Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 114. Acht- und Strafvollzug. Haupt abschlug 39. Neben der formlosen gab es eine rituelle Hin-richtung, die als ein Überrest des Opfertodes in der Rechtssitte ein weites Anwendungsgebiet behauptet hatte. Die Vollstreckungs- organe hielten sich eben bei Bestimmung der Todesart regelmässig an das alte Herkommen. So erklärt es sich, dass in den fränkischen Rechtsquellen der Galgentod als die selbstverständliche Todesstrafe des Diebstahls vorausgesetzt wird. Am zähesten scheinen sich die rituellen Tötungsarten in der Ein Akt der Rache gegen geständige Hexen war es, dass Frede- 39 Vita Leodegarii c. 48 ff. in AA SS Okt. I 476 ff. (Bouquet II 621 f.) 40 Lex Burg. 34, 1: si qua mulier maritum suum, cui legitime est iuncta, dimiserit, necetur in luto. 41 Greg. Tur. Hist. Franc. VI 36. Bei den Dietmarschen wurde das entehrte Mädchen mit Rat und Beistand der Geschlechtsfreunde lebendig begraben oder unter dem Eise ersäuft. Siehe oben Anm. 15. 42 Lex Sal. 70; 19, 1. Siehe oben Anm. 19. 43 Greg. Tur. Hist. Franc. VI 35. 44 Bonifatius an Aethilbald, Jaffe, Bibl. III 172. 45 Roth. 370. 46 In Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47 wird ein Sklave, der seinen Herrn ver-
wundet hatte, von dessen Verwandten mit abgehauenen Händen und Füssen an den Galgen gehängt. Nach Ostgötalagen Db. 13, § 2 darf der Unfreie, den der § 114. Acht- und Strafvollzug. Haupt abschlug 39. Neben der formlosen gab es eine rituelle Hin-richtung, die als ein Überrest des Opfertodes in der Rechtssitte ein weites Anwendungsgebiet behauptet hatte. Die Vollstreckungs- organe hielten sich eben bei Bestimmung der Todesart regelmäſsig an das alte Herkommen. So erklärt es sich, daſs in den fränkischen Rechtsquellen der Galgentod als die selbstverständliche Todesstrafe des Diebstahls vorausgesetzt wird. Am zähesten scheinen sich die rituellen Tötungsarten in der Ein Akt der Rache gegen geständige Hexen war es, dass Frede- 39 Vita Leodegarii c. 48 ff. in AA SS Okt. I 476 ff. (Bouquet II 621 f.) 40 Lex Burg. 34, 1: si qua mulier maritum suum, cui legitime est iuncta, dimiserit, necetur in luto. 41 Greg. Tur. Hist. Franc. VI 36. Bei den Dietmarschen wurde das entehrte Mädchen mit Rat und Beistand der Geschlechtsfreunde lebendig begraben oder unter dem Eise ersäuft. Siehe oben Anm. 15. 42 Lex Sal. 70; 19, 1. Siehe oben Anm. 19. 43 Greg. Tur. Hist. Franc. VI 35. 44 Bonifatius an Aethilbald, Jaffé, Bibl. III 172. 45 Roth. 370. 46 In Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47 wird ein Sklave, der seinen Herrn ver-
wundet hatte, von dessen Verwandten mit abgehauenen Händen und Füſsen an den Galgen gehängt. Nach Ostgötalagen Db. 13, § 2 darf der Unfreie, den der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0493" n="475"/><fw place="top" type="header">§ 114. Acht- und Strafvollzug.</fw><lb/> Haupt abschlug <note place="foot" n="39">Vita Leodegarii c. 48 ff. in AA SS Okt. I 476 ff. (Bouquet II 621 f.)</note>. Neben der formlosen gab es eine rituelle Hin-<lb/> richtung, die als ein Überrest des Opfertodes in der Rechtssitte<lb/> ein weites Anwendungsgebiet behauptet hatte. Die Vollstreckungs-<lb/> organe hielten sich eben bei Bestimmung der Todesart regelmäſsig<lb/> an das alte Herkommen. So erklärt es sich, daſs in den fränkischen<lb/> Rechtsquellen der Galgentod als die selbstverständliche Todesstrafe<lb/> des Diebstahls vorausgesetzt wird.</p><lb/> <p>Am zähesten scheinen sich die rituellen Tötungsarten in der<lb/> Strafjustiz des Hauses und der Sippe, bei Ausübung der Rache und<lb/> bei Ahndung handhafter That erhalten zu haben. Wo die Quellen<lb/> eine rituelle Todesstrafe erwähnen, ist häufig eine dem Hausherrn,<lb/> der Sippe oder dem Bluträcher zustehende Privathinrichtung gemeint.<lb/> Wenn nach burgundischem Rechte die Ehebrecherin im Schlamme<lb/> begraben werden soll <note place="foot" n="40">Lex Burg. 34, 1: si qua mulier maritum suum, cui legitime est iuncta,<lb/> dimiserit, necetur in luto.</note>, haben wir uns den Ehemann und seine Sippe<lb/> als Rächer ihrer Ehre zu denken. Nach einer Erzählung Gregors von<lb/> Tours wurde eine Entehrte von ihrer Magschaft verbrannt <note place="foot" n="41">Greg. Tur. Hist. Franc. VI 36. Bei den Dietmarschen wurde das entehrte<lb/> Mädchen mit Rat und Beistand der Geschlechtsfreunde lebendig begraben oder<lb/> unter dem Eise ersäuft. Siehe oben Anm. 15.</note>. Das<lb/> in der Lex Salica angedrohte Rädern des Knechtes, mit dem die<lb/> Herrin sich ehelich verbunden hatte, war sicherlich eine That der<lb/> beleidigten Sippe, die auch das Recht hatte, dem schuldigen Weibe<lb/> das Leben zu nehmen. Der Feuertod der Giftmörderin wurde von<lb/> der Verwandtschaft des Vergifteten exequiert <note place="foot" n="42">Lex Sal. 70; 19, 1. Siehe oben Anm. 19.</note>.</p><lb/> <p>Ein Akt der Rache gegen geständige Hexen war es, dass Frede-<lb/> gunde sie teils ertränken, teils rädern, teils verbrennen lieſs, weil sie<lb/> den Tod des Königssohnes verursacht hatten <note place="foot" n="43">Greg. Tur. Hist. Franc. VI 35.</note>. Um Racheakte der<lb/> Sippe handelt es sich, wenn uns von den Sachsen erzählt wird, daſs<lb/> sie den Verführer über dem Grabe der Verführten aufknüpften <note place="foot" n="44">Bonifatius an Aethilbald, Jaffé, Bibl. III 172.</note>, und<lb/> wenn nach einer Satzung Rotharis <note place="foot" n="45">Roth. 370.</note> zur Sühne begangenen Mordes<lb/> der Königsknecht über dem Grabe des Ermordeten aufgehängt wurde <note xml:id="seg2pn_124_1" next="#seg2pn_124_2" place="foot" n="46">In Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47 wird ein Sklave, der seinen Herrn ver-<lb/> wundet hatte, von dessen Verwandten mit abgehauenen Händen und Füſsen an<lb/> den Galgen gehängt. Nach Ostgötalagen Db. 13, § 2 darf der Unfreie, den der</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [475/0493]
§ 114. Acht- und Strafvollzug.
Haupt abschlug 39. Neben der formlosen gab es eine rituelle Hin-
richtung, die als ein Überrest des Opfertodes in der Rechtssitte
ein weites Anwendungsgebiet behauptet hatte. Die Vollstreckungs-
organe hielten sich eben bei Bestimmung der Todesart regelmäſsig
an das alte Herkommen. So erklärt es sich, daſs in den fränkischen
Rechtsquellen der Galgentod als die selbstverständliche Todesstrafe
des Diebstahls vorausgesetzt wird.
Am zähesten scheinen sich die rituellen Tötungsarten in der
Strafjustiz des Hauses und der Sippe, bei Ausübung der Rache und
bei Ahndung handhafter That erhalten zu haben. Wo die Quellen
eine rituelle Todesstrafe erwähnen, ist häufig eine dem Hausherrn,
der Sippe oder dem Bluträcher zustehende Privathinrichtung gemeint.
Wenn nach burgundischem Rechte die Ehebrecherin im Schlamme
begraben werden soll 40, haben wir uns den Ehemann und seine Sippe
als Rächer ihrer Ehre zu denken. Nach einer Erzählung Gregors von
Tours wurde eine Entehrte von ihrer Magschaft verbrannt 41. Das
in der Lex Salica angedrohte Rädern des Knechtes, mit dem die
Herrin sich ehelich verbunden hatte, war sicherlich eine That der
beleidigten Sippe, die auch das Recht hatte, dem schuldigen Weibe
das Leben zu nehmen. Der Feuertod der Giftmörderin wurde von
der Verwandtschaft des Vergifteten exequiert 42.
Ein Akt der Rache gegen geständige Hexen war es, dass Frede-
gunde sie teils ertränken, teils rädern, teils verbrennen lieſs, weil sie
den Tod des Königssohnes verursacht hatten 43. Um Racheakte der
Sippe handelt es sich, wenn uns von den Sachsen erzählt wird, daſs
sie den Verführer über dem Grabe der Verführten aufknüpften 44, und
wenn nach einer Satzung Rotharis 45 zur Sühne begangenen Mordes
der Königsknecht über dem Grabe des Ermordeten aufgehängt wurde 46.
39 Vita Leodegarii c. 48 ff. in AA SS Okt. I 476 ff. (Bouquet II 621 f.)
40 Lex Burg. 34, 1: si qua mulier maritum suum, cui legitime est iuncta,
dimiserit, necetur in luto.
41 Greg. Tur. Hist. Franc. VI 36. Bei den Dietmarschen wurde das entehrte
Mädchen mit Rat und Beistand der Geschlechtsfreunde lebendig begraben oder
unter dem Eise ersäuft. Siehe oben Anm. 15.
42 Lex Sal. 70; 19, 1. Siehe oben Anm. 19.
43 Greg. Tur. Hist. Franc. VI 35.
44 Bonifatius an Aethilbald, Jaffé, Bibl. III 172.
45 Roth. 370.
46 In Greg. Tur. Hist. Franc. VII 47 wird ein Sklave, der seinen Herrn ver-
wundet hatte, von dessen Verwandten mit abgehauenen Händen und Füſsen an
den Galgen gehängt. Nach Ostgötalagen Db. 13, § 2 darf der Unfreie, den der
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