Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Fünftes Buch. samt euer Königl. Hocheit allergehorsamste Untertahnen und Diener/ zweiffeln gar nicht/uns werde unser wolgemeineter Vortrag nicht ungleich außgelegt werden. Eure Königl. Hocheit werden sich allergnädigst erinnern/ wie der freche Dorylaus sich vernehmen ließ/ so viel Zungen der Persen einzulieffern/ als er Reuter unter seinem befehl hätte. Dieses wird zweifels ohn den Feinden verrahten seyn/ daher sie an unsern Leuten solches volstrec- ken/ und uns verweißlich vorhalten wollen/ man solle dergleichen unerbarkeiten müssig ge- hen/ und nicht zu hoch trotzen/ weil das Glük Kugelrund ist/ und bey niemand sich bestän- dig erzeiget. Wolte Gott/ daß wir durch uns selbst uns dessen erinnerten/ und der Feinde unterweisung es nicht bedürffte/ so dürfften wir dieses elende Schauspiel nicht vor unsern Augen dulden. Unser aller Meynung ist/ Dorylaus habe durch sein frevelmuhtiges Vor- nehmen und erbieten/ der Götter Zorn auff sich geladen/ und durch deren wunderschickung den Spot einnehmen müssen/ welchen er andern zugedacht hatte. Nicht sage ich dieses/ den Todten anzuklagen/ welcher seine Straffe schon außgestanden hat/ sondern die Leben- digen zu warnen/ daß sie sich an diesem Unfalle spiegeln; wiewol ich diese Taht der Feinde nicht gut heisse/ sondern vielmehr der Rache wirdig schätze; jedoch nicht durch gleichmäs- siege Zungen-abschneidung/ fondern durch niderschlagung der Tähter/ und aller deren/ welche ein gefallen daran tragen. Herrn Karthasis haben seine wiedergeschikte Skythen des abtrünnigen Artaxerxes dräuung angemeldet/ dafern uns die Begierde nach der Per- sen Zungen nicht vergehen werde/ wolle er ohn unterscheid allen Parthen/ deren er mäch- tig wird/ Nasen und Ohren darzu abschneiden; und wer kans ihm als einem Feinde ver- denken? Nun begeben sich die Fälle wunderlich/ und kan ein tapfferer Mann leicht in Fein- des gewalt gerahten; aber würde derselbe nicht tausendmahl lieber sterben/ als solcher dreyfachen nöhtigen und wolständigen Häupt-Glieder beraubet seyn? Lasset uns deßwegen Freunden und Feinden kund machen/ daß des Dorylaus Zungen-hunger (so muß ichs mit dem Feinde nennen) unser keinem je gefallen habe; und doch der Durst der Rache in uns so groß sey/ daß er weder mit Wasser noch Wein/ sondern bloß nur mit der Feinde Blut könne gelöschet werden. Vor dißmahl folge eure Königl. Hocheit unserm geträuen Raht/ und stelle sich/ als wüste sie nichts umb diesen Zungenschnit/ daß wird den Feind mehr kränken/ als wann man sich darüber ungeberdigstellen/ oder groß eifern wolte. Artabanus erhohlete sich hierauff/ und stellete seinen Fürsten anheim/ mit dem Ge[sant]en nach gut ach- ten zu handeln/ dem er sonst die Straffe zugedacht hätte/ daß man ihm die Zunge/ samt Ohren und Nase abschneiden/ und sie dem abtrünnigen Buben zuschicken solte. Welche Rede aber mit stilschweigen beantwortet ward/ und foderte bald hernach Vologeses den Gesanten vor sich/ da er zu ihm sagete: Hat Artaxerxes sonst nicht gewust Kundschaffer außzusenden/ als unter dem nahmen eines Weibsbildes/ und einlieferung etlicher wenig gefangenen/ die man nicht begehret hat? Zwar man könte dir nach Recht verrähters Lohn außfolgen lassen; aber weil dem großmächtigsten Beherscher der Morgenländer mit so schlimmen Blute nicht gedienet ist/ wird man dir deine Tohrheit zu gute halten/ und schon wissen/ wie man die unredliche abscheuligkeit/ durch abschneidung der Zungen denen an- gelegt/ die keiner verleumdung noch verrähterey können beschuldiget werden/ ernstlich rä- chen sol/ nachdem man dieses Orts versichert ist/ daß man zu solcher Untaht/ an ehrlich ge- stor- i iij
Fuͤnftes Buch. ſamt euer Koͤnigl. Hocheit allergehorſamſte Untertahnen und Diener/ zweiffeln gar nicht/uns werde unſer wolgemeineter Vortrag nicht ungleich außgelegt werden. Eure Koͤnigl. Hocheit werden ſich allergnaͤdigſt erinnern/ wie der freche Dorylaus ſich vernehmen ließ/ ſo viel Zungen der Perſen einzulieffern/ als er Reuter unter ſeinem befehl haͤtte. Dieſes wird zweifels ohn den Feinden verrahten ſeyn/ daher ſie an unſern Leuten ſolches volſtrec- ken/ und uns verweißlich vorhalten wollen/ man ſolle dergleichen unerbarkeiten muͤſſig ge- hen/ und nicht zu hoch trotzen/ weil das Gluͤk Kugelrund iſt/ und bey niemand ſich beſtaͤn- dig erzeiget. Wolte Gott/ daß wir durch uns ſelbſt uns deſſen erinnerten/ und der Feinde unterweiſung es nicht beduͤrffte/ ſo duͤrfften wir dieſes elende Schauſpiel nicht vor unſeꝛn Augen dulden. Unſer aller Meynung iſt/ Dorylaus habe durch ſein frevelmuhtiges Vor- nehmen und erbieten/ der Goͤtter Zorn auff ſich geladen/ uñ durch deren wunderſchickung den Spot einnehmen muͤſſen/ welchen er andern zugedacht hatte. Nicht ſage ich dieſes/ den Todten anzuklagen/ welcher ſeine Straffe ſchon außgeſtanden hat/ ſondern die Leben- digen zu warnen/ daß ſie ſich an dieſem Unfalle ſpiegeln; wiewol ich dieſe Taht der Feinde nicht gut heiſſe/ ſondern vielmehr der Rache wirdig ſchaͤtze; jedoch nicht durch gleichmaͤſ- ſiege Zungen-abſchneidung/ fondern durch niderſchlagung der Taͤhter/ und aller deren/ welche ein gefallen daran tragen. Herrn Karthaſis haben ſeine wiedergeſchikte Skythen des abtruͤnnigen Artaxerxes draͤuung angemeldet/ dafern uns die Begierde nach der Per- ſen Zungen nicht vergehen werde/ wolle er ohn unterſcheid allen Parthen/ deren er maͤch- tig wird/ Naſen und Ohren darzu abſchneiden; und wer kans ihm als einem Feinde ver- denken? Nun begeben ſich die Faͤlle wunderlich/ und kan ein tapfferer Mann leicht in Fein- des gewalt gerahten; aber wuͤrde derſelbe nicht tauſendmahl lieber ſterben/ als ſolcher dreyfachen noͤhtigen und wolſtaͤndigen Haͤupt-Glieder beraubet ſeyn? Laſſet uns deßwegẽ Freunden und Feinden kund machen/ daß des Dorylaus Zungen-hunger (ſo muß ichs mit dem Feinde nennen) unſer keinem je gefallen habe; und doch der Durſt der Rache in uns ſo groß ſey/ daß er weder mit Waſſer noch Wein/ ſondern bloß nur mit der Feinde Blut koͤnne geloͤſchet werden. Vor dißmahl folge eure Koͤnigl. Hocheit unſerm getraͤuen Raht/ und ſtelle ſich/ als wuͤſte ſie nichts umb dieſen Zungenſchnit/ daß wird den Feind mehr kraͤnken/ als wañ man ſich darüber ungeberdigſtellen/ oder groß eifern wolte. Artabanus erhohlete ſich hierauff/ und ſtellete ſeinen Fuͤrſten anheim/ mit dem Ge[ſant]en nach gut ach- ten zu handeln/ dem er ſonſt die Straffe zugedacht haͤtte/ daß man ihm die Zunge/ ſamt Ohren und Naſe abſchneiden/ und ſie dem abtruͤnnigen Buben zuſchicken ſolte. Welche Rede aber mit ſtilſchweigen beantwortet ward/ und foderte bald hernach Vologeſes den Geſanten vor ſich/ da er zu ihm ſagete: Hat Artaxerxes ſonſt nicht gewuſt Kundſchaffer außzuſenden/ als unter dem nahmen eines Weibsbildes/ und einlieferung etlicher wenig gefangenen/ die man nicht begehret hat? Zwar man koͤnte dir nach Recht verraͤhters Lohn außfolgen laſſen; aber weil dem großmaͤchtigſten Beherſcher der Morgenlaͤnder mit ſo ſchlimmen Blute nicht gedienet iſt/ wird man dir deine Tohrheit zu gute halten/ und ſchon wiſſen/ wie man die unredliche abſcheuligkeit/ durch abſchneidung der Zungen denen an- gelegt/ die keiner verleumdung noch verraͤhterey koͤnnen beſchuldiget weꝛden/ ernſtlich raͤ- chen ſol/ nachdem man dieſes Orts verſichert iſt/ daß man zu ſolcher Untaht/ an ehrlich ge- ſtor- i iij
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Fuͤnftes Buch.
ſamt euer Koͤnigl. Hocheit allergehorſamſte Untertahnen und Diener/ zweiffeln gar nicht/
uns werde unſer wolgemeineter Vortrag nicht ungleich außgelegt werden. Eure Koͤnigl.
Hocheit werden ſich allergnaͤdigſt erinnern/ wie der freche Dorylaus ſich vernehmen ließ/
ſo viel Zungen der Perſen einzulieffern/ als er Reuter unter ſeinem befehl haͤtte. Dieſes
wird zweifels ohn den Feinden verrahten ſeyn/ daher ſie an unſern Leuten ſolches volſtrec-
ken/ und uns verweißlich vorhalten wollen/ man ſolle dergleichen unerbarkeiten muͤſſig ge-
hen/ und nicht zu hoch trotzen/ weil das Gluͤk Kugelrund iſt/ und bey niemand ſich beſtaͤn-
dig erzeiget. Wolte Gott/ daß wir durch uns ſelbſt uns deſſen erinnerten/ und der Feinde
unterweiſung es nicht beduͤrffte/ ſo duͤrfften wir dieſes elende Schauſpiel nicht vor unſeꝛn
Augen dulden. Unſer aller Meynung iſt/ Dorylaus habe durch ſein frevelmuhtiges Vor-
nehmen und erbieten/ der Goͤtter Zorn auff ſich geladen/ uñ durch deren wunderſchickung
den Spot einnehmen muͤſſen/ welchen er andern zugedacht hatte. Nicht ſage ich dieſes/
den Todten anzuklagen/ welcher ſeine Straffe ſchon außgeſtanden hat/ ſondern die Leben-
digen zu warnen/ daß ſie ſich an dieſem Unfalle ſpiegeln; wiewol ich dieſe Taht der Feinde
nicht gut heiſſe/ ſondern vielmehr der Rache wirdig ſchaͤtze; jedoch nicht durch gleichmaͤſ-
ſiege Zungen-abſchneidung/ fondern durch niderſchlagung der Taͤhter/ und aller deren/
welche ein gefallen daran tragen. Herrn Karthaſis haben ſeine wiedergeſchikte Skythen
des abtruͤnnigen Artaxerxes draͤuung angemeldet/ dafern uns die Begierde nach der Per-
ſen Zungen nicht vergehen werde/ wolle er ohn unterſcheid allen Parthen/ deren er maͤch-
tig wird/ Naſen und Ohren darzu abſchneiden; und wer kans ihm als einem Feinde ver-
denken? Nun begeben ſich die Faͤlle wunderlich/ und kan ein tapfferer Mann leicht in Fein-
des gewalt gerahten; aber wuͤrde derſelbe nicht tauſendmahl lieber ſterben/ als ſolcher
dreyfachen noͤhtigen und wolſtaͤndigen Haͤupt-Glieder beraubet ſeyn? Laſſet uns deßwegẽ
Freunden und Feinden kund machen/ daß des Dorylaus Zungen-hunger (ſo muß ichs mit
dem Feinde nennen) unſer keinem je gefallen habe; und doch der Durſt der Rache in uns
ſo groß ſey/ daß er weder mit Waſſer noch Wein/ ſondern bloß nur mit der Feinde Blut
koͤnne geloͤſchet werden. Vor dißmahl folge eure Koͤnigl. Hocheit unſerm getraͤuen Raht/
und ſtelle ſich/ als wuͤſte ſie nichts umb dieſen Zungenſchnit/ daß wird den Feind mehr
kraͤnken/ als wañ man ſich darüber ungeberdigſtellen/ oder groß eifern wolte. Artabanus
erhohlete ſich hierauff/ und ſtellete ſeinen Fuͤrſten anheim/ mit dem Geſanten nach gut ach-
ten zu handeln/ dem er ſonſt die Straffe zugedacht haͤtte/ daß man ihm die Zunge/ ſamt
Ohren und Naſe abſchneiden/ und ſie dem abtruͤnnigen Buben zuſchicken ſolte. Welche
Rede aber mit ſtilſchweigen beantwortet ward/ und foderte bald hernach Vologeſes den
Geſanten vor ſich/ da er zu ihm ſagete: Hat Artaxerxes ſonſt nicht gewuſt Kundſchaffer
außzuſenden/ als unter dem nahmen eines Weibsbildes/ und einlieferung etlicher wenig
gefangenen/ die man nicht begehret hat? Zwar man koͤnte dir nach Recht verraͤhters Lohn
außfolgen laſſen; aber weil dem großmaͤchtigſten Beherſcher der Morgenlaͤnder mit ſo
ſchlimmen Blute nicht gedienet iſt/ wird man dir deine Tohrheit zu gute halten/ und ſchon
wiſſen/ wie man die unredliche abſcheuligkeit/ durch abſchneidung der Zungen denen an-
gelegt/ die keiner verleumdung noch verraͤhterey koͤnnen beſchuldiget weꝛden/ ernſtlich raͤ-
chen ſol/ nachdem man dieſes Orts verſichert iſt/ daß man zu ſolcher Untaht/ an ehrlich ge-
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/75>, abgerufen am 16.07.2024. |