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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 69. Die Amtshoheit.
dario bezeichnet wurde 18. Ihm verblieben diesfalls, wie nach den
römischen Ordnungen, die äusserlichen Ehrenzeichen des Amtes 19.

Im siebenten Jahrhundert ist die befristete Ernennung verschwun-
den 20 und beginnt die hohe Amtsaristokratie sich gegen die Absetz-
barkeit sicherzustellen. Schon 613 liess sich ein Hausmeier vom König
die Unabsetzbarkeit geloben 21. Im Jahre 642 erwirkten die Herzoge
und Bischöfe Burgunds von dem damaligen Machthaber, dem Haus-
meier Flachoad, das schriftliche und eidliche Versprechen, dass er jedem
von ihnen Amt und Würde auf die Dauer belassen werde 22. Gegen
Ausgang des siebenten und zu Anfang des achten Jahrhunderts war
einerseits das wichtigste Amt der Centralverwaltung, das Hausmeier-
tum, andererseits in verschiedenen Teilen des Reiches das höchste
Amt der Provinzialverwaltung, das Herzogtum, zu staatsrechtlich an-
erkannter Erblichkeit gelangt.

Die Karolinger bewerkstelligten eine Reform des unter den Mero-
wingern völlig verwilderten Beamtentums. Als eines der Mittel stren-
gerer Unterordnung diente ihnen die Massregel, dass sie die höheren
Ämter zum Teil mit ihren Vassallen besetzten und den Eintritt von
höheren Beamten in die Vassallität beförderten oder veranlassten.
Schon Karl Martell suchte seine Herrschaft in Burgund dadurch zu
befestigen, dass er Vassallen als Beamte einsetzte 23. Tassilo hat als
Herzog von Baiern mehrfach den Vassalleneid geleistet 24. Im neunten
Jahrhundert griff die Feudalisierung des Ämterwesens zunächst in
Westfrancien rasch um sich 25. Ausserdem haben es die ersten Karolinger
verstanden, das Beamtentum unter scharfe Kontrolle zu stellen. Nament-
lich wirksam war in dieser Beziehung das missatische Institut. Doch
ist die Zucht, in der Karl der Grosse seine Beamten hielt, schon in

18 Fredegar kennt diesen Sprachgebrauch nicht mehr, wie ihn Gregor von
Tours hat.
19 Vom exdomesticus Leonardus erzählt Gregor von Tours, Hist. Franc. VII 15,
dass Fredegunde, furore commota, ihn nudatum vestimentis ac balteo, quod ex mu-
nere Chilperici regis habebat, discedere a sua (iussit) praesentia. Leonardus hatte
als exdomesticus die Amtsinsignien beibehalten. Über den entsprechenden römi-
schen Brauch siehe Karlowa, Römische Rechtsgeschichte I 870.
20 Das Ernennungspatent bei Marculf I 8 enthält keine Beschränkung der
Amtsdauer.
21 Siehe unten § 72.
22 Fredegar IV 89.
23 Fredegarii Cont. 14. 18. Siehe Waitz, VG III 17. Z2 f. RG VIII 31 ff.
24 Annal. Lauriss. maiores z. J. 757 (oben S. 62, Anm. 30). 781. 787. Ein
hard, Vita Karoli c. 11.
25 Siehe unten § 91. Über den Centenar § 82.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 6

§ 69. Die Amtshoheit.
dario bezeichnet wurde 18. Ihm verblieben diesfalls, wie nach den
römischen Ordnungen, die äuſserlichen Ehrenzeichen des Amtes 19.

Im siebenten Jahrhundert ist die befristete Ernennung verschwun-
den 20 und beginnt die hohe Amtsaristokratie sich gegen die Absetz-
barkeit sicherzustellen. Schon 613 lieſs sich ein Hausmeier vom König
die Unabsetzbarkeit geloben 21. Im Jahre 642 erwirkten die Herzoge
und Bischöfe Burgunds von dem damaligen Machthaber, dem Haus-
meier Flachoad, das schriftliche und eidliche Versprechen, daſs er jedem
von ihnen Amt und Würde auf die Dauer belassen werde 22. Gegen
Ausgang des siebenten und zu Anfang des achten Jahrhunderts war
einerseits das wichtigste Amt der Centralverwaltung, das Hausmeier-
tum, andererseits in verschiedenen Teilen des Reiches das höchste
Amt der Provinzialverwaltung, das Herzogtum, zu staatsrechtlich an-
erkannter Erblichkeit gelangt.

Die Karolinger bewerkstelligten eine Reform des unter den Mero-
wingern völlig verwilderten Beamtentums. Als eines der Mittel stren-
gerer Unterordnung diente ihnen die Maſsregel, daſs sie die höheren
Ämter zum Teil mit ihren Vassallen besetzten und den Eintritt von
höheren Beamten in die Vassallität beförderten oder veranlaſsten.
Schon Karl Martell suchte seine Herrschaft in Burgund dadurch zu
befestigen, daſs er Vassallen als Beamte einsetzte 23. Tassilo hat als
Herzog von Baiern mehrfach den Vassalleneid geleistet 24. Im neunten
Jahrhundert griff die Feudalisierung des Ämterwesens zunächst in
Westfrancien rasch um sich 25. Auſserdem haben es die ersten Karolinger
verstanden, das Beamtentum unter scharfe Kontrolle zu stellen. Nament-
lich wirksam war in dieser Beziehung das missatische Institut. Doch
ist die Zucht, in der Karl der Groſse seine Beamten hielt, schon in

18 Fredegar kennt diesen Sprachgebrauch nicht mehr, wie ihn Gregor von
Tours hat.
19 Vom exdomesticus Leonardus erzählt Gregor von Tours, Hist. Franc. VII 15,
daſs Fredegunde, furore commota, ihn nudatum vestimentis ac balteo, quod ex mu-
nere Chilperici regis habebat, discedere a sua (iussit) praesentia. Leonardus hatte
als exdomesticus die Amtsinsignien beibehalten. Über den entsprechenden römi-
schen Brauch siehe Karlowa, Römische Rechtsgeschichte I 870.
20 Das Ernennungspatent bei Marculf I 8 enthält keine Beschränkung der
Amtsdauer.
21 Siehe unten § 72.
22 Fredegar IV 89.
23 Fredegarii Cont. 14. 18. Siehe Waitz, VG III 17. Z2 f. RG VIII 31 ff.
24 Annal. Lauriss. maiores z. J. 757 (oben S. 62, Anm. 30). 781. 787. Ein
hard, Vita Karoli c. 11.
25 Siehe unten § 91. Über den Centenar § 82.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 6
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[81/0099] § 69. Die Amtshoheit. dario bezeichnet wurde 18. Ihm verblieben diesfalls, wie nach den römischen Ordnungen, die äuſserlichen Ehrenzeichen des Amtes 19. Im siebenten Jahrhundert ist die befristete Ernennung verschwun- den 20 und beginnt die hohe Amtsaristokratie sich gegen die Absetz- barkeit sicherzustellen. Schon 613 lieſs sich ein Hausmeier vom König die Unabsetzbarkeit geloben 21. Im Jahre 642 erwirkten die Herzoge und Bischöfe Burgunds von dem damaligen Machthaber, dem Haus- meier Flachoad, das schriftliche und eidliche Versprechen, daſs er jedem von ihnen Amt und Würde auf die Dauer belassen werde 22. Gegen Ausgang des siebenten und zu Anfang des achten Jahrhunderts war einerseits das wichtigste Amt der Centralverwaltung, das Hausmeier- tum, andererseits in verschiedenen Teilen des Reiches das höchste Amt der Provinzialverwaltung, das Herzogtum, zu staatsrechtlich an- erkannter Erblichkeit gelangt. Die Karolinger bewerkstelligten eine Reform des unter den Mero- wingern völlig verwilderten Beamtentums. Als eines der Mittel stren- gerer Unterordnung diente ihnen die Maſsregel, daſs sie die höheren Ämter zum Teil mit ihren Vassallen besetzten und den Eintritt von höheren Beamten in die Vassallität beförderten oder veranlaſsten. Schon Karl Martell suchte seine Herrschaft in Burgund dadurch zu befestigen, daſs er Vassallen als Beamte einsetzte 23. Tassilo hat als Herzog von Baiern mehrfach den Vassalleneid geleistet 24. Im neunten Jahrhundert griff die Feudalisierung des Ämterwesens zunächst in Westfrancien rasch um sich 25. Auſserdem haben es die ersten Karolinger verstanden, das Beamtentum unter scharfe Kontrolle zu stellen. Nament- lich wirksam war in dieser Beziehung das missatische Institut. Doch ist die Zucht, in der Karl der Groſse seine Beamten hielt, schon in 18 Fredegar kennt diesen Sprachgebrauch nicht mehr, wie ihn Gregor von Tours hat. 19 Vom exdomesticus Leonardus erzählt Gregor von Tours, Hist. Franc. VII 15, daſs Fredegunde, furore commota, ihn nudatum vestimentis ac balteo, quod ex mu- nere Chilperici regis habebat, discedere a sua (iussit) praesentia. Leonardus hatte als exdomesticus die Amtsinsignien beibehalten. Über den entsprechenden römi- schen Brauch siehe Karlowa, Römische Rechtsgeschichte I 870. 20 Das Ernennungspatent bei Marculf I 8 enthält keine Beschränkung der Amtsdauer. 21 Siehe unten § 72. 22 Fredegar IV 89. 23 Fredegarii Cont. 14. 18. Siehe Waitz, VG III 17. Z2 f. RG VIII 31 ff. 24 Annal. Lauriss. maiores z. J. 757 (oben S. 62, Anm. 30). 781. 787. Ein hard, Vita Karoli c. 11. 25 Siehe unten § 91. Über den Centenar § 82. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 6

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/99>, abgerufen am 27.04.2024.