſchaft, § 54. Vgl. auch Geſam- melte politiſche und Finanzſchriften III, S. 449 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/306
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/306>, abgerufen am 12.05.2024.