Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung.

Als Gegenstand der Brandstiftung werden nur Gebäude, meistens
Häuser, mitunter auch Kirchen 3, Ställe, Scheunen, Speicher und
Mühlen genannt 4. Anzünden eines Zaunes oder behauenen Holzes
wird nach der Lex Salica als Zerstörung fremden Eigentums mit 15
Solidi gebüsst, derselben Busse, die z. B. auch auf das Umhauen des
Zaunes gesetzt ist 5. Das Niederbrennen eines Gehölzes, wudabaernet,
straft das angelsächsische Recht gleich dem Niederhauen, aber nicht als
Brandstiftung 6. Das bairische Volksrecht erwähnt auch das Anzünden
einer Miete und eines Schobers, belegt es jedoch mit geringer Busse.

Eine Gruppe von Quellen sieht ein wesentliches Merkmal der
Brandstiftung an bewohnten Gebäuden darin, dass sie heimlich oder dass
sie nächtlich geschehe 7, während die offene Brandstiftung als vorsätz-
liche Sachbeschädigung oder als Fall der Heimsuchung aufgefasst
und bei der hellen Tages erfolgten Brandstiftung unbewohnter Bau-
lichkeiten die Heimlichkeit wohl als selbstverständlich vorausgesetzt
wird. Ergänzend griff in dieser Beziehung das karolingische
Bannstrafrecht ein, indem es die Brandstiftung an Gebäuden schlecht-
weg unter die Bannbusse stellte. Auf anderem Standpunkte standen
von vornherein das sächsische, das friesische, das langobardische und
das angelsächsische Recht, indem sie gleich nordischen Rechten jenes
Merkmal nicht verlangten. Nachmals wird die heimliche, nächtliche
Brandstiftung als Mordbrand, Nachtbrand oder Mordnachtbrand termino-
logisch und strafrechtlich ausgezeichnet 8 und der gewaltsamen Brand-
stiftung, dem waldbrand oder herebrand, gegenübergestellt 9.


ut domus incendat seu et sala sua ... Lex Wisig. VIII 2, 1: qui aliene domui
in civitate ignem supposuerit ... Jydske Lov III 66: of man ... saetaer eld i.
Über blaesere Schmid, Ges. d. Ags. S. 536.
3 Lex Sal. 55, 7 (Herold.) macht bei Kirchen eine Ausnahme von dem Merk-
mal des dolus. Der Brand der Kirche wird mit 200 Solidi gebüsst, mag er nun ab-
sichtlich oder absichtslos verursacht worden sein.
4 Lex Sal. 16. Summula de bannis c. 6, Cap. I 224: incendium ... hoc est,
qui incendit alterius casam aut scuriam. Lex Alam. 76, 2; 77. Scura, scuria von
ahd. sciura, Scheuer, franz. ecurie.
5 Lex Sal. 16, 5; 27, 15.
6 Alfred 12. Ine 43 pr. als Diebstahl, weil das Feuer der Dieb ist.
7 Lex Sal. 16, 1: super homines dormientes. Lex Rib. 17, 1: per noctem
latenter. Lex Alam. 76: in nocte. Lex Baiuw. I 6: more furtivo in nocte; X 1:
in nocte. Lex Angl. et Werin 43: qui domum alterius noctu incenderit ...
8 Richthofen WB S. 936. Siehe noch die Citate bei Geib I 222. Mord-
nachtbrand in Richthofen, Rqu. S. 79 21. Den Mordbrand definiert Jydske Lov
III 66 als nächtliches oder heimliches Feuersetzen in eines andern Mannes Haus.
9 Über waldbrand (Gewaltbrand) Richthofen, WB S. 1123. Herebrantum in
der Keure für Seeland c. 28, Mieris, Groot Charterboek I 304. Skanelagen 214
§ 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung.

Als Gegenstand der Brandstiftung werden nur Gebäude, meistens
Häuser, mitunter auch Kirchen 3, Ställe, Scheunen, Speicher und
Mühlen genannt 4. Anzünden eines Zaunes oder behauenen Holzes
wird nach der Lex Salica als Zerstörung fremden Eigentums mit 15
Solidi gebüſst, derselben Buſse, die z. B. auch auf das Umhauen des
Zaunes gesetzt ist 5. Das Niederbrennen eines Gehölzes, wudabærnet,
straft das angelsächsische Recht gleich dem Niederhauen, aber nicht als
Brandstiftung 6. Das bairische Volksrecht erwähnt auch das Anzünden
einer Miete und eines Schobers, belegt es jedoch mit geringer Buſse.

Eine Gruppe von Quellen sieht ein wesentliches Merkmal der
Brandstiftung an bewohnten Gebäuden darin, daſs sie heimlich oder daſs
sie nächtlich geschehe 7, während die offene Brandstiftung als vorsätz-
liche Sachbeschädigung oder als Fall der Heimsuchung aufgefasst
und bei der hellen Tages erfolgten Brandstiftung unbewohnter Bau-
lichkeiten die Heimlichkeit wohl als selbstverständlich vorausgesetzt
wird. Ergänzend griff in dieser Beziehung das karolingische
Bannstrafrecht ein, indem es die Brandstiftung an Gebäuden schlecht-
weg unter die Bannbuſse stellte. Auf anderem Standpunkte standen
von vornherein das sächsische, das friesische, das langobardische und
das angelsächsische Recht, indem sie gleich nordischen Rechten jenes
Merkmal nicht verlangten. Nachmals wird die heimliche, nächtliche
Brandstiftung als Mordbrand, Nachtbrand oder Mordnachtbrand termino-
logisch und strafrechtlich ausgezeichnet 8 und der gewaltsamen Brand-
stiftung, dem waldbrand oder herebrand, gegenübergestellt 9.


ut domus incendat seu et sala sua … Lex Wisig. VIII 2, 1: qui aliene domui
in civitate ignem supposuerit … Jydske Lov III 66: of man … sætær eld i.
Über blǽsere Schmid, Ges. d. Ags. S. 536.
3 Lex Sal. 55, 7 (Herold.) macht bei Kirchen eine Ausnahme von dem Merk-
mal des dolus. Der Brand der Kirche wird mit 200 Solidi gebüſst, mag er nun ab-
sichtlich oder absichtslos verursacht worden sein.
4 Lex Sal. 16. Summula de bannis c. 6, Cap. I 224: incendium … hoc est,
qui incendit alterius casam aut scuriam. Lex Alam. 76, 2; 77. Scura, scuria von
ahd. sciura, Scheuer, franz. écurie.
5 Lex Sal. 16, 5; 27, 15.
6 Alfred 12. Ine 43 pr. als Diebstahl, weil das Feuer der Dieb ist.
7 Lex Sal. 16, 1: super homines dormientes. Lex Rib. 17, 1: per noctem
latenter. Lex Alam. 76: in nocte. Lex Baiuw. I 6: more furtivo in nocte; X 1:
in nocte. Lex Angl. et Werin 43: qui domum alterius noctu incenderit …
8 Richthofen WB S. 936. Siehe noch die Citate bei Geib I 222. Mord-
nachtbrand in Richthofen, Rqu. S. 79 21. Den Mordbrand definiert Jydske Lov
III 66 als nächtliches oder heimliches Feuersetzen in eines andern Mannes Haus.
9 Über waldbrand (Gewaltbrand) Richthofen, WB S. 1123. Herebrantum in
der Keure für Seeland c. 28, Mieris, Groot Charterboek I 304. Skånelagen 214
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0673" n="655"/>
            <fw place="top" type="header">§ 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung.</fw><lb/>
            <p>Als Gegenstand der Brandstiftung werden nur Gebäude, meistens<lb/>
Häuser, mitunter auch Kirchen <note place="foot" n="3">Lex Sal. 55, 7 (Herold.) macht bei Kirchen eine Ausnahme von dem Merk-<lb/>
mal des dolus. Der Brand der Kirche wird mit 200 Solidi gebü&#x017F;st, mag er nun ab-<lb/>
sichtlich oder absichtslos verursacht worden sein.</note>, Ställe, Scheunen, Speicher und<lb/>
Mühlen genannt <note place="foot" n="4">Lex Sal. 16. Summula de bannis c. 6, Cap. I 224: incendium &#x2026; hoc est,<lb/>
qui incendit alterius casam aut scuriam. Lex Alam. 76, 2; 77. Scura, scuria von<lb/>
ahd. sciura, Scheuer, franz. écurie.</note>. Anzünden eines Zaunes oder behauenen Holzes<lb/>
wird nach der Lex Salica als Zerstörung fremden Eigentums mit 15<lb/>
Solidi gebü&#x017F;st, derselben Bu&#x017F;se, die z. B. auch auf das Umhauen des<lb/>
Zaunes gesetzt ist <note place="foot" n="5">Lex Sal. 16, 5; 27, 15.</note>. Das Niederbrennen eines Gehölzes, wudabærnet,<lb/>
straft das angelsächsische Recht gleich dem Niederhauen, aber nicht als<lb/>
Brandstiftung <note place="foot" n="6">Alfred 12. Ine 43 pr. als Diebstahl, weil das Feuer der Dieb ist.</note>. Das bairische Volksrecht erwähnt auch das Anzünden<lb/>
einer Miete und eines Schobers, belegt es jedoch mit geringer Bu&#x017F;se.</p><lb/>
            <p>Eine Gruppe von Quellen sieht ein wesentliches Merkmal der<lb/>
Brandstiftung an bewohnten Gebäuden darin, da&#x017F;s sie heimlich oder da&#x017F;s<lb/>
sie nächtlich geschehe <note place="foot" n="7">Lex Sal. 16, 1: super homines dormientes. Lex Rib. 17, 1: per noctem<lb/>
latenter. Lex Alam. 76: in nocte. Lex Baiuw. I 6: more furtivo in nocte; X 1:<lb/>
in nocte. Lex Angl. et Werin 43: qui domum alterius noctu incenderit &#x2026;</note>, während die offene Brandstiftung als vorsätz-<lb/>
liche Sachbeschädigung oder als Fall der Heimsuchung aufgefasst<lb/>
und bei der hellen Tages erfolgten Brandstiftung unbewohnter Bau-<lb/>
lichkeiten die Heimlichkeit wohl als selbstverständlich vorausgesetzt<lb/>
wird. Ergänzend griff in dieser Beziehung das karolingische<lb/>
Bannstrafrecht ein, indem es die Brandstiftung an Gebäuden schlecht-<lb/>
weg unter die Bannbu&#x017F;se stellte. Auf anderem Standpunkte standen<lb/>
von vornherein das sächsische, das friesische, das langobardische und<lb/>
das angelsächsische Recht, indem sie gleich nordischen Rechten jenes<lb/>
Merkmal nicht verlangten. Nachmals wird die heimliche, nächtliche<lb/>
Brandstiftung als Mordbrand, Nachtbrand oder Mordnachtbrand termino-<lb/>
logisch und strafrechtlich ausgezeichnet <note place="foot" n="8"><hi rendition="#g">Richthofen</hi> WB S. 936. Siehe noch die Citate bei <hi rendition="#g">Geib</hi> I 222. Mord-<lb/>
nachtbrand in Richthofen, Rqu. S. 79 21. Den Mordbrand definiert Jydske Lov<lb/>
III 66 als nächtliches oder heimliches Feuersetzen in eines andern Mannes Haus.</note> und der gewaltsamen Brand-<lb/>
stiftung, dem waldbrand oder herebrand, gegenübergestellt <note xml:id="seg2pn_149_1" next="#seg2pn_149_2" place="foot" n="9">Über waldbrand (Gewaltbrand) <hi rendition="#g">Richthofen</hi>, WB S. 1123. Herebrantum in<lb/>
der Keure für Seeland c. 28, Mieris, Groot Charterboek I 304. Skånelagen 214</note>.</p><lb/>
            <p>
              <note xml:id="seg2pn_148_2" prev="#seg2pn_148_1" place="foot" n="2">ut domus incendat seu et sala sua &#x2026; Lex Wisig. VIII 2, 1: qui aliene domui<lb/>
in civitate ignem supposuerit &#x2026; Jydske Lov III 66: of man &#x2026; sætær eld i.<lb/>
Über bl&#x01FD;sere <hi rendition="#g">Schmid</hi>, Ges. d. Ags. S. 536.</note>
            </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[655/0673] § 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung. Als Gegenstand der Brandstiftung werden nur Gebäude, meistens Häuser, mitunter auch Kirchen 3, Ställe, Scheunen, Speicher und Mühlen genannt 4. Anzünden eines Zaunes oder behauenen Holzes wird nach der Lex Salica als Zerstörung fremden Eigentums mit 15 Solidi gebüſst, derselben Buſse, die z. B. auch auf das Umhauen des Zaunes gesetzt ist 5. Das Niederbrennen eines Gehölzes, wudabærnet, straft das angelsächsische Recht gleich dem Niederhauen, aber nicht als Brandstiftung 6. Das bairische Volksrecht erwähnt auch das Anzünden einer Miete und eines Schobers, belegt es jedoch mit geringer Buſse. Eine Gruppe von Quellen sieht ein wesentliches Merkmal der Brandstiftung an bewohnten Gebäuden darin, daſs sie heimlich oder daſs sie nächtlich geschehe 7, während die offene Brandstiftung als vorsätz- liche Sachbeschädigung oder als Fall der Heimsuchung aufgefasst und bei der hellen Tages erfolgten Brandstiftung unbewohnter Bau- lichkeiten die Heimlichkeit wohl als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Ergänzend griff in dieser Beziehung das karolingische Bannstrafrecht ein, indem es die Brandstiftung an Gebäuden schlecht- weg unter die Bannbuſse stellte. Auf anderem Standpunkte standen von vornherein das sächsische, das friesische, das langobardische und das angelsächsische Recht, indem sie gleich nordischen Rechten jenes Merkmal nicht verlangten. Nachmals wird die heimliche, nächtliche Brandstiftung als Mordbrand, Nachtbrand oder Mordnachtbrand termino- logisch und strafrechtlich ausgezeichnet 8 und der gewaltsamen Brand- stiftung, dem waldbrand oder herebrand, gegenübergestellt 9. 2 3 Lex Sal. 55, 7 (Herold.) macht bei Kirchen eine Ausnahme von dem Merk- mal des dolus. Der Brand der Kirche wird mit 200 Solidi gebüſst, mag er nun ab- sichtlich oder absichtslos verursacht worden sein. 4 Lex Sal. 16. Summula de bannis c. 6, Cap. I 224: incendium … hoc est, qui incendit alterius casam aut scuriam. Lex Alam. 76, 2; 77. Scura, scuria von ahd. sciura, Scheuer, franz. écurie. 5 Lex Sal. 16, 5; 27, 15. 6 Alfred 12. Ine 43 pr. als Diebstahl, weil das Feuer der Dieb ist. 7 Lex Sal. 16, 1: super homines dormientes. Lex Rib. 17, 1: per noctem latenter. Lex Alam. 76: in nocte. Lex Baiuw. I 6: more furtivo in nocte; X 1: in nocte. Lex Angl. et Werin 43: qui domum alterius noctu incenderit … 8 Richthofen WB S. 936. Siehe noch die Citate bei Geib I 222. Mord- nachtbrand in Richthofen, Rqu. S. 79 21. Den Mordbrand definiert Jydske Lov III 66 als nächtliches oder heimliches Feuersetzen in eines andern Mannes Haus. 9 Über waldbrand (Gewaltbrand) Richthofen, WB S. 1123. Herebrantum in der Keure für Seeland c. 28, Mieris, Groot Charterboek I 304. Skånelagen 214 2 ut domus incendat seu et sala sua … Lex Wisig. VIII 2, 1: qui aliene domui in civitate ignem supposuerit … Jydske Lov III 66: of man … sætær eld i. Über blǽsere Schmid, Ges. d. Ags. S. 536.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/673
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/673>, abgerufen am 22.11.2024.