Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.Drittes Buch. erst ihren köstlichen Schein und rechtständige Glükseligkeit/ wann sie geläutert/ und vondem irdischen schwachen Leibe abgescheiden wird/ welches auch die einige bewägende Ur- sach ist/ daß wir Menschen uns von Leibes Wollust und Frecheit abzihen/ und der Tugend alle unsere Händel und Vornehmen widmen/ damit wir der künfftigen Glüseligkeit nicht mögen beraubet werden. Mazeus wunderte sich zum höchsten seiner vernünfftigen Reden/ und sagte zu ihm: Hochgeliebter Jüngling/ was vor gelehrte Unterweisungen haben eu- re Lehrmeister euch in solcher Jugend beygebracht/ die man bey den alten Weisen kaum suchen darff/ und gebe der Himmel/ daß ihr die vollkommenen Jahre erreichen/ und den so wol angefangenen Tugendlauff glüklich vollenden möget; Ich zweifele sonst gar nicht/ daß wann ich hundert Söhne eures gleichen hätte/ wolte ich durch eure Tugend ein Herr über die ganze Welt werden. Das würde schwerlich geschehen/ antwortete er; dann sie würden umb Herrschafft willen keinen Pfeil verschiessen/ und kein Schwert blössen/ sondern viel- lieber andern rechtmässigen Besitzern das ihre beschützen helffen. Solches würde ich sie selbst heissen/ sagte Mazeus; ich rede aber von ihrem Vermögen/ insonderheit/ da sie zu ih- ren vollen Kräfften kommen solten. Frl. Barsene wahr wegen des harten schreckens kaum wieder zu sich selbst kommen/ und hatte die Kühnheit nicht/ dem todten Tiger nahe zutreten/ biß Herkuliskus sagte: Hochgebornes Fräulein/ wie scheuhet sie sich doch fast mehr vor ihren todten als lebendigen Feind; dann wie sie die lezte im flihen wahr/ also ist sie die lezte im wie- derkehren. Als er dieses redete/ hörete er zugleich ein Geräusche in der Lufft/ und ward ge- wahr/ daß ein grosser Vogel nach einer Taube schoß/ und sie mit den Klauen fassete/ so be- richtete ihn Mazeus auff seine Frage/ es währe ein Adler/ deswegen er denselben eigentli- cher zubesehen/ den Bogen fassete/ und im Fluge ihn durch den Hals schoß/ daß er/ wiewol ausserhalb des Schlosses herunter fiel/ und die gefangene Taube unverlezt davon flog; wel- ches ein alter Kriegsknecht/ Nahmens Boges/ der auff der Schildwache stund/ ersehend/ aus weissagendem Geiste zu ihm sagete: Treflicher Jüngling/ gedenket an mich/ wann die- ses Vorbide an euch erfüllet wird; Dann der Adler ist der gröste Räuber im obern Reiche der Lufft/ und das Täublein das unschuldigste Tihrlein. Mazeus wahr gleich hingangen/ den Adler/ welcher noch lebete/ auffheben zulassen/ und hörete dieses Gespräch nicht/ deswe- gen Herkuliskus ihm desto kühner antwortete/ und zu ihm sagete: Mein Freund/ ob ihr der- eins mein Wolergehen erfahren würdet/ so sprechet mir zu/ ich wil euch diesen Trost unver- golten nicht lassen. Batis kam mit dem Adeler/ den er vollends zu tode geschlagen hatte/ dorther getreten/ und durffte öffentlich sagen/ er könte nicht gläuben/ daß folcher Schützen mehr in der ganzen Welt wären; dessen Herkuliskus nur lachete/ und ihn erinnerte/ er hätte gar nit gelernet/ in seinen Reden das Mittel zuhalten; dann/ sagte er/ es ist noch nicht gnug/ oder die höchste Kunst/ gewiß zu schiessen/ wann man fest stehet/ sondern da man zu Pferde sitzet/ und im vollen rennen dergleichen vorüber fliegende Dinge in der Lufft oder auff der Erden fellet; solches hat meiner Meynung nach etwas mehr auff sich/ und kenne ich einen meines Alters/ der sichs zur Unehr gerechnet hätte/ daß ihm ein Hase/ den er mit dem Pfer- de verfolgete/ solte entsprungen seyn/ wann ihm sein Boge zur Hand wahr; und daß ichs ohn Ruhm melde/ möchte ichs ehmahls auch zuzeiten geleistet haben. Ich halte dessen nichts mehr vor unmöglich/ antwortete Batis/ nach dem ich heut viel unmögliches gesehen habe. Hie- A a a a iij
Drittes Buch. erſt ihren koͤſtlichen Schein und rechtſtaͤndige Gluͤkſeligkeit/ wann ſie gelaͤutert/ und vondem irdiſchen ſchwachen Leibe abgeſcheiden wird/ welches auch die einige bewaͤgende Ur- ſach iſt/ daß wir Menſchen uns von Leibes Wolluſt und Frecheit abzihen/ und der Tugend alle unſere Haͤndel und Vornehmen widmen/ damit wir der kuͤnfftigen Gluͤſeligkeit nicht moͤgen beraubet werden. Mazeus wunderte ſich zum hoͤchſten ſeiner vernuͤnfftigen Redẽ/ und ſagte zu ihm: Hochgeliebter Juͤngling/ was vor gelehrte Unterweiſungen haben eu- re Lehrmeiſter euch in ſolcher Jugend beygebracht/ die man bey den alten Weiſen kaum ſuchen darff/ und gebe der Himmel/ daß ihr die vollkommenen Jahre erreichen/ und den ſo wol angefangenen Tugendlauff gluͤklich vollenden moͤget; Ich zweifele ſonſt gar nicht/ daß wann ich hundert Soͤhne eures gleichen haͤtte/ wolte ich durch eure Tugend ein Herꝛ uͤber die ganze Welt werden. Das wuͤrde ſchwerlich geſchehen/ antwortete er; dann ſie wuͤrdẽ umb Herrſchafft willen keinen Pfeil verſchieſſen/ und kein Schwert bloͤſſen/ ſondern viel- lieber andern rechtmaͤſſigen Beſitzern das ihre beſchuͤtzen helffen. Solches wuͤrde ich ſie ſelbſt heiſſen/ ſagte Mazeus; ich rede aber von ihrem Vermoͤgen/ inſonderheit/ da ſie zu ih- ren vollen Kraͤfften kommen ſolten. Frl. Barſene wahr wegen des harten ſchreckens kaum wieder zu ſich ſelbſt kommen/ und hatte die Kuͤhnheit nicht/ dem todten Tigeꝛ nahe zutreten/ biß Herkuliſkus ſagte: Hochgebornes Fraͤulein/ wie ſcheuhet ſie ſich doch faſt mehr vor ihrẽ todtẽ als lebendigen Feind; dann wie ſie die lezte im flihen wahr/ alſo iſt ſie die lezte im wie- derkehren. Als er dieſes redete/ hoͤrete er zugleich ein Geraͤuſche in der Lufft/ und ward ge- wahr/ daß ein groſſer Vogel nach einer Taube ſchoß/ und ſie mit den Klauen faſſete/ ſo be- richtete ihn Mazeus auff ſeine Frage/ es waͤhre ein Adler/ deswegen er denſelben eigentli- cher zubeſehen/ den Bogen faſſete/ und im Fluge ihn durch den Hals ſchoß/ daß er/ wiewol auſſerhalb des Schloſſes herunter fiel/ und die gefangene Taube unverlezt davon flog; wel- ches ein alter Kriegsknecht/ Nahmens Boges/ der auff der Schildwache ſtund/ erſehend/ aus weiſſagendem Geiſte zu ihm ſagete: Treflicher Juͤngling/ gedenket an mich/ wann die- ſes Vorbide an euch erfuͤllet wird; Dann der Adler iſt der groͤſte Raͤuber im obern Reiche der Lufft/ und das Taͤublein das unſchuldigſte Tihrlein. Mazeus wahr gleich hingangen/ den Adler/ welcher noch lebete/ auffheben zulaſſen/ und hoͤrete dieſes Geſpraͤch nicht/ deswe- gen Herkuliſkus ihm deſto kuͤhner antwortete/ und zu ihm ſagete: Mein Freund/ ob ihr deꝛ- eins mein Wolergehen erfahren wuͤrdet/ ſo ſprechet mir zu/ ich wil euch dieſen Tꝛoſt unveꝛ- golten nicht laſſen. Batis kam mit dem Adeler/ den er vollends zu tode geſchlagen hatte/ dorther getreten/ und durffte oͤffentlich ſagen/ er koͤnte nicht glaͤuben/ daß folcher Schuͤtzen mehr in der ganzen Welt waͤren; deſſen Herkuliſkus nur lachete/ und ihn eriñerte/ er haͤtte gaꝛ nit gelernet/ in ſeinen Reden das Mittel zuhalten; dann/ ſagte er/ es iſt noch nicht gnug/ oder die hoͤchſte Kunſt/ gewiß zu ſchieſſen/ wann man feſt ſtehet/ ſondern da man zu Pferde ſitzet/ und im vollen rennen dergleichen voruͤber fliegende Dinge in der Lufft oder auff der Erden fellet; ſolches hat meiner Meynung nach etwas mehr auff ſich/ und kenne ich einen meines Alters/ der ſichs zur Unehr gerechnet haͤtte/ daß ihm ein Haſe/ den er mit dem Pfer- de verfolgete/ ſolte entſprungen ſeyn/ wann ihm ſein Boge zur Hand wahr; und daß ichs ohn Ruhm melde/ moͤchte ichs ehmahls auch zuzeiten geleiſtet habẽ. Ich halte deſſen nichts mehr vor unmoͤglich/ antwortete Batis/ nach dem ich heut viel unmoͤgliches geſehen habe. Hie- A a a a iij
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Drittes Buch.
erſt ihren koͤſtlichen Schein und rechtſtaͤndige Gluͤkſeligkeit/ wann ſie gelaͤutert/ und von
dem irdiſchen ſchwachen Leibe abgeſcheiden wird/ welches auch die einige bewaͤgende Ur-
ſach iſt/ daß wir Menſchen uns von Leibes Wolluſt und Frecheit abzihen/ und der Tugend
alle unſere Haͤndel und Vornehmen widmen/ damit wir der kuͤnfftigen Gluͤſeligkeit nicht
moͤgen beraubet werden. Mazeus wunderte ſich zum hoͤchſten ſeiner vernuͤnfftigen Redẽ/
und ſagte zu ihm: Hochgeliebter Juͤngling/ was vor gelehrte Unterweiſungen haben eu-
re Lehrmeiſter euch in ſolcher Jugend beygebracht/ die man bey den alten Weiſen kaum
ſuchen darff/ und gebe der Himmel/ daß ihr die vollkommenen Jahre erreichen/ und den ſo
wol angefangenen Tugendlauff gluͤklich vollenden moͤget; Ich zweifele ſonſt gar nicht/ daß
wann ich hundert Soͤhne eures gleichen haͤtte/ wolte ich durch eure Tugend ein Herꝛ uͤber
die ganze Welt werden. Das wuͤrde ſchwerlich geſchehen/ antwortete er; dann ſie wuͤrdẽ
umb Herrſchafft willen keinen Pfeil verſchieſſen/ und kein Schwert bloͤſſen/ ſondern viel-
lieber andern rechtmaͤſſigen Beſitzern das ihre beſchuͤtzen helffen. Solches wuͤrde ich ſie
ſelbſt heiſſen/ ſagte Mazeus; ich rede aber von ihrem Vermoͤgen/ inſonderheit/ da ſie zu ih-
ren vollen Kraͤfften kommen ſolten. Frl. Barſene wahr wegen des harten ſchreckens kaum
wieder zu ſich ſelbſt kommen/ und hatte die Kuͤhnheit nicht/ dem todten Tigeꝛ nahe zutreten/
biß Herkuliſkus ſagte: Hochgebornes Fraͤulein/ wie ſcheuhet ſie ſich doch faſt mehr vor ihrẽ
todtẽ als lebendigen Feind; dann wie ſie die lezte im flihen wahr/ alſo iſt ſie die lezte im wie-
derkehren. Als er dieſes redete/ hoͤrete er zugleich ein Geraͤuſche in der Lufft/ und ward ge-
wahr/ daß ein groſſer Vogel nach einer Taube ſchoß/ und ſie mit den Klauen faſſete/ ſo be-
richtete ihn Mazeus auff ſeine Frage/ es waͤhre ein Adler/ deswegen er denſelben eigentli-
cher zubeſehen/ den Bogen faſſete/ und im Fluge ihn durch den Hals ſchoß/ daß er/ wiewol
auſſerhalb des Schloſſes herunter fiel/ und die gefangene Taube unverlezt davon flog; wel-
ches ein alter Kriegsknecht/ Nahmens Boges/ der auff der Schildwache ſtund/ erſehend/
aus weiſſagendem Geiſte zu ihm ſagete: Treflicher Juͤngling/ gedenket an mich/ wann die-
ſes Vorbide an euch erfuͤllet wird; Dann der Adler iſt der groͤſte Raͤuber im obern Reiche
der Lufft/ und das Taͤublein das unſchuldigſte Tihrlein. Mazeus wahr gleich hingangen/
den Adler/ welcher noch lebete/ auffheben zulaſſen/ und hoͤrete dieſes Geſpraͤch nicht/ deswe-
gen Herkuliſkus ihm deſto kuͤhner antwortete/ und zu ihm ſagete: Mein Freund/ ob ihr deꝛ-
eins mein Wolergehen erfahren wuͤrdet/ ſo ſprechet mir zu/ ich wil euch dieſen Tꝛoſt unveꝛ-
golten nicht laſſen. Batis kam mit dem Adeler/ den er vollends zu tode geſchlagen hatte/
dorther getreten/ und durffte oͤffentlich ſagen/ er koͤnte nicht glaͤuben/ daß folcher Schuͤtzen
mehr in der ganzen Welt waͤren; deſſen Herkuliſkus nur lachete/ und ihn eriñerte/ er haͤtte
gaꝛ nit gelernet/ in ſeinen Reden das Mittel zuhalten; dann/ ſagte er/ es iſt noch nicht gnug/
oder die hoͤchſte Kunſt/ gewiß zu ſchieſſen/ wann man feſt ſtehet/ ſondern da man zu Pferde
ſitzet/ und im vollen rennen dergleichen voruͤber fliegende Dinge in der Lufft oder auff der
Erden fellet; ſolches hat meiner Meynung nach etwas mehr auff ſich/ und kenne ich einen
meines Alters/ der ſichs zur Unehr gerechnet haͤtte/ daß ihm ein Haſe/ den er mit dem Pfer-
de verfolgete/ ſolte entſprungen ſeyn/ wann ihm ſein Boge zur Hand wahr; und daß ichs
ohn Ruhm melde/ moͤchte ichs ehmahls auch zuzeiten geleiſtet habẽ. Ich halte deſſen nichts
mehr vor unmoͤglich/ antwortete Batis/ nach dem ich heut viel unmoͤgliches geſehen habe.
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/595>, abgerufen am 31.07.2024. |