Buchner, Wilhelm: Das ärztliche Studium der Frauen. In: Die Grenzboten 3 (1892). S. 205-212, 251-258.1. Das in der vorliegenden Petition hervortretende Streben der Frauen nach Es entspricht durchaus dem Wesen des badischen Landtags, daß er durch Wenige Tage darnach, am 11. März 1892, kam dieselbe Frage in der Der Berichterstatter v. Kölichen erkannte an. daß die Reichs-Gewerbe- 1. Das in der vorliegenden Petition hervortretende Streben der Frauen nach Es entspricht durchaus dem Wesen des badischen Landtags, daß er durch Wenige Tage darnach, am 11. März 1892, kam dieselbe Frage in der Der Berichterstatter v. Kölichen erkannte an. daß die Reichs-Gewerbe- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0006" n="210"/> <p>1. Das in der vorliegenden Petition hervortretende Streben der Frauen nach<lb/> Erweiterung ihrer Erwerbsmöglichkeit, insbesondre durch Erschließung einzelner<lb/> auf wissenschaftlicher Vorbildung beruhenden Berufe, ist gerechtfertigt und teilweise<lb/> erfüllbar. 2. Keinesfalls darf der Frau ein Beruf unter leichtern Bedingungen<lb/> zugänglich gemacht werden als dem Manne. Es muß darum für alle gelehrten<lb/> Berufe das Maturitätsexamen gefordert werden. 3. Zur Ablegung dieser Prüfung<lb/> können Jnländerinnen dem Examen an einem der bestehenden Gymnasien zugewiesen<lb/> werden. Dagegen ist die Schaffung von Mädchengymnasien zur Zeit ebenso un-<lb/> thunlich wie die Zuweisung von Mädchen zum Unterricht an den bestehenden<lb/> Knabengymnasien. 4. Der Besuch von Vorlesungen an der Universität kann auch<lb/> fernerhin ausnahmsweise und widerruflich solchen Frauen gestattet werden, bezüglich (!)<lb/> deren (!) die Fakultät es für zulässig erklärt. Er ist denjenigen Jnländerinnen zu<lb/> gestatten, welche das Abiturientenexamen abgelegt haben und im übrigen den für<lb/> Studirende geltenden Erfordernissen genügen. 5. Die Großherzogliche Regierung<lb/> wolle auch fernerhin die Entwicklung der Frauenfrage wohlwollend im Auge be-<lb/> halten.</p><lb/> <p>Es entspricht durchaus dem Wesen des badischen Landtags, daß er durch<lb/> den Vertreter der Regierung wohlmeinend unterstützt, den Antrag der Kom-<lb/> mission annahm und die Petition der Großherzoglichen Regierung zur Kenntnis-<lb/> nahme überwies.</p><lb/> <p>Wenige Tage darnach, am 11. März 1892, kam dieselbe Frage in der<lb/> Unterrichtskommission des preußischen Abgeordnetenhauses zur Verhandlung.<lb/> Es lagen zwei Petitionen vor. Die des Berliner Vereins „Frauenwohl,“<lb/> daß den Frauen nach erlangter privater oder durch Teilnahme am öffentlichen<lb/> Unterricht gewonnener Vorbildung die Ablegung (Erlangung?) des Reifezeug-<lb/> nisses an preußischen Gymnasien und Realgymnasien gestattet werde, können<lb/> wir hier, da sie in der Verhandlung kaum erwähnt wurde, übergehen. Der<lb/> Vorstand des deutschen Frauenvereins „Reform“ zu Weimar, vertreten durch<lb/> die unermüdliche Frau Kettler, wiederholte mit geringer Änderung den Antrag<lb/> vom vorigen Jahre, daß a) einem vom Verein „Reform“ zu errichtenden<lb/> Mädchenhumangymnasium (!) das Recht zur Abhaltung der zum Universitäts-<lb/> besuche berechtigenden Maturitätsprüfung seiner Schülerinnen zuerkannt werde,<lb/> sobald und solange diese Anstalt bezüglich ihres Lehrplans und der Quali-<lb/> fikation ihrer Lehrkräfte genau den Anforderungen entspricht, welche diesbe-<lb/> züglich (!) jeweils (!) für die bestehenden Humanitätsgymnasien gelten; b) den<lb/> mit dem Reifezeugnis entlaßnen Schülerinnen dieses Mädchengymnasiums der<lb/> Besuch der medizinischen und philosophischen Fakultät der preußischen Universi-<lb/> täten gestattet werde; c) bis zur Errichtung eines solchen Mädchengymnasiums<lb/> einstweilen die Zulassung von Mädchen zur Ablegung der Maturitätsprüfung<lb/> an einem der bestehenden Humangymnasien und den dort mit gutem Erfolge<lb/> geprüften der Besuch der genannten Fakultäten gestattet werden möge.</p><lb/> <p>Der Berichterstatter v. Kölichen erkannte an. daß die Reichs-Gewerbe-<lb/> ordnung der Ausübung der ärztlichen Praxis durch Frauen nicht im Wege<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [210/0006]
1. Das in der vorliegenden Petition hervortretende Streben der Frauen nach
Erweiterung ihrer Erwerbsmöglichkeit, insbesondre durch Erschließung einzelner
auf wissenschaftlicher Vorbildung beruhenden Berufe, ist gerechtfertigt und teilweise
erfüllbar. 2. Keinesfalls darf der Frau ein Beruf unter leichtern Bedingungen
zugänglich gemacht werden als dem Manne. Es muß darum für alle gelehrten
Berufe das Maturitätsexamen gefordert werden. 3. Zur Ablegung dieser Prüfung
können Jnländerinnen dem Examen an einem der bestehenden Gymnasien zugewiesen
werden. Dagegen ist die Schaffung von Mädchengymnasien zur Zeit ebenso un-
thunlich wie die Zuweisung von Mädchen zum Unterricht an den bestehenden
Knabengymnasien. 4. Der Besuch von Vorlesungen an der Universität kann auch
fernerhin ausnahmsweise und widerruflich solchen Frauen gestattet werden, bezüglich (!)
deren (!) die Fakultät es für zulässig erklärt. Er ist denjenigen Jnländerinnen zu
gestatten, welche das Abiturientenexamen abgelegt haben und im übrigen den für
Studirende geltenden Erfordernissen genügen. 5. Die Großherzogliche Regierung
wolle auch fernerhin die Entwicklung der Frauenfrage wohlwollend im Auge be-
halten.
Es entspricht durchaus dem Wesen des badischen Landtags, daß er durch
den Vertreter der Regierung wohlmeinend unterstützt, den Antrag der Kom-
mission annahm und die Petition der Großherzoglichen Regierung zur Kenntnis-
nahme überwies.
Wenige Tage darnach, am 11. März 1892, kam dieselbe Frage in der
Unterrichtskommission des preußischen Abgeordnetenhauses zur Verhandlung.
Es lagen zwei Petitionen vor. Die des Berliner Vereins „Frauenwohl,“
daß den Frauen nach erlangter privater oder durch Teilnahme am öffentlichen
Unterricht gewonnener Vorbildung die Ablegung (Erlangung?) des Reifezeug-
nisses an preußischen Gymnasien und Realgymnasien gestattet werde, können
wir hier, da sie in der Verhandlung kaum erwähnt wurde, übergehen. Der
Vorstand des deutschen Frauenvereins „Reform“ zu Weimar, vertreten durch
die unermüdliche Frau Kettler, wiederholte mit geringer Änderung den Antrag
vom vorigen Jahre, daß a) einem vom Verein „Reform“ zu errichtenden
Mädchenhumangymnasium (!) das Recht zur Abhaltung der zum Universitäts-
besuche berechtigenden Maturitätsprüfung seiner Schülerinnen zuerkannt werde,
sobald und solange diese Anstalt bezüglich ihres Lehrplans und der Quali-
fikation ihrer Lehrkräfte genau den Anforderungen entspricht, welche diesbe-
züglich (!) jeweils (!) für die bestehenden Humanitätsgymnasien gelten; b) den
mit dem Reifezeugnis entlaßnen Schülerinnen dieses Mädchengymnasiums der
Besuch der medizinischen und philosophischen Fakultät der preußischen Universi-
täten gestattet werde; c) bis zur Errichtung eines solchen Mädchengymnasiums
einstweilen die Zulassung von Mädchen zur Ablegung der Maturitätsprüfung
an einem der bestehenden Humangymnasien und den dort mit gutem Erfolge
geprüften der Besuch der genannten Fakultäten gestattet werden möge.
Der Berichterstatter v. Kölichen erkannte an. daß die Reichs-Gewerbe-
ordnung der Ausübung der ärztlichen Praxis durch Frauen nicht im Wege
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