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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 146. Landes- und Hochverrat.
von Landesverrat erscheinen noch im langobardischen Edikte die eigen-
mächtige Absendung von Boten und Unterhändlern in die Nachbar-
länder, die Übermittlung von Staatsgeheimnissen an das Ausland 6 und
als eine minder strafbare Abart die Begünstigung von feindlichen
Spionen 7.

Die Strafe des Landesverrats war unsühnbare Friedlosigkeit.
Schon nach Tacitus wurden Verräter und Überläufer aufgeknüpft 8.
Der Neidingswerke grösstes war es nach dem Drönter Rechte, wenn
man Land und Leute 'unter dem Könige weg verriet' 9. Die Friesen
führen nachmals den Landesverräter nordwärts an den Strand und
versenken ihn in die See 10. Tod und Einziehung des Vermögens
setzt das langobardische, Tod oder Verbannung nebst Konfiskation das
alamannische Volksrecht auf den Landesverrat. Nach der Lex
Baiuwariorum sind Leben und Gut des Schuldigen dem Herzog ver-
fallen. Unablösbare Todesstrafe und Fronung des Vermögens war bei
den Franken die Strafe solcher Missethat 11.

Als eine Art des Landesverrats, aber in selbständiger typischer
Ausgestaltung, wurde die Landesflucht behandelt. Dem Unterthan war
es verwehrt, ohne Erlaubnis des Königs das Land zu verlassen. Da
jedes der germanischen Reiche mit den unmittelbaren Nachbarn in der
Regel, wenn nicht auf feindlichem, so doch auf gespanntem Fusse
stand, lag es nahe, den eigenmächtigen Auswanderer als Überläufer,
die Landesflucht als Übergang zu einem gegenwärtigen oder zukünf-
tigen Feinde anzusehen. Westgotisches und langobardisches Recht
behandeln die Landesflucht als Verwirkung des Lebens und des Ver-
mögens 12. Derselbe Rechtssatz galt im fränkischen Reiche, wo man

6 Ratchis 9. 12.
7 Roth. 5 verhängt Todesstrafe, die aber um 900 Solidi abgelöst werden darf.
8 Germania c. 12.
9 Frostuthingslög IV 4.
10 Richthofen, Rqu. S. 30.
11 Ed. Pist. v. J. 864, c. 25, Pertz, LL I 494: de vita componat et omnes res
eius infiscentur; ecclesiasticus vero aut Deo sacrata perpetuo exilio dampnentur.
Vgl. oben S. 613, Anm. 1. An Remistan, der zu Waifar übergegangen war, liess
Pippin die uralte Strafe des Verräters, den Galgentod, vollstrecken. Fredegarii
Contin. 51 (134). Siehe noch Annales Bertiniani z. J. 864 oben S. 595, Anm. 32.
12 Lex Wisig. II 1, 7: quicumque ... ad adversam gentem vel extraneam
partem perrexit sive perrexerit aut etiam ire voluit vel quandoque voluerit, ut
sceleratissimo ausu contra gentem Gothorum vel patriam ageret aut fortasse cone-
tur aliquatenus agere .., mortem excipiat nec ulla ei de cetero sit vivendi in-
dulta libertas ... Res tamen omnes huius ... in regis ad integrum potestate
consistant. Roth. 3: si quis foris provincia fugire tentaverit, morti incurrat peri-
culum et res eius infiscentur. Über Roth. 268 siehe oben § 129, S. 580.

§ 146. Landes- und Hochverrat.
von Landesverrat erscheinen noch im langobardischen Edikte die eigen-
mächtige Absendung von Boten und Unterhändlern in die Nachbar-
länder, die Übermittlung von Staatsgeheimnissen an das Ausland 6 und
als eine minder strafbare Abart die Begünstigung von feindlichen
Spionen 7.

Die Strafe des Landesverrats war unsühnbare Friedlosigkeit.
Schon nach Tacitus wurden Verräter und Überläufer aufgeknüpft 8.
Der Neidingswerke gröſstes war es nach dem Drönter Rechte, wenn
man Land und Leute ‘unter dem Könige weg verriet’ 9. Die Friesen
führen nachmals den Landesverräter nordwärts an den Strand und
versenken ihn in die See 10. Tod und Einziehung des Vermögens
setzt das langobardische, Tod oder Verbannung nebst Konfiskation das
alamannische Volksrecht auf den Landesverrat. Nach der Lex
Baiuwariorum sind Leben und Gut des Schuldigen dem Herzog ver-
fallen. Unablösbare Todesstrafe und Fronung des Vermögens war bei
den Franken die Strafe solcher Missethat 11.

Als eine Art des Landesverrats, aber in selbständiger typischer
Ausgestaltung, wurde die Landesflucht behandelt. Dem Unterthan war
es verwehrt, ohne Erlaubnis des Königs das Land zu verlassen. Da
jedes der germanischen Reiche mit den unmittelbaren Nachbarn in der
Regel, wenn nicht auf feindlichem, so doch auf gespanntem Fuſse
stand, lag es nahe, den eigenmächtigen Auswanderer als Überläufer,
die Landesflucht als Übergang zu einem gegenwärtigen oder zukünf-
tigen Feinde anzusehen. Westgotisches und langobardisches Recht
behandeln die Landesflucht als Verwirkung des Lebens und des Ver-
mögens 12. Derselbe Rechtssatz galt im fränkischen Reiche, wo man

6 Ratchis 9. 12.
7 Roth. 5 verhängt Todesstrafe, die aber um 900 Solidi abgelöst werden darf.
8 Germania c. 12.
9 Frostuþíngslög IV 4.
10 Richthofen, Rqu. S. 30.
11 Ed. Pist. v. J. 864, c. 25, Pertz, LL I 494: de vita componat et omnes res
eius infiscentur; ecclesiasticus vero aut Deo sacrata perpetuo exilio dampnentur.
Vgl. oben S. 613, Anm. 1. An Remistan, der zu Waifar übergegangen war, lieſs
Pippin die uralte Strafe des Verräters, den Galgentod, vollstrecken. Fredegarii
Contin. 51 (134). Siehe noch Annales Bertiniani z. J. 864 oben S. 595, Anm. 32.
12 Lex Wisig. II 1, 7: quicumque … ad adversam gentem vel extraneam
partem perrexit sive perrexerit aut etiam ire voluit vel quandoque voluerit, ut
sceleratissimo ausu contra gentem Gothorum vel patriam ageret aut fortasse cone-
tur aliquatenus agere .., mortem excipiat nec ulla ei de cetero sit vivendi in-
dulta libertas … Res tamen omnes huius … in regis ad integrum potestate
consistant. Roth. 3: si quis foris provincia fugire tentaverit, morti incurrat peri-
culum et res eius infiscentur. Über Roth. 268 siehe oben § 129, S. 580.
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[686/0704] § 146. Landes- und Hochverrat. von Landesverrat erscheinen noch im langobardischen Edikte die eigen- mächtige Absendung von Boten und Unterhändlern in die Nachbar- länder, die Übermittlung von Staatsgeheimnissen an das Ausland 6 und als eine minder strafbare Abart die Begünstigung von feindlichen Spionen 7. Die Strafe des Landesverrats war unsühnbare Friedlosigkeit. Schon nach Tacitus wurden Verräter und Überläufer aufgeknüpft 8. Der Neidingswerke gröſstes war es nach dem Drönter Rechte, wenn man Land und Leute ‘unter dem Könige weg verriet’ 9. Die Friesen führen nachmals den Landesverräter nordwärts an den Strand und versenken ihn in die See 10. Tod und Einziehung des Vermögens setzt das langobardische, Tod oder Verbannung nebst Konfiskation das alamannische Volksrecht auf den Landesverrat. Nach der Lex Baiuwariorum sind Leben und Gut des Schuldigen dem Herzog ver- fallen. Unablösbare Todesstrafe und Fronung des Vermögens war bei den Franken die Strafe solcher Missethat 11. Als eine Art des Landesverrats, aber in selbständiger typischer Ausgestaltung, wurde die Landesflucht behandelt. Dem Unterthan war es verwehrt, ohne Erlaubnis des Königs das Land zu verlassen. Da jedes der germanischen Reiche mit den unmittelbaren Nachbarn in der Regel, wenn nicht auf feindlichem, so doch auf gespanntem Fuſse stand, lag es nahe, den eigenmächtigen Auswanderer als Überläufer, die Landesflucht als Übergang zu einem gegenwärtigen oder zukünf- tigen Feinde anzusehen. Westgotisches und langobardisches Recht behandeln die Landesflucht als Verwirkung des Lebens und des Ver- mögens 12. Derselbe Rechtssatz galt im fränkischen Reiche, wo man 6 Ratchis 9. 12. 7 Roth. 5 verhängt Todesstrafe, die aber um 900 Solidi abgelöst werden darf. 8 Germania c. 12. 9 Frostuþíngslög IV 4. 10 Richthofen, Rqu. S. 30. 11 Ed. Pist. v. J. 864, c. 25, Pertz, LL I 494: de vita componat et omnes res eius infiscentur; ecclesiasticus vero aut Deo sacrata perpetuo exilio dampnentur. Vgl. oben S. 613, Anm. 1. An Remistan, der zu Waifar übergegangen war, lieſs Pippin die uralte Strafe des Verräters, den Galgentod, vollstrecken. Fredegarii Contin. 51 (134). Siehe noch Annales Bertiniani z. J. 864 oben S. 595, Anm. 32. 12 Lex Wisig. II 1, 7: quicumque … ad adversam gentem vel extraneam partem perrexit sive perrexerit aut etiam ire voluit vel quandoque voluerit, ut sceleratissimo ausu contra gentem Gothorum vel patriam ageret aut fortasse cone- tur aliquatenus agere .., mortem excipiat nec ulla ei de cetero sit vivendi in- dulta libertas … Res tamen omnes huius … in regis ad integrum potestate consistant. Roth. 3: si quis foris provincia fugire tentaverit, morti incurrat peri- culum et res eius infiscentur. Über Roth. 268 siehe oben § 129, S. 580.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/704>, abgerufen am 03.12.2024.