Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

längst sehen müssen, wenn sie nicht selbst in den Vorstellungen
der modernen Verkehrswirtschaft befangen gewesen wäre und
diese auch auf die Vergangenheit übertragen hätte. Ein
eindringendes Studium, das den Lebensbedingungen der
Vergangenheit wirklich gerecht wird und die Erscheinungen
nicht mit dem Maßstabe der Gegenwart mißt, muß zu dem
Resultate gelangen, daß die Volkswirtschaft das
Produkt einer Jahrtausende langen histo-
rischen Entwickelung ist, das nicht älter ist
als der moderne Staat, daß vor ihrer Ent-
stehung die Menschheit große Zeiträume hin-
durch ohne Tauschverkehr oder unter For-
men des Austausches von Produkten und
Leistungen gewirtschaftet hat, die als volks-
wirtschaftliche nicht bezeichnet werden können
.

Wollen wir diese ganze Entwickelung unter einem Ge-
sichtspunkte begreifen, so kann dies nur ein Gesichtspunkt
sein, der mitten hinein führt in die wesentlichen Erschei-
nungen der Volkswirtschaft, der uns aber auch zugleich das
organisatorische Moment der früheren Wirtschaftsstufen auf-
schließt. Es ist dies kein anderer als das Verhältnis, in
welchem die Produktion der Güter zur Konsumtion derselben
steht, oder genauer: die Länge des Weges, welchen die
Güter vom Produzenten bis zum Konsumenten zurücklegen.
Unter diesem Gesichtspunkte gelangen wir dazu, die gesamte
wirtschaftliche Entwickelung, wenigstens für die zentral-
und westeuropäischen Völker, wo sie sich mit hinreichender

längſt ſehen müſſen, wenn ſie nicht ſelbſt in den Vorſtellungen
der modernen Verkehrswirtſchaft befangen geweſen wäre und
dieſe auch auf die Vergangenheit übertragen hätte. Ein
eindringendes Studium, das den Lebensbedingungen der
Vergangenheit wirklich gerecht wird und die Erſcheinungen
nicht mit dem Maßſtabe der Gegenwart mißt, muß zu dem
Reſultate gelangen, daß die Volkswirtſchaft das
Produkt einer Jahrtauſende langen hiſto-
riſchen Entwickelung iſt, das nicht älter iſt
als der moderne Staat, daß vor ihrer Ent-
ſtehung die Menſchheit große Zeiträume hin-
durch ohne Tauſchverkehr oder unter For-
men des Austauſches von Produkten und
Leiſtungen gewirtſchaftet hat, die als volks-
wirtſchaftliche nicht bezeichnet werden können
.

Wollen wir dieſe ganze Entwickelung unter einem Ge-
ſichtspunkte begreifen, ſo kann dies nur ein Geſichtspunkt
ſein, der mitten hinein führt in die weſentlichen Erſchei-
nungen der Volkswirtſchaft, der uns aber auch zugleich das
organiſatoriſche Moment der früheren Wirtſchaftsſtufen auf-
ſchließt. Es iſt dies kein anderer als das Verhältnis, in
welchem die Produktion der Güter zur Konſumtion derſelben
ſteht, oder genauer: die Länge des Weges, welchen die
Güter vom Produzenten bis zum Konſumenten zurücklegen.
Unter dieſem Geſichtspunkte gelangen wir dazu, die geſamte
wirtſchaftliche Entwickelung, wenigſtens für die zentral-
und weſteuropäiſchen Völker, wo ſie ſich mit hinreichender

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="14"/>
läng&#x017F;t &#x017F;ehen mü&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;elb&#x017F;t in den Vor&#x017F;tellungen<lb/>
der modernen Verkehrswirt&#x017F;chaft befangen gewe&#x017F;en wäre und<lb/>
die&#x017F;e auch auf die Vergangenheit übertragen hätte. Ein<lb/>
eindringendes Studium, das den Lebensbedingungen der<lb/>
Vergangenheit wirklich gerecht wird und die Er&#x017F;cheinungen<lb/>
nicht mit dem Maß&#x017F;tabe der Gegenwart mißt, muß zu dem<lb/>
Re&#x017F;ultate gelangen, daß die <hi rendition="#g">Volkswirt&#x017F;chaft das<lb/>
Produkt einer Jahrtau&#x017F;ende langen hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;chen Entwickelung i&#x017F;t, das nicht älter i&#x017F;t<lb/>
als der moderne Staat, daß vor ihrer Ent-<lb/>
&#x017F;tehung die Men&#x017F;chheit große Zeiträume hin-<lb/>
durch ohne Tau&#x017F;chverkehr oder unter For-<lb/>
men des Austau&#x017F;ches von Produkten und<lb/>
Lei&#x017F;tungen gewirt&#x017F;chaftet hat, die als volks-<lb/>
wirt&#x017F;chaftliche nicht bezeichnet werden können</hi>.</p><lb/>
          <p>Wollen wir die&#x017F;e ganze Entwickelung unter einem Ge-<lb/>
&#x017F;ichtspunkte begreifen, &#x017F;o kann dies nur ein Ge&#x017F;ichtspunkt<lb/>
&#x017F;ein, der mitten hinein führt in die we&#x017F;entlichen Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen der Volkswirt&#x017F;chaft, der uns aber auch zugleich das<lb/>
organi&#x017F;atori&#x017F;che Moment der früheren Wirt&#x017F;chafts&#x017F;tufen auf-<lb/>
&#x017F;chließt. Es i&#x017F;t dies kein anderer als das Verhältnis, in<lb/>
welchem die Produktion der Güter zur Kon&#x017F;umtion der&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;teht, oder genauer: die Länge des Weges, welchen die<lb/>
Güter vom Produzenten bis zum Kon&#x017F;umenten zurücklegen.<lb/>
Unter die&#x017F;em Ge&#x017F;ichtspunkte gelangen wir dazu, die ge&#x017F;amte<lb/>
wirt&#x017F;chaftliche Entwickelung, wenig&#x017F;tens für die zentral-<lb/>
und we&#x017F;teuropäi&#x017F;chen Völker, wo &#x017F;ie &#x017F;ich mit hinreichender<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0028] längſt ſehen müſſen, wenn ſie nicht ſelbſt in den Vorſtellungen der modernen Verkehrswirtſchaft befangen geweſen wäre und dieſe auch auf die Vergangenheit übertragen hätte. Ein eindringendes Studium, das den Lebensbedingungen der Vergangenheit wirklich gerecht wird und die Erſcheinungen nicht mit dem Maßſtabe der Gegenwart mißt, muß zu dem Reſultate gelangen, daß die Volkswirtſchaft das Produkt einer Jahrtauſende langen hiſto- riſchen Entwickelung iſt, das nicht älter iſt als der moderne Staat, daß vor ihrer Ent- ſtehung die Menſchheit große Zeiträume hin- durch ohne Tauſchverkehr oder unter For- men des Austauſches von Produkten und Leiſtungen gewirtſchaftet hat, die als volks- wirtſchaftliche nicht bezeichnet werden können. Wollen wir dieſe ganze Entwickelung unter einem Ge- ſichtspunkte begreifen, ſo kann dies nur ein Geſichtspunkt ſein, der mitten hinein führt in die weſentlichen Erſchei- nungen der Volkswirtſchaft, der uns aber auch zugleich das organiſatoriſche Moment der früheren Wirtſchaftsſtufen auf- ſchließt. Es iſt dies kein anderer als das Verhältnis, in welchem die Produktion der Güter zur Konſumtion derſelben ſteht, oder genauer: die Länge des Weges, welchen die Güter vom Produzenten bis zum Konſumenten zurücklegen. Unter dieſem Geſichtspunkte gelangen wir dazu, die geſamte wirtſchaftliche Entwickelung, wenigſtens für die zentral- und weſteuropäiſchen Völker, wo ſie ſich mit hinreichender

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/28
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/28>, abgerufen am 03.12.2024.