Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.Drittes Buch. zu wissen begehrete/ gab er sich vor eines vornehmen Teutschen Herrn Sohn aus/ welchervor wenig Jahren im Treffen wieder die Römer/ als Feld Obrister über ein grosses Kriegs- heer/ sein Leben ritterlich eingebüsset/ nach dem er etliche tausend der Feinde erleget/ und seinem Könige einen herlichen Sieg erhalten; seine Mutter währe annoch im Leben/ de- ren ohn das trauriger Witwenstand durch seinen Verlust nicht wenig würde beängstet seyn/ hoffete dannoch/ sie würde sich auch in Gottes Willen zu schicken wissen/ weil dessen Almacht ihn so leicht wieder nach Hause bringen könte/ als sie ihn in die Fremde geführet hätte. Wie aber sagte Mazeus/ wann die Götter solches nicht versehen hätten/ und ihr in diesen Ländern bleiben müstet? Dann werde ich viel zu wenig seyn/ antwortete er/ ihren Vorsaz oder Schluß zubrechen; wann es aber Sitte in diesen Landen währe/ durch eine ritterliche kühne Taht/ oder Kampf mit einem Ritter oder wilden grimmigen Tihre die Freiheit zuerstreiten/ wie solches bey uns der Brauch wol ist/ dann wolte ich hoffen/ mein Vaterland bald wieder zu sehen. Mazeus schrieb diese Reden seiner Jugend zu/ und sagte mit lachenden Worten: Ja lieber Jüngling/ es gibt hier zu Lande starke Kämpfer/ und grausame wilde Tihre/ welche durch Schönheit nicht können gefellet werden. Verflucht sey/ der sich auff Schönheit verlässet/ antwortete er; ich wolte mich trauen meiner Kühn- heit und Hände gebrauchen/ da mirs so gut werden könte. Euer Herz ist gut/ sagte Mazeus/ aber die Jahre fehlen euch noch. Jahre schlagen niemand/ antwortete er/ sondern ein freu- diges Herz/ daß die Fäuste zugebrauchen weiß/ und durch Vernunfft ersetzen kan/ was den Leibeskräfften mangelt. Mazeus gedachte/ dieser Knabe müste ehmahls treffliche Män- ner also haben reden hören/ denen er nachaffete/ suchte auch Gelegenheit/ ihn zu prüfen/ und durch anlauff eines wilden Tihres zu erschrecken/ deßwegen er nach gehaltener Mahlzeit mit ihm in dem Garten inwendig des Schlosses zur Lust umbher ging. Er hatte aber ei- nen von Jugend auff gezähmeten sehr grossen Löuen/ der also abgerichtet wahr/ daß er ihn mit einem Worte entrüsten/ und mit dem andern im Augenblik stillen kunte; diesen ließ er heimlich in den Garten führen/ folgete auch bald selber nach mit einem Seitengewehr/ wel- ches Herkuliskus ihm nachzutragen sich anerboht. Unter dem hin und wiedergehen frage- te er nach allerhand neues/ so in Teutschland vorginge/ biß er den Löuen von ferne daher springen sahe/ da sagte er zu ihm: Geliebter Jüngling/ sehet ihr den Löuen dort gegen uns daher eilen? geschwinde/ und lasset uns flihen. Mein Herr/ antwortete er/ rettet euch/ ich wil das Tihr auffhalten; lief ohn ferneres Wort sprechen zu ihm ein/ fassete das Schwert/ und stellete sich neben einen Baum/ seiner Ankunft daselbst mit frischem Angesicht erwar- tend. Mazeus entsetzete sich vor dieser Kühnheit/ und rief dem Löuen zu/ welcher seines H. Stimme erkennete/ von Herkuliskus ablies und zu ihm nahete/ der seine Anstellung zu ver- decken/ zu ihm sagte: Herzhafter Jüngling/ es ist mir lieb/ daß ich geirret habe/ indem ich anfangs diesen Löuen vor einen unbendigen gehalten/ und nun zu eurem und meinem Glük sehe/ daß es mein gezähmter ist. So ist mir solches nicht weniger lieb/ antwortete er/ und währe immer schade/ daß ich ein so wol abgerichtetes Tihr hätte erschlagen sollen/ da ich ihm schon einen solchen Streich über den Rachen zugemässen hatte/ daß ihm die Zunge bald vor den Füssen solte gelegen haben; trat mit diesem Worte dem L[e]uen näher/ und strich ihm mit der Hand über das Häupt/ welches ihm Mazeus verboht/ weil er sich be- fürch-
Drittes Buch. zu wiſſen begehrete/ gab er ſich vor eines vornehmen Teutſchen Herrn Sohn aus/ welcheꝛvor wenig Jahren im Treffen wieder die Roͤmer/ als Feld Obriſteꝛ uͤber ein groſſes Kriegs- heer/ ſein Leben ritterlich eingebuͤſſet/ nach dem er etliche tauſend der Feinde erleget/ und ſeinem Koͤnige einen herlichen Sieg erhalten; ſeine Mutter waͤhre annoch im Leben/ de- ren ohn das trauriger Witwenſtand durch ſeinen Verluſt nicht wenig wuͤrde beaͤngſtet ſeyn/ hoffete dannoch/ ſie wuͤrde ſich auch in Gottes Willen zu ſchicken wiſſen/ weil deſſen Almacht ihn ſo leicht wieder nach Hauſe bringen koͤnte/ als ſie ihn in die Fremde gefuͤhret haͤtte. Wie aber ſagte Mazeus/ wann die Goͤtter ſolches nicht verſehen haͤtten/ und ihr in dieſen Laͤndern bleiben muͤſtet? Dann werde ich viel zu wenig ſeyn/ antwortete er/ ihren Vorſaz oder Schluß zubrechen; wann es aber Sitte in dieſen Landen waͤhre/ durch eine ritterliche kuͤhne Taht/ oder Kampf mit einem Ritter oder wilden grimmigen Tihre die Freiheit zuerſtreiten/ wie ſolches bey uns der Brauch wol iſt/ dann wolte ich hoffen/ mein Vaterland bald wieder zu ſehen. Mazeus ſchrieb dieſe Reden ſeiner Jugend zu/ und ſagte mit lachenden Worten: Ja lieber Juͤngling/ es gibt hier zu Lande ſtarke Kaͤmpfer/ und grauſame wilde Tihre/ welche durch Schoͤnheit nicht koͤnnen gefellet werden. Verflucht ſey/ der ſich auff Schoͤnheit verlaͤſſet/ antwortete er; ich wolte mich trauen meiner Kuͤhn- heit und Haͤnde gebrauchẽ/ da mirs ſo gut werden koͤnte. Euer Herz iſt gut/ ſagte Mazeus/ aber die Jahre fehlen euch noch. Jahre ſchlagen niemand/ antwortete er/ ſondern ein freu- diges Herz/ daß die Faͤuſte zugebrauchen weiß/ und durch Vernunfft erſetzen kan/ was den Leibeskraͤfften mangelt. Mazeus gedachte/ dieſer Knabe muͤſte ehmahls treffliche Maͤn- ner alſo haben reden hoͤren/ denen er nachaffete/ ſuchte auch Gelegenheit/ ihn zu pruͤfen/ uñ durch anlauff eines wilden Tihres zu erſchrecken/ deßwegen er nach gehaltener Mahlzeit mit ihm in dem Garten inwendig des Schloſſes zur Luſt umbher ging. Er hatte aber ei- nen von Jugend auff gezaͤhmeten ſehr groſſen Loͤuen/ der alſo abgerichtet wahr/ daß er ihn mit einem Worte entruͤſten/ und mit dem andern im Augenblik ſtillen kunte; dieſen ließ er heimlich in den Garten fuͤhren/ folgete auch bald ſelber nach mit einem Seitengewehr/ wel- ches Herkuliſkus ihm nachzutragen ſich anerboht. Unter dem hin und wiedergehen frage- te er nach allerhand neues/ ſo in Teutſchland vorginge/ biß er den Loͤuen von ferne daher ſpringen ſahe/ da ſagte er zu ihm: Geliebter Juͤngling/ ſehet ihr den Loͤuen dort gegen uns daher eilen? geſchwinde/ und laſſet uns flihen. Mein Herꝛ/ antwortete er/ rettet euch/ ich wil das Tihr auffhalten; lief ohn ferneres Wort ſprechen zu ihm ein/ faſſete das Schwert/ und ſtellete ſich neben einen Baum/ ſeiner Ankunft daſelbſt mit friſchem Angeſicht erwar- tend. Mazeus entſetzete ſich vor dieſer Kuͤhnheit/ und rief dem Loͤuen zu/ welcher ſeines H. Stimme erkennete/ von Herkuliſkus ablies und zu ihm nahete/ der ſeine Anſtellung zu ver- decken/ zu ihm ſagte: Herzhafter Juͤngling/ es iſt mir lieb/ daß ich geirret habe/ indem ich anfangs dieſen Loͤuen vor einen unbendigen gehalten/ und nun zu eurem uñ meinem Gluͤk ſehe/ daß es mein gezaͤhmter iſt. So iſt mir ſolches nicht weniger lieb/ antwortete er/ und waͤhre immer ſchade/ daß ich ein ſo wol abgerichtetes Tihr haͤtte erſchlagen ſollen/ da ich ihm ſchon einen ſolchen Streich uͤber den Rachen zugemaͤſſen hatte/ daß ihm die Zunge bald vor den Fuͤſſen ſolte gelegen haben; trat mit dieſem Worte dem L[e]uen naͤher/ und ſtrich ihm mit der Hand uͤber das Haͤupt/ welches ihm Mazeus verboht/ weil er ſich be- fuͤrch-
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Drittes Buch.
zu wiſſen begehrete/ gab er ſich vor eines vornehmen Teutſchen Herrn Sohn aus/ welcheꝛ
vor wenig Jahren im Treffen wieder die Roͤmer/ als Feld Obriſteꝛ uͤber ein groſſes Kriegs-
heer/ ſein Leben ritterlich eingebuͤſſet/ nach dem er etliche tauſend der Feinde erleget/ und
ſeinem Koͤnige einen herlichen Sieg erhalten; ſeine Mutter waͤhre annoch im Leben/ de-
ren ohn das trauriger Witwenſtand durch ſeinen Verluſt nicht wenig wuͤrde beaͤngſtet
ſeyn/ hoffete dannoch/ ſie wuͤrde ſich auch in Gottes Willen zu ſchicken wiſſen/ weil deſſen
Almacht ihn ſo leicht wieder nach Hauſe bringen koͤnte/ als ſie ihn in die Fremde gefuͤhret
haͤtte. Wie aber ſagte Mazeus/ wann die Goͤtter ſolches nicht verſehen haͤtten/ und ihr in
dieſen Laͤndern bleiben muͤſtet? Dann werde ich viel zu wenig ſeyn/ antwortete er/ ihren
Vorſaz oder Schluß zubrechen; wann es aber Sitte in dieſen Landen waͤhre/ durch eine
ritterliche kuͤhne Taht/ oder Kampf mit einem Ritter oder wilden grimmigen Tihre die
Freiheit zuerſtreiten/ wie ſolches bey uns der Brauch wol iſt/ dann wolte ich hoffen/ mein
Vaterland bald wieder zu ſehen. Mazeus ſchrieb dieſe Reden ſeiner Jugend zu/ und ſagte
mit lachenden Worten: Ja lieber Juͤngling/ es gibt hier zu Lande ſtarke Kaͤmpfer/ und
grauſame wilde Tihre/ welche durch Schoͤnheit nicht koͤnnen gefellet werden. Verflucht
ſey/ der ſich auff Schoͤnheit verlaͤſſet/ antwortete er; ich wolte mich trauen meiner Kuͤhn-
heit und Haͤnde gebrauchẽ/ da mirs ſo gut werden koͤnte. Euer Herz iſt gut/ ſagte Mazeus/
aber die Jahre fehlen euch noch. Jahre ſchlagen niemand/ antwortete er/ ſondern ein freu-
diges Herz/ daß die Faͤuſte zugebrauchen weiß/ und durch Vernunfft erſetzen kan/ was den
Leibeskraͤfften mangelt. Mazeus gedachte/ dieſer Knabe muͤſte ehmahls treffliche Maͤn-
ner alſo haben reden hoͤren/ denen er nachaffete/ ſuchte auch Gelegenheit/ ihn zu pruͤfen/ uñ
durch anlauff eines wilden Tihres zu erſchrecken/ deßwegen er nach gehaltener Mahlzeit
mit ihm in dem Garten inwendig des Schloſſes zur Luſt umbher ging. Er hatte aber ei-
nen von Jugend auff gezaͤhmeten ſehr groſſen Loͤuen/ der alſo abgerichtet wahr/ daß er ihn
mit einem Worte entruͤſten/ und mit dem andern im Augenblik ſtillen kunte; dieſen ließ er
heimlich in den Garten fuͤhren/ folgete auch bald ſelber nach mit einem Seitengewehr/ wel-
ches Herkuliſkus ihm nachzutragen ſich anerboht. Unter dem hin und wiedergehen frage-
te er nach allerhand neues/ ſo in Teutſchland vorginge/ biß er den Loͤuen von ferne daher
ſpringen ſahe/ da ſagte er zu ihm: Geliebter Juͤngling/ ſehet ihr den Loͤuen dort gegen uns
daher eilen? geſchwinde/ und laſſet uns flihen. Mein Herꝛ/ antwortete er/ rettet euch/ ich
wil das Tihr auffhalten; lief ohn ferneres Wort ſprechen zu ihm ein/ faſſete das Schwert/
und ſtellete ſich neben einen Baum/ ſeiner Ankunft daſelbſt mit friſchem Angeſicht erwar-
tend. Mazeus entſetzete ſich vor dieſer Kuͤhnheit/ und rief dem Loͤuen zu/ welcher ſeines H.
Stimme erkennete/ von Herkuliſkus ablies und zu ihm nahete/ der ſeine Anſtellung zu ver-
decken/ zu ihm ſagte: Herzhafter Juͤngling/ es iſt mir lieb/ daß ich geirret habe/ indem ich
anfangs dieſen Loͤuen vor einen unbendigen gehalten/ und nun zu eurem uñ meinem Gluͤk
ſehe/ daß es mein gezaͤhmter iſt. So iſt mir ſolches nicht weniger lieb/ antwortete er/ und
waͤhre immer ſchade/ daß ich ein ſo wol abgerichtetes Tihr haͤtte erſchlagen ſollen/ da ich
ihm ſchon einen ſolchen Streich uͤber den Rachen zugemaͤſſen hatte/ daß ihm die Zunge
bald vor den Fuͤſſen ſolte gelegen haben; trat mit dieſem Worte dem Leuen naͤher/ und
ſtrich ihm mit der Hand uͤber das Haͤupt/ welches ihm Mazeus verboht/ weil er ſich be-
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/588>, abgerufen am 18.06.2024. |