Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 135. Die Stellung der Kirche zu den peinlichen Strafen. die Fehde, den entlaufenen Knecht gegen Ergreifung durch denHerrn oder dessen Leute. Ausserdem beanspruchte die Kirche, dass sie den Geflüchteten nur 'excusatus' auszuliefern brauche 14, d. h. gegen die eidliche Versicherung, dass er nicht an Leib und Leben gestraft werden solle. Werde das Versprechen nicht gegeben, so solle der Geistliche nicht haftbar werden, wenn er den Missethäter entfliehen lasse. Diese Ansprüche hat die fränkische Staatsgewalt zwar in der Hauptsache, aber nicht ohne eine Beschränkung zugestanden. Knechte sollen zwar nur als excusati ausgeliefert werden, aber andererseits der Geistliche haften, der sie entfliehen lässt 15. Bei Freien, die das Asyl gewannen, wurde die Verwirkung des Lebens und der Glieder in compositio, redemptio, Verknechtung oder Exil verwandelt. Nach alle- dem war der Asylschutz darauf angelegt, dem Klerus die Gelegenheit zu einer Vermittlung zu bieten, die dem Flüchtling Leib und Leben gewährleistete. Strenger wurde das Recht der karolingischen Zeit 16. Es unter- ecclesiae (siehe oben S. 581) mit 40 Solidi an die Kirche zu büssen. Eine Asyl- bruchbusse von 40 Solidi folgt aus Roth. 272. Liu. 143 setzte bei Freien das Wergeld als Busse fest, während der Knecht der verletzten Kirche ausgeliefert werden sollte. Lex Baiuw. I 7 bedrohte den Asylbruch gleichfalls mit einer Busse von 40 Solidi, die an die Kirche, und mit einem fredus von 40 Solidi, der an den Fiskus zu zahlen war. Cap. legg. add. 818/9 straft den vermessentlichen Todschlag in der Kirche mit dem Tode, die Tötung se defendendo mit der Pollutionsbusse von 600 Solidi. Für Verwundung oder Misshandlung von Klerikern erhält die Kirche ein Drittel der compositio als sogenannten fredus. Daneben ist der Königs- bann zu zahlen. Benedictus nahm V 337 Lex Baiuw. I 7 in seiner Weise auf, in- dem er als Busse für die Kirche 500, als fiskalischen fredus 200 Solidi einsetzte. -- Die Kirche verhängte über den Verletzer des Asylrechts die Excommunikation. Conc. Aurelian. v. J. 511, c. 1. 2. 3. Conc. Epaon. v. J. 517, c. 39. Conc. Aure- lian. v. J. 549, c. 22 (MG Conc. S. 2. 3. 28. 107). Siehe Hinschius, Kirchen- recht IV 385, Anm. 6. 14 Conc. Aurel. v. J. 511, c. 2: puella ... potestati patris excusata reddatur. Conc. Epaon. v. J 517, c. 39: servus ... a corporalibus tantum suppliciis excuse- tur. Vgl. Pactum Guntchramni et Childeberti II v. J. 587, Cap. I 14: iuxta quali- tatem culpae excusati reddentur. Pactus pro tenore pacis c. 15, Cap. I 6: (servus) continuo excusatus reddatur. Reddere in gratia sagt Roth. 272. 15 Pactus pro tenore pacis c. 15: quod si ... fugerint, illi, qui eum reddere noluerit, eius precium reddat. Lex Alam. 3, 2. Roth. 272. Nach Concil. Aurel. v. J. 549, c. 22 soll die Kirche dem Herrn des Knechtes, der das Asyl nicht ver- lassen will, gestatten, ihn zu greifen, ut nullam quasi pro retentatione servi quibus- libet modis molestiam aut calumniam paciatur ecclesia. 16 Mit Recht schon von Wilda, Strafrecht S. 542, Gaupp, Sachsen S. 129, bemerkt. 39*
§ 135. Die Stellung der Kirche zu den peinlichen Strafen. die Fehde, den entlaufenen Knecht gegen Ergreifung durch denHerrn oder dessen Leute. Auſserdem beanspruchte die Kirche, daſs sie den Geflüchteten nur ‘excusatus’ auszuliefern brauche 14, d. h. gegen die eidliche Versicherung, daſs er nicht an Leib und Leben gestraft werden solle. Werde das Versprechen nicht gegeben, so solle der Geistliche nicht haftbar werden, wenn er den Missethäter entfliehen lasse. Diese Ansprüche hat die fränkische Staatsgewalt zwar in der Hauptsache, aber nicht ohne eine Beschränkung zugestanden. Knechte sollen zwar nur als excusati ausgeliefert werden, aber andererseits der Geistliche haften, der sie entfliehen läſst 15. Bei Freien, die das Asyl gewannen, wurde die Verwirkung des Lebens und der Glieder in compositio, redemptio, Verknechtung oder Exil verwandelt. Nach alle- dem war der Asylschutz darauf angelegt, dem Klerus die Gelegenheit zu einer Vermittlung zu bieten, die dem Flüchtling Leib und Leben gewährleistete. Strenger wurde das Recht der karolingischen Zeit 16. Es unter- ecclesiae (siehe oben S. 581) mit 40 Solidi an die Kirche zu büſsen. Eine Asyl- bruchbuſse von 40 Solidi folgt aus Roth. 272. Liu. 143 setzte bei Freien das Wergeld als Buſse fest, während der Knecht der verletzten Kirche ausgeliefert werden sollte. Lex Baiuw. I 7 bedrohte den Asylbruch gleichfalls mit einer Buſse von 40 Solidi, die an die Kirche, und mit einem fredus von 40 Solidi, der an den Fiskus zu zahlen war. Cap. legg. add. 818/9 straft den vermessentlichen Todschlag in der Kirche mit dem Tode, die Tötung se defendendo mit der Pollutionsbuſse von 600 Solidi. Für Verwundung oder Miſshandlung von Klerikern erhält die Kirche ein Drittel der compositio als sogenannten fredus. Daneben ist der Königs- bann zu zahlen. Benedictus nahm V 337 Lex Baiuw. I 7 in seiner Weise auf, in- dem er als Buſse für die Kirche 500, als fiskalischen fredus 200 Solidi einsetzte. — Die Kirche verhängte über den Verletzer des Asylrechts die Excommunikation. Conc. Aurelian. v. J. 511, c. 1. 2. 3. Conc. Epaon. v. J. 517, c. 39. Conc. Aure- lian. v. J. 549, c. 22 (MG Conc. S. 2. 3. 28. 107). Siehe Hinschius, Kirchen- recht IV 385, Anm. 6. 14 Conc. Aurel. v. J. 511, c. 2: puella … potestati patris excusata reddatur. Conc. Epaon. v. J 517, c. 39: servus … a corporalibus tantum suppliciis excuse- tur. Vgl. Pactum Guntchramni et Childeberti II v. J. 587, Cap. I 14: iuxta quali- tatem culpae excusati reddentur. Pactus pro tenore pacis c. 15, Cap. I 6: (servus) continuo excusatus reddatur. Reddere in gratia sagt Roth. 272. 15 Pactus pro tenore pacis c. 15: quod si … fugerint, illi, qui eum reddere noluerit, eius precium reddat. Lex Alam. 3, 2. Roth. 272. Nach Concil. Aurel. v. J. 549, c. 22 soll die Kirche dem Herrn des Knechtes, der das Asyl nicht ver- lassen will, gestatten, ihn zu greifen, ut nullam quasi pro retentatione servi quibus- libet modis molestiam aut calumniam paciatur ecclesia. 16 Mit Recht schon von Wilda, Strafrecht S. 542, Gaupp, Sachsen S. 129, bemerkt. 39*
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§ 135. Die Stellung der Kirche zu den peinlichen Strafen.
die Fehde, den entlaufenen Knecht gegen Ergreifung durch den
Herrn oder dessen Leute. Auſserdem beanspruchte die Kirche, daſs
sie den Geflüchteten nur ‘excusatus’ auszuliefern brauche 14, d. h. gegen
die eidliche Versicherung, daſs er nicht an Leib und Leben gestraft
werden solle. Werde das Versprechen nicht gegeben, so solle der
Geistliche nicht haftbar werden, wenn er den Missethäter entfliehen
lasse. Diese Ansprüche hat die fränkische Staatsgewalt zwar in der
Hauptsache, aber nicht ohne eine Beschränkung zugestanden. Knechte
sollen zwar nur als excusati ausgeliefert werden, aber andererseits der
Geistliche haften, der sie entfliehen läſst 15. Bei Freien, die das Asyl
gewannen, wurde die Verwirkung des Lebens und der Glieder in
compositio, redemptio, Verknechtung oder Exil verwandelt. Nach alle-
dem war der Asylschutz darauf angelegt, dem Klerus die Gelegenheit
zu einer Vermittlung zu bieten, die dem Flüchtling Leib und Leben
gewährleistete.
Strenger wurde das Recht der karolingischen Zeit 16. Es unter-
schied nämlich zwischen verurteilten und nicht verurteilten Misse-
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14 Conc. Aurel. v. J. 511, c. 2: puella … potestati patris excusata reddatur.
Conc. Epaon. v. J 517, c. 39: servus … a corporalibus tantum suppliciis excuse-
tur. Vgl. Pactum Guntchramni et Childeberti II v. J. 587, Cap. I 14: iuxta quali-
tatem culpae excusati reddentur. Pactus pro tenore pacis c. 15, Cap. I 6: (servus)
continuo excusatus reddatur. Reddere in gratia sagt Roth. 272.
15 Pactus pro tenore pacis c. 15: quod si … fugerint, illi, qui eum reddere
noluerit, eius precium reddat. Lex Alam. 3, 2. Roth. 272. Nach Concil. Aurel.
v. J. 549, c. 22 soll die Kirche dem Herrn des Knechtes, der das Asyl nicht ver-
lassen will, gestatten, ihn zu greifen, ut nullam quasi pro retentatione servi quibus-
libet modis molestiam aut calumniam paciatur ecclesia.
16 Mit Recht schon von Wilda, Strafrecht S. 542, Gaupp, Sachsen S. 129,
bemerkt.
13 ecclesiae (siehe oben S. 581) mit 40 Solidi an die Kirche zu büſsen. Eine Asyl-
bruchbuſse von 40 Solidi folgt aus Roth. 272. Liu. 143 setzte bei Freien das
Wergeld als Buſse fest, während der Knecht der verletzten Kirche ausgeliefert
werden sollte. Lex Baiuw. I 7 bedrohte den Asylbruch gleichfalls mit einer Buſse
von 40 Solidi, die an die Kirche, und mit einem fredus von 40 Solidi, der an den
Fiskus zu zahlen war. Cap. legg. add. 818/9 straft den vermessentlichen Todschlag
in der Kirche mit dem Tode, die Tötung se defendendo mit der Pollutionsbuſse
von 600 Solidi. Für Verwundung oder Miſshandlung von Klerikern erhält die
Kirche ein Drittel der compositio als sogenannten fredus. Daneben ist der Königs-
bann zu zahlen. Benedictus nahm V 337 Lex Baiuw. I 7 in seiner Weise auf, in-
dem er als Buſse für die Kirche 500, als fiskalischen fredus 200 Solidi einsetzte.
— Die Kirche verhängte über den Verletzer des Asylrechts die Excommunikation.
Conc. Aurelian. v. J. 511, c. 1. 2. 3. Conc. Epaon. v. J. 517, c. 39. Conc. Aure-
lian. v. J. 549, c. 22 (MG Conc. S. 2. 3. 28. 107). Siehe Hinschius, Kirchen-
recht IV 385, Anm. 6.
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