Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.Gliederung der Bevölkerung nach dem Ge- Ist schon heute der Ueberschuß des weiblichen über Allerdings finden wir ähnliche abnorme Zahlenver- 1) Vergl. meinen Aufsatz in Mayr's Allgem. statist. Archiv II,
S. 385 ff. Gliederung der Bevölkerung nach dem Ge- Iſt ſchon heute der Ueberſchuß des weiblichen über Allerdings finden wir ähnliche abnorme Zahlenver- 1) Vergl. meinen Aufſatz in Mayr’s Allgem. ſtatiſt. Archiv II,
S. 385 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0244" n="222"/><hi rendition="#g">Gliederung der Bevölkerung nach dem Ge-<lb/> ſchlechte</hi>.</p><lb/> <p>Iſt ſchon heute der Ueberſchuß des weiblichen über<lb/> das männliche Geſchlecht unter den Erwachſenen ein ſo<lb/> bedenklicher, daß er zu den vielen ſozialen Fragen der<lb/> Gegenwart auch eine „Frauenfrage“ erzeugt hat, ſo kann<lb/> man im Mittelalter geradezu von einem Frauennotſtand<lb/> reden. Allerdings vermag ich für die Geſamtbevölkerung<lb/> Frankfurts keine genauen Ziffern zu geben. Ich führe nur<lb/> an, daß in dem Bedebuche der Oberſtadt für 1385 das<lb/> Verhältnis der männlichen zu den weiblichen Steuerpflich-<lb/> tigen ſich wie 1000:1100, in demjenigen der Nieder- und<lb/> Neuſtadt für 1475 wie 1000:1140 ſtellt, und daß in den<lb/> Zunftverzeichniſſen die große Zahl der Witwen auffällt.<lb/> Dagegen wiſſen wir von Nürnberg, daß 1449 auf 1000<lb/> erwachſene Männer 1207 Frauen kamen: unter der über<lb/> vierzehnjährigen Bevölkerung zweier Basler Kirchſpiele kamen<lb/> 1454 auf 1000 männliche 1246 weibliche Perſonen und<lb/> noch 1576 trafen in Roſtock auf 1000 erwachſene Männer<lb/> 1295 Frauen.</p><lb/> <p>Allerdings finden wir ähnliche abnorme Zahlenver-<lb/> hältniſſe auch in den modernen Städten <note place="foot" n="1)">Vergl. meinen Aufſatz in <hi rendition="#g">Mayr’s</hi> Allgem. ſtatiſt. Archiv <hi rendition="#aq">II,</hi><lb/> S. 385 ff.</note>. Aber bei der<lb/> Ausſchließlichkeit, mit der die Wirtſchaftsordnung des Mittel-<lb/> alters die Frauen auf das Haus verwies, konnten unlieb-<lb/> ſame ſoziale und ſittliche Folgen noch weniger ausbleiben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0244]
Gliederung der Bevölkerung nach dem Ge-
ſchlechte.
Iſt ſchon heute der Ueberſchuß des weiblichen über
das männliche Geſchlecht unter den Erwachſenen ein ſo
bedenklicher, daß er zu den vielen ſozialen Fragen der
Gegenwart auch eine „Frauenfrage“ erzeugt hat, ſo kann
man im Mittelalter geradezu von einem Frauennotſtand
reden. Allerdings vermag ich für die Geſamtbevölkerung
Frankfurts keine genauen Ziffern zu geben. Ich führe nur
an, daß in dem Bedebuche der Oberſtadt für 1385 das
Verhältnis der männlichen zu den weiblichen Steuerpflich-
tigen ſich wie 1000:1100, in demjenigen der Nieder- und
Neuſtadt für 1475 wie 1000:1140 ſtellt, und daß in den
Zunftverzeichniſſen die große Zahl der Witwen auffällt.
Dagegen wiſſen wir von Nürnberg, daß 1449 auf 1000
erwachſene Männer 1207 Frauen kamen: unter der über
vierzehnjährigen Bevölkerung zweier Basler Kirchſpiele kamen
1454 auf 1000 männliche 1246 weibliche Perſonen und
noch 1576 trafen in Roſtock auf 1000 erwachſene Männer
1295 Frauen.
Allerdings finden wir ähnliche abnorme Zahlenver-
hältniſſe auch in den modernen Städten 1). Aber bei der
Ausſchließlichkeit, mit der die Wirtſchaftsordnung des Mittel-
alters die Frauen auf das Haus verwies, konnten unlieb-
ſame ſoziale und ſittliche Folgen noch weniger ausbleiben
1) Vergl. meinen Aufſatz in Mayr’s Allgem. ſtatiſt. Archiv II,
S. 385 ff.
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