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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 144. Ehrenkränkung und falsche Anklage.

Dagegen halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die falsche
Anklage um unehrliche Thaten, um Meinwerke, bussfällig machte.
Ausser Zweifel steht, dass das bei der ungerechten Beschuldigung des
Meineids und bei der Eidesschelte der Fall war 28, die nach fränkischem
Rechte mit fünfzehn Solidi gesühnt wurden. Höhere Busse (45 Solidi)
verwirkte, wer den gescholtenen Urkundenschreiber nicht zu über-
führen vermochte 29. Der Vorwurf der Zauberei wurde, wenn gericht-
lich erhoben, sicherlich nicht minder bestraft als die aussergerichtliche
Schelte 30. Nach langobardischem Rechte musste der Ehemann die
Anschuldigung der Ehefrau wegen Ehebruchs und Mordanschlags,
wenn er sie nicht auf bestimmte Verdachtsgründe hin erhoben hatte,
mit dem Wergelde eines ihr ebenbürtigen freien Mannes büssen 31.
Allenthalben verwirkte, wie es scheint, eine Busse, wer einen anderen
wegen Diebstahls beschuldigte, zum mindesten dann, wenn er der
wissentlich falschen Anklage überführt werden konnte 32.

Nach spätrömischem Rechte wurde die Kalumnie, die falsche An-
schuldigung wegen eines Verbrechens mit derselben Strafe geahndet,
die auf die vorgeschützte Missethat gesetzt war. Durch Inscriptio
musste sich der Ankläger schriftlich verpflichten, dass er, wenn er
sachfällig würde, die dem Angeklagten drohende Strafe erleiden wolle 33.

28 Lex Sal. 48, 1; 93, 2; 94. Cap. Haristall. v. J. 779, c. 10, I 49. -- Lex
Sal. 82 (siehe oben S. 407, Anm. 33) kann dahin verstanden werden, dass die
Busse von 15 Solidi nur verwirkt war, wenn dem Beklagten der Kesselfang gelang,
zu dem der Kläger ihn provociert hatte, während die Busse nicht in Frage stand,
falls die Klage im Namen des Königs erhoben worden war. Der Herausforderung
zum Kesselfang liegt eine anticipierte Eidesschelte zu Grunde. Hiemit würde die
oben S. 331. 407 ausgesprochene Hypothese über das Verbot einer älteren Form
des Kesselfanges hinfällig werden.
29 Siehe oben S. 422.
30 Bussen setzt der Pactus Alamannorum II 35, wenn jemand eine Freie als
angebliche Hexe ergreift und der Hexenprobe unterwirft. Siehe oben S. 410, Anm. 57.
In Pactus II 33 ist eine Strafe von 800 Solidi (das doppelte Frauenwergeld) an-
gedroht, si ipsam in clinata miserit. Es ist wohl eigenmächtiges Verbrennen der
angeblichen Hexe aus Rache wegen Tötung eines Verwandten gemeint.
31 Grim. 7. Wenn die Ehefrau durch ihre Verwandten von der Anschuldi-
gung gereinigt worden ist, darf der Ehemann selbzwölft schwören, quia non asto
animo nec dolose ei crimen iniecit, ut eam deberet dimittere, nisi per certam su-
spectionem auditum habuisset haec verba. Andernfalls zahlt er das Wergeld zur
Hälfte dem König, zur Hälfte ihren Verwandten.
32 Arg. Lex Sal. 90. Siehe oben S. 509, Anm. 87. Decreta Niuhing. c. 11.
Nach Lex Fris. 3, 9 büsst der Kläger die Lösungstaxe der Hand, wenn sein Vor-
eid durch das Ordal des Kesselfangs als ein falscher erwiesen worden war. Vgl.
oben S. 408, Anm. 44.
33 Günther, Wiedervergeltung I 141.
§ 144. Ehrenkränkung und falsche Anklage.

Dagegen halte ich es für sehr wahrscheinlich, daſs die falsche
Anklage um unehrliche Thaten, um Meinwerke, buſsfällig machte.
Auſser Zweifel steht, daſs das bei der ungerechten Beschuldigung des
Meineids und bei der Eidesschelte der Fall war 28, die nach fränkischem
Rechte mit fünfzehn Solidi gesühnt wurden. Höhere Buſse (45 Solidi)
verwirkte, wer den gescholtenen Urkundenschreiber nicht zu über-
führen vermochte 29. Der Vorwurf der Zauberei wurde, wenn gericht-
lich erhoben, sicherlich nicht minder bestraft als die auſsergerichtliche
Schelte 30. Nach langobardischem Rechte muſste der Ehemann die
Anschuldigung der Ehefrau wegen Ehebruchs und Mordanschlags,
wenn er sie nicht auf bestimmte Verdachtsgründe hin erhoben hatte,
mit dem Wergelde eines ihr ebenbürtigen freien Mannes büſsen 31.
Allenthalben verwirkte, wie es scheint, eine Buſse, wer einen anderen
wegen Diebstahls beschuldigte, zum mindesten dann, wenn er der
wissentlich falschen Anklage überführt werden konnte 32.

Nach spätrömischem Rechte wurde die Kalumnie, die falsche An-
schuldigung wegen eines Verbrechens mit derselben Strafe geahndet,
die auf die vorgeschützte Missethat gesetzt war. Durch Inscriptio
muſste sich der Ankläger schriftlich verpflichten, daſs er, wenn er
sachfällig würde, die dem Angeklagten drohende Strafe erleiden wolle 33.

28 Lex Sal. 48, 1; 93, 2; 94. Cap. Haristall. v. J. 779, c. 10, I 49. — Lex
Sal. 82 (siehe oben S. 407, Anm. 33) kann dahin verstanden werden, daſs die
Buſse von 15 Solidi nur verwirkt war, wenn dem Beklagten der Kesselfang gelang,
zu dem der Kläger ihn provociert hatte, während die Buſse nicht in Frage stand,
falls die Klage im Namen des Königs erhoben worden war. Der Herausforderung
zum Kesselfang liegt eine anticipierte Eidesschelte zu Grunde. Hiemit würde die
oben S. 331. 407 ausgesprochene Hypothese über das Verbot einer älteren Form
des Kesselfanges hinfällig werden.
29 Siehe oben S. 422.
30 Buſsen setzt der Pactus Alamannorum II 35, wenn jemand eine Freie als
angebliche Hexe ergreift und der Hexenprobe unterwirft. Siehe oben S. 410, Anm. 57.
In Pactus II 33 ist eine Strafe von 800 Solidi (das doppelte Frauenwergeld) an-
gedroht, si ipsam in clinata miserit. Es ist wohl eigenmächtiges Verbrennen der
angeblichen Hexe aus Rache wegen Tötung eines Verwandten gemeint.
31 Grim. 7. Wenn die Ehefrau durch ihre Verwandten von der Anschuldi-
gung gereinigt worden ist, darf der Ehemann selbzwölft schwören, quia non asto
animo nec dolose ei crimen iniecit, ut eam deberet dimittere, nisi per certam su-
spectionem auditum habuisset haec verba. Andernfalls zahlt er das Wergeld zur
Hälfte dem König, zur Hälfte ihren Verwandten.
32 Arg. Lex Sal. 90. Siehe oben S. 509, Anm. 87. Decreta Niuhing. c. 11.
Nach Lex Fris. 3, 9 büſst der Kläger die Lösungstaxe der Hand, wenn sein Vor-
eid durch das Ordal des Kesselfangs als ein falscher erwiesen worden war. Vgl.
oben S. 408, Anm. 44.
33 Günther, Wiedervergeltung I 141.
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[676/0694] § 144. Ehrenkränkung und falsche Anklage. Dagegen halte ich es für sehr wahrscheinlich, daſs die falsche Anklage um unehrliche Thaten, um Meinwerke, buſsfällig machte. Auſser Zweifel steht, daſs das bei der ungerechten Beschuldigung des Meineids und bei der Eidesschelte der Fall war 28, die nach fränkischem Rechte mit fünfzehn Solidi gesühnt wurden. Höhere Buſse (45 Solidi) verwirkte, wer den gescholtenen Urkundenschreiber nicht zu über- führen vermochte 29. Der Vorwurf der Zauberei wurde, wenn gericht- lich erhoben, sicherlich nicht minder bestraft als die auſsergerichtliche Schelte 30. Nach langobardischem Rechte muſste der Ehemann die Anschuldigung der Ehefrau wegen Ehebruchs und Mordanschlags, wenn er sie nicht auf bestimmte Verdachtsgründe hin erhoben hatte, mit dem Wergelde eines ihr ebenbürtigen freien Mannes büſsen 31. Allenthalben verwirkte, wie es scheint, eine Buſse, wer einen anderen wegen Diebstahls beschuldigte, zum mindesten dann, wenn er der wissentlich falschen Anklage überführt werden konnte 32. Nach spätrömischem Rechte wurde die Kalumnie, die falsche An- schuldigung wegen eines Verbrechens mit derselben Strafe geahndet, die auf die vorgeschützte Missethat gesetzt war. Durch Inscriptio muſste sich der Ankläger schriftlich verpflichten, daſs er, wenn er sachfällig würde, die dem Angeklagten drohende Strafe erleiden wolle 33. 28 Lex Sal. 48, 1; 93, 2; 94. Cap. Haristall. v. J. 779, c. 10, I 49. — Lex Sal. 82 (siehe oben S. 407, Anm. 33) kann dahin verstanden werden, daſs die Buſse von 15 Solidi nur verwirkt war, wenn dem Beklagten der Kesselfang gelang, zu dem der Kläger ihn provociert hatte, während die Buſse nicht in Frage stand, falls die Klage im Namen des Königs erhoben worden war. Der Herausforderung zum Kesselfang liegt eine anticipierte Eidesschelte zu Grunde. Hiemit würde die oben S. 331. 407 ausgesprochene Hypothese über das Verbot einer älteren Form des Kesselfanges hinfällig werden. 29 Siehe oben S. 422. 30 Buſsen setzt der Pactus Alamannorum II 35, wenn jemand eine Freie als angebliche Hexe ergreift und der Hexenprobe unterwirft. Siehe oben S. 410, Anm. 57. In Pactus II 33 ist eine Strafe von 800 Solidi (das doppelte Frauenwergeld) an- gedroht, si ipsam in clinata miserit. Es ist wohl eigenmächtiges Verbrennen der angeblichen Hexe aus Rache wegen Tötung eines Verwandten gemeint. 31 Grim. 7. Wenn die Ehefrau durch ihre Verwandten von der Anschuldi- gung gereinigt worden ist, darf der Ehemann selbzwölft schwören, quia non asto animo nec dolose ei crimen iniecit, ut eam deberet dimittere, nisi per certam su- spectionem auditum habuisset haec verba. Andernfalls zahlt er das Wergeld zur Hälfte dem König, zur Hälfte ihren Verwandten. 32 Arg. Lex Sal. 90. Siehe oben S. 509, Anm. 87. Decreta Niuhing. c. 11. Nach Lex Fris. 3, 9 büſst der Kläger die Lösungstaxe der Hand, wenn sein Vor- eid durch das Ordal des Kesselfangs als ein falscher erwiesen worden war. Vgl. oben S. 408, Anm. 44. 33 Günther, Wiedervergeltung I 141.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/694>, abgerufen am 22.11.2024.