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Buchner, Wilhelm: Das ärztliche Studium der Frauen. In: Die Grenzboten 3 (1892). S. 205-212, 251-258.

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Das ärztliche Studium der Frauen
sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werden.
Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der höhern Mädchenschule und
weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich
haben, werden dann auch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das
Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge
zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Examenbüffeln in
ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer für den zukünftigen Beruf
wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt
werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher,
französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so
ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme
wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden.

Wo und wie aber werden solche dreijährige Vorbereitungskurse einzu-
richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen-
schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe
der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit
einer Vorbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden.
Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten
Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbildungskurse ein-
gerichtet werden. Jch nenne als solche Orte, die bereits vollausgebaute höhere
Mädchenschulen besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An
diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei-
jährigen Vorbereitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht
für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen-
schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es
handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern
Orten durch Privatstudium oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle-
rinnen zuströmen würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Rickert
äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden
auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen
durch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu
tragen. Jm übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe
und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre,
jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen.

Jch setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche
Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch
aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche
Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen
medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche
Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands
mit Erfolg aufzusuchen.

Das ärztliche Studium der Frauen
sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werden.
Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der höhern Mädchenschule und
weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich
haben, werden dann auch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das
Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge
zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Examenbüffeln in
ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer für den zukünftigen Beruf
wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt
werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher,
französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so
ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme
wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden.

Wo und wie aber werden solche dreijährige Vorbereitungskurse einzu-
richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen-
schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe
der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit
einer Vorbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden.
Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten
Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbildungskurse ein-
gerichtet werden. Jch nenne als solche Orte, die bereits vollausgebaute höhere
Mädchenschulen besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An
diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei-
jährigen Vorbereitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht
für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen-
schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es
handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern
Orten durch Privatstudium oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle-
rinnen zuströmen würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Rickert
äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden
auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen
durch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu
tragen. Jm übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe
und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre,
jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen.

Jch setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche
Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch
aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche
Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen
medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche
Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands
mit Erfolg aufzusuchen.

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[256/0014] Das ärztliche Studium der Frauen sind, die der Mädchenschulen voraussichtlich nur vorzügliche Kräfte sein werden. Mädchen, die zehn Jahre gediegner Arbeit auf der höhern Mädchenschule und weitere drei Jahre auf der Vorbereitungsstufe zur Universität hinter sich haben, werden dann auch wissenschaftlich und sittlich reif genug für das Studium sein. Natürlich wird dafür zu sorgen sein, daß sie nicht infolge zu mannigfaltiger Anforderungen durch ein zersplittertes Examenbüffeln in ihrer Gesundheit geschädigt, daß sie nicht mit einer für den zukünftigen Beruf wertlosen Gelehrsamkeit belastet und zu bloßen Lernmaschinen herabgewürdigt werden. Geschieht dies, wird das ideale Element an Geschichte, deutscher, französischer und englischer Litteratur bis zur Prüfung genügend betont, so ist auch nicht zu fürchten, daß tüchtige weibliche Naturen durch diese stramme wissenschaftliche Arbeit eine Einbuße an echter Weiblichkeit erleiden. Wo und wie aber werden solche dreijährige Vorbereitungskurse einzu- richten sein? Jedenfalls nicht überall, so wenig wie sich jede höhere Mädchen- schule den Luxus einer Lehrerinnenbildungsanstalt erlaubt. Die Lehraufgabe der höhern Mädchenschule im allgemeinen soll durch die künftige Möglichkeit einer Vorbereitung für das ärztliche Studium in keiner Weise geändert werden. Es genügt bis auf weiteres, wenn an einigen Orten, etwa in den bedeutendsten Universitätsstädten Deutschlands, derartige dreijährige Vorbildungskurse ein- gerichtet werden. Jch nenne als solche Orte, die bereits vollausgebaute höhere Mädchenschulen besitzen, Berlin, Göttingen, Leipzig, München, Heidelberg. An diesen Orten würde es sich allerdings um die staatliche Unterstützung der drei- jährigen Vorbereitungsstufe handeln. Aber ich halte diese Forderung nicht für unbescheiden; der Staat hat in den meisten Fällen für die höhern Mädchen- schulen so wenig gethan, daß ihm zu thun noch sehr viel übrig bleibt. Es handelt sich nur um einige wenige Anstalten, denen außerdem die an andern Orten durch Privatstudium oder städtische Veranstaltung vorgebildeten Schüle- rinnen zuströmen würden. Wäre z. B. in Baden, wie der Abgeordnete Rickert äußerte, Freiburg für das medizinische Studium ausersehen, so hätte Baden auch die Pflicht, für die tüchtige Vorbereitung der einstigen Studentinnen durch eine in Freiburg oder anderwärts einzurichtende Vorschule Sorge zu tragen. Jm übrigen liegt auch nach den jüngsten Vorgängen in Karlsruhe und Berlin die ganze Frage noch so nebelhaft vor uns, daß es thöricht wäre, jetzt schon mit genau festgestellten Vorschlägen zu kommen. Jch setze noch voraus, daß allerorten gleiche Bedingungen gestellt, gleiche Rechte gewährt werden. Die Wahl der Universität muß freistehen, wenn auch aus Zweckmäßigkeitsgründen für die dreijährigen Vorbereitungskurse deutsche Universitätsstädte genannt wurden. Der Aufenthalt an einer nichtdeutschen medizinischen Hochschule wäre den Studentinnen anzurechnen; ihre sprachliche Vorbildung würde sie befähigen, auch die besten Hochschulen des Auslands mit Erfolg aufzusuchen.

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Zitationshilfe: Buchner, Wilhelm: Das ärztliche Studium der Frauen. In: Die Grenzboten 3 (1892). S. 205-212, 251-258, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchner_studium_1892/14>, abgerufen am 19.04.2024.