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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 68. Königshort und Königsgut.
besitz des Königs 5. Schon die Lex Salica kennt den fiscus als einen
der wenigen Begriffe und Ausdrücke, die sie dem römischen Rechts-
leben entlehnte.

Es bildet einen der bezeichnendsten Züge der fränkischen Reichs-
verfassung, dass in vermögensrechtlicher Beziehung König, Königshaus
und Reich nicht getrennte Rechtssubjekte sind, Privatgut des Königs,
Hausgut des Geschlechtes, Krongut und Staatsgut nicht gesondert
werden, weder im Erbgang, noch hinsichtlich der Verfügungsgewalt,
noch in der Verwendung, sondern in dem Begriffe eines ungeteilten
Fiskus zusammenfliessen, dessen Eigentümer der König ist. Bei der
festen Vererblichkeit des Thrones fehlte der Anlass zu Unterscheidungen,
wie sie für den königlichen Nachlass seit der Mitte des siebenten Jahr-
hunderts im westgotischen Wahlreiche zur Ausbildung gelangten 6. Der
Frankenkönig verfügte einseitig über alle Bestandteile des Fiskus, über
die Einkünfte wie über die Einkommensquellen, ohne dass er der
Zustimmung des Volkes oder der Grossen bedurft hätte, wie der angel-
sächsische König bei der Verfügung über das Volkland 7, oder der
Mitwirkung von Erben, wie sie bei Veräusserung von Grundbesitz in
deutschen Stammesgebieten rechtlich notwendig oder herkömmlich
war. Da die Einkünfte des Reiches Einkünfte des königlichen Fiskus
waren, trug dieser nicht nur die Kosten der königlichen Hausverwaltung,
sondern auch die der Reichsverwaltung, so dass z. B. aus dem Königs-
gute einerseits die Aussteuer der Königstochter, andererseits der Unter-
halt und die Dotierung der öffentlichen Beamten bestritten wurden.

Die Einkünfte des fränkischen Königs knüpfen zum Teil an die
Rechte des germanischen Volkskönigs an; zum Teil fliessen sie aus
Quellen, welche erst nach der Reichsgründung eröffnet wurden.

Aus germanischer Zeit stammte die Sitte, dem König alljährlich
Geschenke, dona annualia, darzubringen. Die passende Gelegenheit,
sie abzuliefern, boten unter den Merowingern das Märzfeld 8, unter
den Karolingern zuerst das Maifeld, dann namentlich die im Frühjahr

5 Über die Anwendung des Wortes Waitz, VG II 2, S. 319. Fiskus heisst
auch und zwar schon in merowingischer Zeit die einzelne Domäne.
6 Das achte Konzil von Toledo (653) unterscheidet zwischen Krongut und
Privatgut des Königs; ersteres ist das von dem verstorbenen König durch den
Regierungsantritt erworbene Vermögen, welches ausschliesslich auf den Thronfolger,
nicht auf die Erben des verstorbenen Königs übergehen soll. Die Unterscheidung
beruht auf kirchlichem Einfluss und ahmt, wie Dahn, Könige VI 256 mit Recht
bemerkt, die Teilung des Nachlasses bei dem Tode eines Bischofs nach.
7 Siehe oben I 203.
8 Chron. Lauriss. min. MG SS I 116: in die autem Martis campo secundum
antiquam consuetudinem dona illis regibus a populo offerebantur.

§ 68. Königshort und Königsgut.
besitz des Königs 5. Schon die Lex Salica kennt den fiscus als einen
der wenigen Begriffe und Ausdrücke, die sie dem römischen Rechts-
leben entlehnte.

Es bildet einen der bezeichnendsten Züge der fränkischen Reichs-
verfassung, daſs in vermögensrechtlicher Beziehung König, Königshaus
und Reich nicht getrennte Rechtssubjekte sind, Privatgut des Königs,
Hausgut des Geschlechtes, Krongut und Staatsgut nicht gesondert
werden, weder im Erbgang, noch hinsichtlich der Verfügungsgewalt,
noch in der Verwendung, sondern in dem Begriffe eines ungeteilten
Fiskus zusammenflieſsen, dessen Eigentümer der König ist. Bei der
festen Vererblichkeit des Thrones fehlte der Anlaſs zu Unterscheidungen,
wie sie für den königlichen Nachlaſs seit der Mitte des siebenten Jahr-
hunderts im westgotischen Wahlreiche zur Ausbildung gelangten 6. Der
Frankenkönig verfügte einseitig über alle Bestandteile des Fiskus, über
die Einkünfte wie über die Einkommensquellen, ohne daſs er der
Zustimmung des Volkes oder der Groſsen bedurft hätte, wie der angel-
sächsische König bei der Verfügung über das Volkland 7, oder der
Mitwirkung von Erben, wie sie bei Veräuſserung von Grundbesitz in
deutschen Stammesgebieten rechtlich notwendig oder herkömmlich
war. Da die Einkünfte des Reiches Einkünfte des königlichen Fiskus
waren, trug dieser nicht nur die Kosten der königlichen Hausverwaltung,
sondern auch die der Reichsverwaltung, so daſs z. B. aus dem Königs-
gute einerseits die Aussteuer der Königstochter, andererseits der Unter-
halt und die Dotierung der öffentlichen Beamten bestritten wurden.

Die Einkünfte des fränkischen Königs knüpfen zum Teil an die
Rechte des germanischen Volkskönigs an; zum Teil flieſsen sie aus
Quellen, welche erst nach der Reichsgründung eröffnet wurden.

Aus germanischer Zeit stammte die Sitte, dem König alljährlich
Geschenke, dona annualia, darzubringen. Die passende Gelegenheit,
sie abzuliefern, boten unter den Merowingern das Märzfeld 8, unter
den Karolingern zuerst das Maifeld, dann namentlich die im Frühjahr

5 Über die Anwendung des Wortes Waitz, VG II 2, S. 319. Fiskus heiſst
auch und zwar schon in merowingischer Zeit die einzelne Domäne.
6 Das achte Konzil von Toledo (653) unterscheidet zwischen Krongut und
Privatgut des Königs; ersteres ist das von dem verstorbenen König durch den
Regierungsantritt erworbene Vermögen, welches ausschlieſslich auf den Thronfolger,
nicht auf die Erben des verstorbenen Königs übergehen soll. Die Unterscheidung
beruht auf kirchlichem Einfluſs und ahmt, wie Dahn, Könige VI 256 mit Recht
bemerkt, die Teilung des Nachlasses bei dem Tode eines Bischofs nach.
7 Siehe oben I 203.
8 Chron. Lauriss. min. MG SS I 116: in die autem Martis campo secundum
antiquam consuetudinem dona illis regibus a populo offerebantur.
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[68/0086] § 68. Königshort und Königsgut. besitz des Königs 5. Schon die Lex Salica kennt den fiscus als einen der wenigen Begriffe und Ausdrücke, die sie dem römischen Rechts- leben entlehnte. Es bildet einen der bezeichnendsten Züge der fränkischen Reichs- verfassung, daſs in vermögensrechtlicher Beziehung König, Königshaus und Reich nicht getrennte Rechtssubjekte sind, Privatgut des Königs, Hausgut des Geschlechtes, Krongut und Staatsgut nicht gesondert werden, weder im Erbgang, noch hinsichtlich der Verfügungsgewalt, noch in der Verwendung, sondern in dem Begriffe eines ungeteilten Fiskus zusammenflieſsen, dessen Eigentümer der König ist. Bei der festen Vererblichkeit des Thrones fehlte der Anlaſs zu Unterscheidungen, wie sie für den königlichen Nachlaſs seit der Mitte des siebenten Jahr- hunderts im westgotischen Wahlreiche zur Ausbildung gelangten 6. Der Frankenkönig verfügte einseitig über alle Bestandteile des Fiskus, über die Einkünfte wie über die Einkommensquellen, ohne daſs er der Zustimmung des Volkes oder der Groſsen bedurft hätte, wie der angel- sächsische König bei der Verfügung über das Volkland 7, oder der Mitwirkung von Erben, wie sie bei Veräuſserung von Grundbesitz in deutschen Stammesgebieten rechtlich notwendig oder herkömmlich war. Da die Einkünfte des Reiches Einkünfte des königlichen Fiskus waren, trug dieser nicht nur die Kosten der königlichen Hausverwaltung, sondern auch die der Reichsverwaltung, so daſs z. B. aus dem Königs- gute einerseits die Aussteuer der Königstochter, andererseits der Unter- halt und die Dotierung der öffentlichen Beamten bestritten wurden. Die Einkünfte des fränkischen Königs knüpfen zum Teil an die Rechte des germanischen Volkskönigs an; zum Teil flieſsen sie aus Quellen, welche erst nach der Reichsgründung eröffnet wurden. Aus germanischer Zeit stammte die Sitte, dem König alljährlich Geschenke, dona annualia, darzubringen. Die passende Gelegenheit, sie abzuliefern, boten unter den Merowingern das Märzfeld 8, unter den Karolingern zuerst das Maifeld, dann namentlich die im Frühjahr 5 Über die Anwendung des Wortes Waitz, VG II 2, S. 319. Fiskus heiſst auch und zwar schon in merowingischer Zeit die einzelne Domäne. 6 Das achte Konzil von Toledo (653) unterscheidet zwischen Krongut und Privatgut des Königs; ersteres ist das von dem verstorbenen König durch den Regierungsantritt erworbene Vermögen, welches ausschlieſslich auf den Thronfolger, nicht auf die Erben des verstorbenen Königs übergehen soll. Die Unterscheidung beruht auf kirchlichem Einfluſs und ahmt, wie Dahn, Könige VI 256 mit Recht bemerkt, die Teilung des Nachlasses bei dem Tode eines Bischofs nach. 7 Siehe oben I 203. 8 Chron. Lauriss. min. MG SS I 116: in die autem Martis campo secundum antiquam consuetudinem dona illis regibus a populo offerebantur.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/86>, abgerufen am 24.11.2024.