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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 130. Die Sonderfrieden.
und war wenigstens nach dem Baiernrechte die öffentliche Schmiede
ausgezeichnet18.

Den Dingfrieden haben wir als heiligen Frieden bereits oben I 145
kennen gelernt. Er beruht auf dem bei der Dinghegung ausgesprochenen
Friedensbanne, und wohl, weil er bei dieser Gelegenheit jedesmal aufs
neue geboten wurde, nehmen die Quellen so verhältnismässig seltenen
Anlass, ihn zu erwähnen19. Dem Dingfrieden galten die karolingischen
Verbote, mit Schild und Speer und mit bewaffnetem Gefolge vor Ge-
richt zu erscheinen20. Der Dingfriede war ein persönlicher Friede;
denn er heiligte die im Ding anwesenden Personen; er war ein räum-
lich und zeitlich beschränkter Friede, beschränkt auf die Dingstätte
und auf die Dauer des Dings.

Dem Dingfrieden nahe verwandt war der Friede des versammel-
ten Heeres. Die fränkischen Volksrechte setzen auf die im Heere be-
gangene Missethat, insbesondere auf Todschlag und Diebstahl, drei-
fache compositio21, eine Rechtsnorm, die in das alamannische und
sächsische Volksrecht22 Eingang fand und in das friesische, wo Wer-
geldsimplum und Friedensgeld sich verneunfachten23. Erregung eines
Streites, der Anlass eines Todschlags wird, macht nach der Lex Ala-
mannorum friedlos; nach dem bairirchen Rechte büsst man sie mit
einer Brüche von 600 Solidi24. Bei den Angelsachsen verwirkt
Leben oder Wergeld, wer auf der Heerfahrt den Frieden bricht25.

An den örtlichen Königsfrieden, an den Kirchenfrieden, an den
Ding- und Heerfrieden lehnte sich ein verstärkter Friede des Königs-
weges, des Kirchen-, Ding- und Heerweges an26. Diese Frieden hatten
den Charakter persönlicher Frieden. Wer zum Könige, zur Kirche,
zum Ding oder ins Heer ging und wer davon zurückkehrte, sollte höheren
Frieden haben. Verwandt war der Friede des Hochzeitsweges, der
nach einer Stelle der Lex Salica wenigstens der Braut höheren Rechts-

18 Lex Baiuw. IX 2.
19 Die Zeugnisse sind spärlich. Lex Fris. Add. 1, 1, betrifft den Frieden des
Dingweges. Vgl. Aethelred III 1, Eriks Saell. Lov II 9. Wilda, Strafr. S. 135 f.
20 Cap. 803--813, c. 1, I 156. Memor Olonn. 822/3, c. 5, I 318. Waitz,
VG IV 388. Planck, Waffenverbot und Reichsacht im Sachsenspiegel, Münche-
ner SB 1884, S. 135.
21 Lex Sal. 63, 1. 2. Recapitulatio legis Salicae A 27. 28. Septem Causae
VIII 1. Lex Rib. 63.
22 Lex Alam. 25. 26. Arg. Lex Sax. 37.
23 Lex Fris. 17, 1.
24 Lex Alam. 25. Lex Baiuw. II 4.
25 Knut II 61. Leges Henrici 13, 8; 10, 1; 12, 3.
26 Siehe oben S. 47, Anm. 30. 31, S. 528, Anm. 4.

§ 130. Die Sonderfrieden.
und war wenigstens nach dem Baiernrechte die öffentliche Schmiede
ausgezeichnet18.

Den Dingfrieden haben wir als heiligen Frieden bereits oben I 145
kennen gelernt. Er beruht auf dem bei der Dinghegung ausgesprochenen
Friedensbanne, und wohl, weil er bei dieser Gelegenheit jedesmal aufs
neue geboten wurde, nehmen die Quellen so verhältnismäſsig seltenen
Anlaſs, ihn zu erwähnen19. Dem Dingfrieden galten die karolingischen
Verbote, mit Schild und Speer und mit bewaffnetem Gefolge vor Ge-
richt zu erscheinen20. Der Dingfriede war ein persönlicher Friede;
denn er heiligte die im Ding anwesenden Personen; er war ein räum-
lich und zeitlich beschränkter Friede, beschränkt auf die Dingstätte
und auf die Dauer des Dings.

Dem Dingfrieden nahe verwandt war der Friede des versammel-
ten Heeres. Die fränkischen Volksrechte setzen auf die im Heere be-
gangene Missethat, insbesondere auf Todschlag und Diebstahl, drei-
fache compositio21, eine Rechtsnorm, die in das alamannische und
sächsische Volksrecht22 Eingang fand und in das friesische, wo Wer-
geldsimplum und Friedensgeld sich verneunfachten23. Erregung eines
Streites, der Anlaſs eines Todschlags wird, macht nach der Lex Ala-
mannorum friedlos; nach dem bairirchen Rechte büſst man sie mit
einer Brüche von 600 Solidi24. Bei den Angelsachsen verwirkt
Leben oder Wergeld, wer auf der Heerfahrt den Frieden bricht25.

An den örtlichen Königsfrieden, an den Kirchenfrieden, an den
Ding- und Heerfrieden lehnte sich ein verstärkter Friede des Königs-
weges, des Kirchen-, Ding- und Heerweges an26. Diese Frieden hatten
den Charakter persönlicher Frieden. Wer zum Könige, zur Kirche,
zum Ding oder ins Heer ging und wer davon zurückkehrte, sollte höheren
Frieden haben. Verwandt war der Friede des Hochzeitsweges, der
nach einer Stelle der Lex Salica wenigstens der Braut höheren Rechts-

18 Lex Baiuw. IX 2.
19 Die Zeugnisse sind spärlich. Lex Fris. Add. 1, 1, betrifft den Frieden des
Dingweges. Vgl. Aethelred III 1, Eriks Sæll. Lov II 9. Wilda, Strafr. S. 135 f.
20 Cap. 803—813, c. 1, I 156. Memor Olonn. 822/3, c. 5, I 318. Waitz,
VG IV 388. Planck, Waffenverbot und Reichsacht im Sachsenspiegel, Münche-
ner SB 1884, S. 135.
21 Lex Sal. 63, 1. 2. Recapitulatio legis Salicae A 27. 28. Septem Causae
VIII 1. Lex Rib. 63.
22 Lex Alam. 25. 26. Arg. Lex Sax. 37.
23 Lex Fris. 17, 1.
24 Lex Alam. 25. Lex Baiuw. II 4.
25 Knut II 61. Leges Henrici 13, 8; 10, 1; 12, 3.
26 Siehe oben S. 47, Anm. 30. 31, S. 528, Anm. 4.
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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/601>, abgerufen am 22.11.2024.