Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 125. Absicht und Ungefähr. nehmen des Thäters nach der That zum Ausdrucke gelangt sein. Sogehörte es zur Brandstiftung, dass der Thäter Feuer setzte, oder auch, dass er ins Feuer blies. So gehörte es nach älterem Rechte zum Morde, dass der Todschläger die That zu verdunkeln suchte, indem er den Leichnam verbarg. Andererseits galten für Ungefährwerke nur bestimmte typische Bei dieser formalen Behandlung des subjektiven Momentes konnte 8 Lex Sal. 24, 5. Dazu Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 5, I 293, wonach der Unjährige die invasio terrae excepto fredo zu büssen hat. Lex Fris. Add. 3, 70. Nach schwedischen Quellen gilt alle That des Unmündigen für vathavaerk. v. Amira, Obligationenrecht I 375. Über das jüngere sächsische Recht siehe Kraut, Vormundschaft I 339 f. 9 Der Ausdruck Gefährdeeid rechtfertigt sich in dieser Anwendung u. a. durch die Analogie des iuramentum calumniae und des langob. iuramentum de asto (z. B. Expositio § 2 zu Roth. 202), eines Eides, durch den der Kläger schwört, dass er die Zweikampfklage non asto animo erhebe. Vgl. oben S. 344, Anm. 14. 10 Lex Sal. 36, Cod. 5--10. Lex Sal. 35, 5, Cod. 5 ff. Ed. Chilp. c. 5.
§ 125. Absicht und Ungefähr. nehmen des Thäters nach der That zum Ausdrucke gelangt sein. Sogehörte es zur Brandstiftung, daſs der Thäter Feuer setzte, oder auch, daſs er ins Feuer blies. So gehörte es nach älterem Rechte zum Morde, daſs der Todschläger die That zu verdunkeln suchte, indem er den Leichnam verbarg. Andererseits galten für Ungefährwerke nur bestimmte typische Bei dieser formalen Behandlung des subjektiven Momentes konnte 8 Lex Sal. 24, 5. Dazu Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 5, I 293, wonach der Unjährige die invasio terrae excepto fredo zu büſsen hat. Lex Fris. Add. 3, 70. Nach schwedischen Quellen gilt alle That des Unmündigen für vaþaværk. v. Amira, Obligationenrecht I 375. Über das jüngere sächsische Recht siehe Kraut, Vormundschaft I 339 f. 9 Der Ausdruck Gefährdeeid rechtfertigt sich in dieser Anwendung u. a. durch die Analogie des iuramentum calumniae und des langob. iuramentum de asto (z. B. Expositio § 2 zu Roth. 202), eines Eides, durch den der Kläger schwört, daſs er die Zweikampfklage non asto animo erhebe. Vgl. oben S. 344, Anm. 14. 10 Lex Sal. 36, Cod. 5—10. Lex Sal. 35, 5, Cod. 5 ff. Ed. Chilp. c. 5.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0564" n="546"/><fw place="top" type="header">§ 125. Absicht und Ungefähr.</fw><lb/> nehmen des Thäters nach der That zum Ausdrucke gelangt sein. So<lb/> gehörte es zur Brandstiftung, daſs der Thäter Feuer setzte, oder auch,<lb/> daſs er ins Feuer blies. So gehörte es nach älterem Rechte zum<lb/> Morde, daſs der Todschläger die That zu verdunkeln suchte, indem er<lb/> den Leichnam verbarg.</p><lb/> <p>Andererseits galten für Ungefährwerke nur bestimmte typische<lb/> Thatbestände, die derart gestaltet waren, daſs in aller Regel eine böse<lb/> Absicht nicht vorhanden war. Darum hielt man es für Ungefähr,<lb/> wenn bei dem Fällen eines Baumes ein Mensch erschlagen wurde,<lb/> wenn jemand eine Tierfalle gelegt hatte, die den Tod eines Menschen<lb/> verursachte, wenn die aufgehängte Waffe herabfiel und einen Menschen<lb/> tötete, oder wenn dies durch ein Geschoſs geschah, das von einem<lb/> Steine abprallte. Darum wurde die Unthat eines Unmündigen als<lb/> Ungefährwerk behandelt <note place="foot" n="8">Lex Sal. 24, 5. Dazu Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 5, I 293, wonach<lb/> der Unjährige die invasio terrae excepto fredo zu büſsen hat. Lex Fris. Add.<lb/> 3, 70. Nach schwedischen Quellen gilt alle That des Unmündigen für vaþaværk.<lb/> v. <hi rendition="#g">Amira</hi>, Obligationenrecht I 375. Über das jüngere sächsische Recht siehe<lb/><hi rendition="#g">Kraut</hi>, Vormundschaft I 339 f.</note>.</p><lb/> <p>Bei dieser formalen Behandlung des subjektiven Momentes konnte<lb/> es geschehen, daſs im einzelnen Falle die Absicht fehlte, obwohl der<lb/> Typus der Absichtlichkeit vorlag, und ebenso daſs eine Missethat die<lb/> Form des Ungefährwerkes an sich trug, obwohl sie absichtlich be-<lb/> gangen worden war. Um zu verhüten, daſs böse Absicht durch den<lb/> Typus des Ungefährs gedeckt werde, nahm das ältere Recht in den<lb/> Thatbestand des Ungefährwerkes oder doch gewisser Ungefährwerke<lb/> das Erfordernis der Verklarung auf, d. h. einer Handlung, durch<lb/> welche der Thäter den Unfall als Ungefähr konstatierte. Die Ver-<lb/> klarung muſste erfolgen, ehe die Sache klagbar wurde. Gleichzeitig<lb/> sollte der Thäter aus freien Stücken anbieten oder leisten, was er zu<lb/> leisten schuldig war. Die Verklarung verlangte einen auſserprozes-<lb/> sualischen Gefährdeeid (schwedisch vaꝥaeþer), durch den der Thäter die<lb/> Absichtslosigkeit beschwor <note place="foot" n="9">Der Ausdruck Gefährdeeid rechtfertigt sich in dieser Anwendung u. a. durch<lb/> die Analogie des iuramentum calumniae und des langob. iuramentum de asto (z. B.<lb/> Expositio § 2 zu Roth. 202), eines Eides, durch den der Kläger schwört, daſs er die<lb/> Zweikampfklage non asto animo erhebe. Vgl. oben S. 344, Anm. 14.</note>. So konnte nach salischem Rechte der<lb/> Herr, dessen Knecht oder Haustier einen Menschen getötet hatte, sich<lb/> durch Gefährdeeid und Preisgabe des Knechtes oder Tieres von weiterer<lb/> Verantwortung befreien <note place="foot" n="10">Lex Sal. 36, Cod. 5—10. Lex Sal. 35, 5, Cod. 5 ff. Ed. Chilp. c. 5.</note>. Anders als in den nordischen Rechten hat<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [546/0564]
§ 125. Absicht und Ungefähr.
nehmen des Thäters nach der That zum Ausdrucke gelangt sein. So
gehörte es zur Brandstiftung, daſs der Thäter Feuer setzte, oder auch,
daſs er ins Feuer blies. So gehörte es nach älterem Rechte zum
Morde, daſs der Todschläger die That zu verdunkeln suchte, indem er
den Leichnam verbarg.
Andererseits galten für Ungefährwerke nur bestimmte typische
Thatbestände, die derart gestaltet waren, daſs in aller Regel eine böse
Absicht nicht vorhanden war. Darum hielt man es für Ungefähr,
wenn bei dem Fällen eines Baumes ein Mensch erschlagen wurde,
wenn jemand eine Tierfalle gelegt hatte, die den Tod eines Menschen
verursachte, wenn die aufgehängte Waffe herabfiel und einen Menschen
tötete, oder wenn dies durch ein Geschoſs geschah, das von einem
Steine abprallte. Darum wurde die Unthat eines Unmündigen als
Ungefährwerk behandelt 8.
Bei dieser formalen Behandlung des subjektiven Momentes konnte
es geschehen, daſs im einzelnen Falle die Absicht fehlte, obwohl der
Typus der Absichtlichkeit vorlag, und ebenso daſs eine Missethat die
Form des Ungefährwerkes an sich trug, obwohl sie absichtlich be-
gangen worden war. Um zu verhüten, daſs böse Absicht durch den
Typus des Ungefährs gedeckt werde, nahm das ältere Recht in den
Thatbestand des Ungefährwerkes oder doch gewisser Ungefährwerke
das Erfordernis der Verklarung auf, d. h. einer Handlung, durch
welche der Thäter den Unfall als Ungefähr konstatierte. Die Ver-
klarung muſste erfolgen, ehe die Sache klagbar wurde. Gleichzeitig
sollte der Thäter aus freien Stücken anbieten oder leisten, was er zu
leisten schuldig war. Die Verklarung verlangte einen auſserprozes-
sualischen Gefährdeeid (schwedisch vaꝥaeþer), durch den der Thäter die
Absichtslosigkeit beschwor 9. So konnte nach salischem Rechte der
Herr, dessen Knecht oder Haustier einen Menschen getötet hatte, sich
durch Gefährdeeid und Preisgabe des Knechtes oder Tieres von weiterer
Verantwortung befreien 10. Anders als in den nordischen Rechten hat
8 Lex Sal. 24, 5. Dazu Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 5, I 293, wonach
der Unjährige die invasio terrae excepto fredo zu büſsen hat. Lex Fris. Add.
3, 70. Nach schwedischen Quellen gilt alle That des Unmündigen für vaþaværk.
v. Amira, Obligationenrecht I 375. Über das jüngere sächsische Recht siehe
Kraut, Vormundschaft I 339 f.
9 Der Ausdruck Gefährdeeid rechtfertigt sich in dieser Anwendung u. a. durch
die Analogie des iuramentum calumniae und des langob. iuramentum de asto (z. B.
Expositio § 2 zu Roth. 202), eines Eides, durch den der Kläger schwört, daſs er die
Zweikampfklage non asto animo erhebe. Vgl. oben S. 344, Anm. 14.
10 Lex Sal. 36, Cod. 5—10. Lex Sal. 35, 5, Cod. 5 ff. Ed. Chilp. c. 5.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |