Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch.
hen/ und trieben die Ubeltähter ein solches Zetergeschrey/ daß das Frauenzimmer Augen
und Ohren zuhielten/ und Frl. Sibylla insonderheit so grosses Mitleiden er[z]eigete/ daß sie
von ihrer Gutsche stieg/ und die Groß Fürstin untertähnig baht/ die Richter dahin zuver-
mögen/ daß sie durch einen schleunigen Tod der hefftigen Pein möchten entnommen wer-
den; welches sie ihr dann nicht versagen wolte; und ward dem Büttel der Befehl erteilet/
mit einem Speer ihnen das Herz durchzustechen. Als das Fräulein sich wieder zu Sieg-
warden auffsetzete/ fing er diese Rede zu ihr an: Ach wie wunderlich spielet doch das Glük
mit uns Menschen auff dieser Unterwelt! diesen frechen Buben kan so hefftige Pein nicht
angeleget werden/ daß durch ihre Ubeltaht sie nicht viel ein schärfferes verdienet hätten/ und
gleichwol kan deren Leiden das Gemüht meiner hochwerten Fräulein dermassen zur barm-
herzigkeit bewägen/ daß sie ihnen den Jammer zukürzen alle zulangende Mittel angewen-
det hat/ da hingegen ein ander/ der nur durch Gedanken und auffrichtige Liebe an ihrer vor-
treffligkeit sich vergriffen/ dieselbe zu keinem Mitleiden reizen/ vielweniger einigen gegrün-
deten Trost erlangen kan/ wie andächtig und herzlich er gleich darumb ansuchet. Mein
Fräulein fasset die Pein und Schmerzen dieser gottlosen Räuber so hefftig zu Gemüht/
welche doch erträglicher als die meinen sind; dann ihr Leiden wird in kurzer Zeit durch den
Tod geendet/ da hingegen der erschrekliche Peiniger meine Seele dergestalt ohn unterlaß
geisselt/ rädert und kreuziget/ daß sie kein Augenblik Ruhe nehmen kan/ so lange mein höchst-
geliebtes Fräulein die Barmherzigkeit mir versaget. Das Fräulein wuste ihm hierauf nit
so schleunig zuantworten/ sondern schwieg ein wenig stille/ deswegen er also fortfuhr: O ich
unglükseliger/ der ich weder Erlassung noch Urtel/ weder Gnade noch Straffe/ ja weder Zu-
sage noch Abdankung erhalten kan! Erkühnet euch doch/ mein Fräulein/ durch Brechung
des Stabes/ das ist/ durch ausdrükliche Verwegerung eurer Liebe und Gunst/ mir meines
Lebens Ende anzudeuten/ wann ja wegen meiner gar zu verwerflichen Unvolkommenhei-
ten deren Hulde und Begünstigung ich zu unwirdig bin; Ich wil die Urtel meiner gar zu
kühnen Liebe beständig anhören/ und deren Volstreckung auch mit dieser meiner Hand zu
verrichten nicht unwillig seyn/ umb zubezeugen/ daß wann ich lebendig nicht gehorsamen
kan/ ich dannoch durch Leistung ihres begehrens andeuten wil/ und ein unfehlbahres Zeug-
niß hinter mir verlassen/ daß mein Herz und Seele sich ihrem Befehl allerdinge unterworf-
fen habe. Diese Rede brachte der Fürst aus halb verzweifeltem Herzen vor/ weil ihm diese
Nacht unterschiedliche Einbildungen vorkommen wahren/ er würde von dem Fräulein
und ihren Anverwanten mit guten Worten hingehalten/ und am Ende schimpflich abge-
wiesen werden/ welches ihm so steiff im Sinne lag/ daß er der Fräulein stilleschweigen vor
eine Ungunst/ ihre Reden vor eine Auftreiberey/ und ihre Freundligkeit vor eine Falscheit
ausdeutete; Weil er dann seinen Begierden nicht mehr zugebieten wuste/ ließ er sich vor
dißmahl mit solcher Heftigkeit heraus/ daß nach geendeter Rede er in Ohmacht fiel/ mit sei-
nem Häupte in ihre Schos nidersank/ und die Leidensträhnen ihm aus den Augen hervor
brachen; dessen das Fräulein/ weil es ihr ganz unvermuhtlich kam/ zum höchsten erschrak/
und seine inbrünstige Liebe daher gnug abnehmen kunte/ wuste auch nicht/ wie sie sich hier-
in verhalten solte; doch rüttelte sie ihn so viel/ daß er als aus einem tieffen Schlaffe auff-
fuhr/ und mit schweren seuffzen sagete: O einzige Ursach meines Todes/ warumb gönnet

sie

Sechſtes Buch.
hen/ und trieben die Ubeltaͤhter ein ſolches Zetergeſchrey/ daß das Frauenzimmer Augen
und Ohren zuhielten/ und Frl. Sibylla inſonderheit ſo groſſes Mitleiden er[z]eigete/ daß ſie
von ihrer Gutſche ſtieg/ und die Groß Fürſtin untertaͤhnig baht/ die Richter dahin zuver-
moͤgen/ daß ſie durch einen ſchleunigen Tod der hefftigen Pein moͤchten entnommen wer-
den; welches ſie ihr dann nicht verſagen wolte; und ward dem Büttel der Befehl erteilet/
mit einem Speer ihnen das Herz durchzuſtechen. Als das Fraͤulein ſich wieder zu Sieg-
warden auffſetzete/ fing er dieſe Rede zu ihr an: Ach wie wunderlich ſpielet doch das Gluͤk
mit uns Menſchen auff dieſer Unterwelt! dieſen frechen Buben kan ſo hefftige Pein nicht
angeleget werden/ daß durch ihre Ubeltaht ſie nicht viel ein ſchaͤrfferes verdienet haͤtten/ uñ
gleichwol kan deren Leiden das Gemuͤht meiner hochwerten Fraͤulein dermaſſen zuꝛ barm-
herzigkeit bewaͤgen/ daß ſie ihnen den Jammer zukuͤrzen alle zulangende Mittel angewen-
det hat/ da hingegen ein ander/ der nur durch Gedanken und auffrichtige Liebe an ihrer voꝛ-
treffligkeit ſich vergriffen/ dieſelbe zu keinem Mitleiden reizen/ vielweniger einigen gegrün-
deten Troſt erlangen kan/ wie andaͤchtig und herzlich er gleich darumb anſuchet. Mein
Fraͤulein faſſet die Pein und Schmerzen dieſer gottloſen Raͤuber ſo hefftig zu Gemuͤht/
welche doch ertraͤglicher als die meinen ſind; dann ihr Leiden wird in kurzer Zeit durch den
Tod geendet/ da hingegen der erſchrekliche Peiniger meine Seele dergeſtalt ohn unterlaß
geiſſelt/ raͤdert und kreuziget/ daß ſie kein Augenblik Ruhe nehmẽ kan/ ſo lange mein hoͤchſt-
geliebtes Fraͤulein die Barmherzigkeit mir verſaget. Das Fraͤulein wuſte ihm hierauf nit
ſo ſchleunig zuantworten/ ſondern ſchwieg ein wenig ſtille/ deswegen eꝛ alſo fortfuhr: O ich
ungluͤkſeliger/ der ich weder Erlaſſung noch Urtel/ weder Gnade noch Straffe/ ja weder Zu-
ſage noch Abdankung erhalten kan! Erkuͤhnet euch doch/ mein Fraͤulein/ durch Brechung
des Stabes/ das iſt/ durch ausdruͤkliche Verwegerung eurer Liebe und Gunſt/ mir meines
Lebens Ende anzudeuten/ wann ja wegen meiner gar zu verwerflichen Unvolkommenhei-
ten deren Hulde und Begünſtigung ich zu unwirdig bin; Ich wil die Urtel meiner gar zu
kuͤhnen Liebe beſtaͤndig anhoͤren/ und deren Volſtreckung auch mit dieſer meiner Hand zu
verrichten nicht unwillig ſeyn/ umb zubezeugen/ daß wann ich lebendig nicht gehorſamen
kan/ ich dannoch durch Leiſtung ihres begehrens andeuten wil/ und ein unfehlbahres Zeug-
niß hinter mir verlaſſen/ daß mein Herz und Seele ſich ihrem Befehl allerdinge unterworf-
fen habe. Dieſe Rede brachte der Fuͤrſt aus halb verzweifeltem Herzen vor/ weil ihm dieſe
Nacht unterſchiedliche Einbildungen vorkommen wahren/ er wuͤrde von dem Fraͤulein
und ihren Anverwanten mit guten Worten hingehalten/ und am Ende ſchimpflich abge-
wieſen werden/ welches ihm ſo ſteiff im Sinne lag/ daß er der Fraͤulein ſtilleſchweigen vor
eine Ungunſt/ ihre Reden vor eine Auftreiberey/ und ihre Freundligkeit vor eine Falſcheit
ausdeutete; Weil er dann ſeinen Begierden nicht mehr zugebieten wuſte/ ließ er ſich vor
dißmahl mit ſolcher Heftigkeit heraus/ daß nach geendeter Rede er in Ohmacht fiel/ mit ſei-
nem Haͤupte in ihre Schos niderſank/ und die Leidenstraͤhnen ihm aus den Augen hervor
brachen; deſſen das Fraͤulein/ weil es ihr ganz unvermuhtlich kam/ zum hoͤchſten erſchrak/
und ſeine inbruͤnſtige Liebe daher gnug abnehmen kunte/ wuſte auch nicht/ wie ſie ſich hier-
in verhalten ſolte; doch ruͤttelte ſie ihn ſo viel/ daß er als aus einem tieffen Schlaffe auff-
fuhr/ und mit ſchweren ſeuffzen ſagete: O einzige Urſach meines Todes/ warumb goͤnnet

ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
hen/ und trieben die Ubelta&#x0364;hter ein &#x017F;olches Zeterge&#x017F;chrey/ daß das Frauenzimmer Augen<lb/>
und Ohren zuhielten/ und Frl. Sibylla in&#x017F;onderheit &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;es Mitleiden er<supplied>z</supplied>eigete/ daß &#x017F;ie<lb/>
von ihrer Gut&#x017F;che &#x017F;tieg/ und die Groß Für&#x017F;tin unterta&#x0364;hnig baht/ die Richter dahin zuver-<lb/>
mo&#x0364;gen/ daß &#x017F;ie durch einen &#x017F;chleunigen Tod der hefftigen Pein mo&#x0364;chten entnommen wer-<lb/>
den; welches &#x017F;ie ihr dann nicht ver&#x017F;agen wolte; und ward dem Büttel der Befehl erteilet/<lb/>
mit einem Speer ihnen das Herz durchzu&#x017F;techen. Als das Fra&#x0364;ulein &#x017F;ich wieder zu Sieg-<lb/>
warden auff&#x017F;etzete/ fing er die&#x017F;e Rede zu ihr an: Ach wie wunderlich &#x017F;pielet doch das Glu&#x0364;k<lb/>
mit uns Men&#x017F;chen auff die&#x017F;er Unterwelt! die&#x017F;en frechen Buben kan &#x017F;o hefftige Pein nicht<lb/>
angeleget werden/ daß durch ihre Ubeltaht &#x017F;ie nicht viel ein &#x017F;cha&#x0364;rfferes verdienet ha&#x0364;tten/ un&#x0303;<lb/>
gleichwol kan deren Leiden das Gemu&#x0364;ht meiner hochwerten Fra&#x0364;ulein derma&#x017F;&#x017F;en zu&#xA75B; barm-<lb/>
herzigkeit bewa&#x0364;gen/ daß &#x017F;ie ihnen den Jammer zuku&#x0364;rzen alle zulangende Mittel angewen-<lb/>
det hat/ da hingegen ein ander/ der nur durch Gedanken und auffrichtige Liebe an ihrer vo&#xA75B;-<lb/>
treffligkeit &#x017F;ich vergriffen/ die&#x017F;elbe zu keinem Mitleiden reizen/ vielweniger einigen gegrün-<lb/>
deten Tro&#x017F;t erlangen kan/ wie anda&#x0364;chtig und herzlich er gleich darumb an&#x017F;uchet. Mein<lb/>
Fra&#x0364;ulein fa&#x017F;&#x017F;et die Pein und Schmerzen die&#x017F;er gottlo&#x017F;en Ra&#x0364;uber &#x017F;o hefftig zu Gemu&#x0364;ht/<lb/>
welche doch ertra&#x0364;glicher als die meinen &#x017F;ind; dann ihr Leiden wird in kurzer Zeit durch den<lb/>
Tod geendet/ da hingegen der er&#x017F;chrekliche Peiniger meine Seele derge&#x017F;talt ohn unterlaß<lb/>
gei&#x017F;&#x017F;elt/ ra&#x0364;dert und kreuziget/ daß &#x017F;ie kein Augenblik Ruhe nehme&#x0303; kan/ &#x017F;o lange mein ho&#x0364;ch&#x017F;t-<lb/>
geliebtes Fra&#x0364;ulein die Barmherzigkeit mir ver&#x017F;aget. Das Fra&#x0364;ulein wu&#x017F;te ihm hierauf nit<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chleunig zuantworten/ &#x017F;ondern &#x017F;chwieg ein wenig &#x017F;tille/ deswegen e&#xA75B; al&#x017F;o fortfuhr: O ich<lb/>
unglu&#x0364;k&#x017F;eliger/ der ich weder Erla&#x017F;&#x017F;ung noch Urtel/ weder Gnade noch Straffe/ ja weder Zu-<lb/>
&#x017F;age noch Abdankung erhalten kan! Erku&#x0364;hnet euch doch/ mein Fra&#x0364;ulein/ durch Brechung<lb/>
des Stabes/ das i&#x017F;t/ durch ausdru&#x0364;kliche Verwegerung eurer Liebe und Gun&#x017F;t/ mir meines<lb/>
Lebens Ende anzudeuten/ wann ja wegen meiner gar zu verwerflichen Unvolkommenhei-<lb/>
ten deren Hulde und Begün&#x017F;tigung ich zu unwirdig bin; Ich wil die Urtel meiner gar zu<lb/>
ku&#x0364;hnen Liebe be&#x017F;ta&#x0364;ndig anho&#x0364;ren/ und deren Vol&#x017F;treckung auch mit die&#x017F;er meiner Hand zu<lb/>
verrichten nicht unwillig &#x017F;eyn/ umb zubezeugen/ daß wann ich lebendig nicht gehor&#x017F;amen<lb/>
kan/ ich dannoch durch Lei&#x017F;tung ihres begehrens andeuten wil/ und ein unfehlbahres Zeug-<lb/>
niß hinter mir verla&#x017F;&#x017F;en/ daß mein Herz und Seele &#x017F;ich ihrem Befehl allerdinge unterworf-<lb/>
fen habe. Die&#x017F;e Rede brachte der Fu&#x0364;r&#x017F;t aus halb verzweifeltem Herzen vor/ weil ihm die&#x017F;e<lb/>
Nacht unter&#x017F;chiedliche Einbildungen vorkommen wahren/ er wu&#x0364;rde von dem Fra&#x0364;ulein<lb/>
und ihren Anverwanten mit guten Worten hingehalten/ und am Ende &#x017F;chimpflich abge-<lb/>
wie&#x017F;en werden/ welches ihm &#x017F;o &#x017F;teiff im Sinne lag/ daß er der Fra&#x0364;ulein &#x017F;tille&#x017F;chweigen vor<lb/>
eine Ungun&#x017F;t/ ihre Reden vor eine Auftreiberey/ und ihre Freundligkeit vor eine Fal&#x017F;cheit<lb/>
ausdeutete; Weil er dann &#x017F;einen Begierden nicht mehr zugebieten wu&#x017F;te/ ließ er &#x017F;ich vor<lb/>
dißmahl mit &#x017F;olcher Heftigkeit heraus/ daß nach geendeter Rede er in Ohmacht fiel/ mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Ha&#x0364;upte in ihre Schos nider&#x017F;ank/ und die Leidenstra&#x0364;hnen ihm aus den Augen hervor<lb/>
brachen; de&#x017F;&#x017F;en das Fra&#x0364;ulein/ weil es ihr ganz unvermuhtlich kam/ zum ho&#x0364;ch&#x017F;ten er&#x017F;chrak/<lb/>
und &#x017F;eine inbru&#x0364;n&#x017F;tige Liebe daher gnug abnehmen kunte/ wu&#x017F;te auch nicht/ wie &#x017F;ie &#x017F;ich hier-<lb/>
in verhalten &#x017F;olte; doch ru&#x0364;ttelte &#x017F;ie ihn &#x017F;o viel/ daß er als aus einem tieffen Schlaffe auff-<lb/>
fuhr/ und mit &#x017F;chweren &#x017F;euffzen &#x017F;agete: O einzige Ur&#x017F;ach meines Todes/ warumb go&#x0364;nnet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0306] Sechſtes Buch. hen/ und trieben die Ubeltaͤhter ein ſolches Zetergeſchrey/ daß das Frauenzimmer Augen und Ohren zuhielten/ und Frl. Sibylla inſonderheit ſo groſſes Mitleiden erzeigete/ daß ſie von ihrer Gutſche ſtieg/ und die Groß Fürſtin untertaͤhnig baht/ die Richter dahin zuver- moͤgen/ daß ſie durch einen ſchleunigen Tod der hefftigen Pein moͤchten entnommen wer- den; welches ſie ihr dann nicht verſagen wolte; und ward dem Büttel der Befehl erteilet/ mit einem Speer ihnen das Herz durchzuſtechen. Als das Fraͤulein ſich wieder zu Sieg- warden auffſetzete/ fing er dieſe Rede zu ihr an: Ach wie wunderlich ſpielet doch das Gluͤk mit uns Menſchen auff dieſer Unterwelt! dieſen frechen Buben kan ſo hefftige Pein nicht angeleget werden/ daß durch ihre Ubeltaht ſie nicht viel ein ſchaͤrfferes verdienet haͤtten/ uñ gleichwol kan deren Leiden das Gemuͤht meiner hochwerten Fraͤulein dermaſſen zuꝛ barm- herzigkeit bewaͤgen/ daß ſie ihnen den Jammer zukuͤrzen alle zulangende Mittel angewen- det hat/ da hingegen ein ander/ der nur durch Gedanken und auffrichtige Liebe an ihrer voꝛ- treffligkeit ſich vergriffen/ dieſelbe zu keinem Mitleiden reizen/ vielweniger einigen gegrün- deten Troſt erlangen kan/ wie andaͤchtig und herzlich er gleich darumb anſuchet. Mein Fraͤulein faſſet die Pein und Schmerzen dieſer gottloſen Raͤuber ſo hefftig zu Gemuͤht/ welche doch ertraͤglicher als die meinen ſind; dann ihr Leiden wird in kurzer Zeit durch den Tod geendet/ da hingegen der erſchrekliche Peiniger meine Seele dergeſtalt ohn unterlaß geiſſelt/ raͤdert und kreuziget/ daß ſie kein Augenblik Ruhe nehmẽ kan/ ſo lange mein hoͤchſt- geliebtes Fraͤulein die Barmherzigkeit mir verſaget. Das Fraͤulein wuſte ihm hierauf nit ſo ſchleunig zuantworten/ ſondern ſchwieg ein wenig ſtille/ deswegen eꝛ alſo fortfuhr: O ich ungluͤkſeliger/ der ich weder Erlaſſung noch Urtel/ weder Gnade noch Straffe/ ja weder Zu- ſage noch Abdankung erhalten kan! Erkuͤhnet euch doch/ mein Fraͤulein/ durch Brechung des Stabes/ das iſt/ durch ausdruͤkliche Verwegerung eurer Liebe und Gunſt/ mir meines Lebens Ende anzudeuten/ wann ja wegen meiner gar zu verwerflichen Unvolkommenhei- ten deren Hulde und Begünſtigung ich zu unwirdig bin; Ich wil die Urtel meiner gar zu kuͤhnen Liebe beſtaͤndig anhoͤren/ und deren Volſtreckung auch mit dieſer meiner Hand zu verrichten nicht unwillig ſeyn/ umb zubezeugen/ daß wann ich lebendig nicht gehorſamen kan/ ich dannoch durch Leiſtung ihres begehrens andeuten wil/ und ein unfehlbahres Zeug- niß hinter mir verlaſſen/ daß mein Herz und Seele ſich ihrem Befehl allerdinge unterworf- fen habe. Dieſe Rede brachte der Fuͤrſt aus halb verzweifeltem Herzen vor/ weil ihm dieſe Nacht unterſchiedliche Einbildungen vorkommen wahren/ er wuͤrde von dem Fraͤulein und ihren Anverwanten mit guten Worten hingehalten/ und am Ende ſchimpflich abge- wieſen werden/ welches ihm ſo ſteiff im Sinne lag/ daß er der Fraͤulein ſtilleſchweigen vor eine Ungunſt/ ihre Reden vor eine Auftreiberey/ und ihre Freundligkeit vor eine Falſcheit ausdeutete; Weil er dann ſeinen Begierden nicht mehr zugebieten wuſte/ ließ er ſich vor dißmahl mit ſolcher Heftigkeit heraus/ daß nach geendeter Rede er in Ohmacht fiel/ mit ſei- nem Haͤupte in ihre Schos niderſank/ und die Leidenstraͤhnen ihm aus den Augen hervor brachen; deſſen das Fraͤulein/ weil es ihr ganz unvermuhtlich kam/ zum hoͤchſten erſchrak/ und ſeine inbruͤnſtige Liebe daher gnug abnehmen kunte/ wuſte auch nicht/ wie ſie ſich hier- in verhalten ſolte; doch ruͤttelte ſie ihn ſo viel/ daß er als aus einem tieffen Schlaffe auff- fuhr/ und mit ſchweren ſeuffzen ſagete: O einzige Urſach meines Todes/ warumb goͤnnet ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/306
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/306>, abgerufen am 13.05.2024.