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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 110. Die aussergerichtliche Pfandnahme.

Der Pfandnehmer darf nach manchen Rechten mehr nehmen als
den Betrag der pfändbaren Schuld. Nach burgundischem Rechte 29
mag er z. B. ein Drittel mehr pfänden, nach langobardischem
Rechte 30 das Doppelte und zwar in zwei successiven Pfändungen,
wenn die erste Pfändung keinen genügenden Zwang auf den Schuldner
ausgeübt hatte, um ihn zur Zahlung der Schuld zu bewegen. Nach
den fränkischen Volksrechten erhöhte sich die pfändbare Schuld um
feste Bussbeträge.

Die aussergerichtliche Pfändung diente zunächst nur als Zwangs-
und Sicherungsmittel. Der Gläubiger erlangte durch die Pfändung nicht
etwa Eigentum an dem Pfande, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht
mit pfandrechtlichen Wirkungen, die entweder dem gesetzten Nutzungs-
oder dem gesetzten Verfallspfande entsprechen. Nach langobardischem
Rechte darf der Gläubiger das genommene Pfand während einer be-
stimmten Frist 31 nicht einmal gebrauchen, sondern nur zurückbehalten.
Während dieser Frist trägt er die Gefahr des Zufalls und soll der
Schuldner das Pfand einlösen. Nach Ablauf der Frist geht die Ge-
fahr auf den Schuldner über und erlangt der Gläubiger das Gebrauchs-
und Nutzungsrecht. Die Befugnis des Schuldners, das Pfand ein-
zulösen, ist nach Rotharis Edikt noch eine zeitlich unbeschränkte.
Erst Liutprand setzte fest, dass das Pfand binnen 30 oder 60 Tagen
nach der Pfandnahme dem Gläubiger zu Eigentum verfalle 32. Mit
dem altlangobardischen Rechte stimmen hinsichtlich der Wirkung der
Pfandnahme die ostnordischen Rechte grundsätzlich überein 33. Auf

Nach Jydske Lov II 58 steht auf Nam ohne Dom Strafe des Raubes oder
Diebstahls.
29 Lex Burg. 19, 6: ut tertiam partem fideiussor amplius tollat, quam summa
debiti est. Nach jüngeren fränkischen Rechten und nach dänischem Rechte den dritten
Pfennig, d. h. die Hälfte mehr. Nortier, Bijdrage tot de kennis van het burger-
lijk proces in de 15e eeuw binnen der stad Leiden 1874, S. 74. Seerp Gratama,
Rechtsgeschiedenis van Drenthe S. 272. Vgl. Eriks Saell. Lov III 26.
30 Liu. 108.
31 Sie beträgt 20 Tage nach Ro. 252, 60 Tage, wenn Gläubiger und Schuld-
ner mehr als hundert Meilen von einander entfernt sind. Liu. 108. 109 verkürzte
die Frist auf 12 Tage.
32 Das verfallene Pfand heisst transactum, fegangi. Vgl. oben I 172, Anm. 27
und Z. f. HR XXII 545. -- Der Pfandnehmer erwirbt sonach an dem Pfandobjekte
zuerst ein Zurückbehaltungsrecht, dann ein Gebrauchs- und Nutzungsrecht, schliess-
lich das Eigentum.
33 v. Amira, Obligationenrecht I 238. Lehmann, Königsfriede S. 118 f.
Nach Uplandslagen lautete das Urteil des Gerichts, welches die Pfändung gestattete,
dass der Gläubiger Nam des Schuldners nehme und behalte bis dahin, dass er es
zurücklöst. Nach 'Eriks' seeländischem Rechtsbuch III 26 soll der Pfandnehmer
§ 110. Die auſsergerichtliche Pfandnahme.

Der Pfandnehmer darf nach manchen Rechten mehr nehmen als
den Betrag der pfändbaren Schuld. Nach burgundischem Rechte 29
mag er z. B. ein Drittel mehr pfänden, nach langobardischem
Rechte 30 das Doppelte und zwar in zwei successiven Pfändungen,
wenn die erste Pfändung keinen genügenden Zwang auf den Schuldner
ausgeübt hatte, um ihn zur Zahlung der Schuld zu bewegen. Nach
den fränkischen Volksrechten erhöhte sich die pfändbare Schuld um
feste Buſsbeträge.

Die auſsergerichtliche Pfändung diente zunächst nur als Zwangs-
und Sicherungsmittel. Der Gläubiger erlangte durch die Pfändung nicht
etwa Eigentum an dem Pfande, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht
mit pfandrechtlichen Wirkungen, die entweder dem gesetzten Nutzungs-
oder dem gesetzten Verfallspfande entsprechen. Nach langobardischem
Rechte darf der Gläubiger das genommene Pfand während einer be-
stimmten Frist 31 nicht einmal gebrauchen, sondern nur zurückbehalten.
Während dieser Frist trägt er die Gefahr des Zufalls und soll der
Schuldner das Pfand einlösen. Nach Ablauf der Frist geht die Ge-
fahr auf den Schuldner über und erlangt der Gläubiger das Gebrauchs-
und Nutzungsrecht. Die Befugnis des Schuldners, das Pfand ein-
zulösen, ist nach Rotharis Edikt noch eine zeitlich unbeschränkte.
Erst Liutprand setzte fest, daſs das Pfand binnen 30 oder 60 Tagen
nach der Pfandnahme dem Gläubiger zu Eigentum verfalle 32. Mit
dem altlangobardischen Rechte stimmen hinsichtlich der Wirkung der
Pfandnahme die ostnordischen Rechte grundsätzlich überein 33. Auf

Nach Jydske Lov II 58 steht auf Nam ohne Dom Strafe des Raubes oder
Diebstahls.
29 Lex Burg. 19, 6: ut tertiam partem fideiussor amplius tollat, quam summa
debiti est. Nach jüngeren fränkischen Rechten und nach dänischem Rechte den dritten
Pfennig, d. h. die Hälfte mehr. Nortier, Bijdrage tot de kennis van het burger-
lijk proces in de 15e eeuw binnen der stad Leiden 1874, S. 74. Seerp Gratama,
Rechtsgeschiedenis van Drenthe S. 272. Vgl. Eriks Sæll. Lov III 26.
30 Liu. 108.
31 Sie beträgt 20 Tage nach Ro. 252, 60 Tage, wenn Gläubiger und Schuld-
ner mehr als hundert Meilen von einander entfernt sind. Liu. 108. 109 verkürzte
die Frist auf 12 Tage.
32 Das verfallene Pfand heiſst transactum, fegangi. Vgl. oben I 172, Anm. 27
und Z. f. HR XXII 545. — Der Pfandnehmer erwirbt sonach an dem Pfandobjekte
zuerst ein Zurückbehaltungsrecht, dann ein Gebrauchs- und Nutzungsrecht, schlieſs-
lich das Eigentum.
33 v. Amira, Obligationenrecht I 238. Lehmann, Königsfriede S. 118 f.
Nach Uplandslagen lautete das Urteil des Gerichts, welches die Pfändung gestattete,
daſs der Gläubiger Nam des Schuldners nehme und behalte bis dahin, daſs er es
zurücklöst. Nach ‘Eriks’ seeländischem Rechtsbuch III 26 soll der Pfandnehmer
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[450/0468] § 110. Die auſsergerichtliche Pfandnahme. Der Pfandnehmer darf nach manchen Rechten mehr nehmen als den Betrag der pfändbaren Schuld. Nach burgundischem Rechte 29 mag er z. B. ein Drittel mehr pfänden, nach langobardischem Rechte 30 das Doppelte und zwar in zwei successiven Pfändungen, wenn die erste Pfändung keinen genügenden Zwang auf den Schuldner ausgeübt hatte, um ihn zur Zahlung der Schuld zu bewegen. Nach den fränkischen Volksrechten erhöhte sich die pfändbare Schuld um feste Buſsbeträge. Die auſsergerichtliche Pfändung diente zunächst nur als Zwangs- und Sicherungsmittel. Der Gläubiger erlangte durch die Pfändung nicht etwa Eigentum an dem Pfande, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht mit pfandrechtlichen Wirkungen, die entweder dem gesetzten Nutzungs- oder dem gesetzten Verfallspfande entsprechen. Nach langobardischem Rechte darf der Gläubiger das genommene Pfand während einer be- stimmten Frist 31 nicht einmal gebrauchen, sondern nur zurückbehalten. Während dieser Frist trägt er die Gefahr des Zufalls und soll der Schuldner das Pfand einlösen. Nach Ablauf der Frist geht die Ge- fahr auf den Schuldner über und erlangt der Gläubiger das Gebrauchs- und Nutzungsrecht. Die Befugnis des Schuldners, das Pfand ein- zulösen, ist nach Rotharis Edikt noch eine zeitlich unbeschränkte. Erst Liutprand setzte fest, daſs das Pfand binnen 30 oder 60 Tagen nach der Pfandnahme dem Gläubiger zu Eigentum verfalle 32. Mit dem altlangobardischen Rechte stimmen hinsichtlich der Wirkung der Pfandnahme die ostnordischen Rechte grundsätzlich überein 33. Auf 28 29 Lex Burg. 19, 6: ut tertiam partem fideiussor amplius tollat, quam summa debiti est. Nach jüngeren fränkischen Rechten und nach dänischem Rechte den dritten Pfennig, d. h. die Hälfte mehr. Nortier, Bijdrage tot de kennis van het burger- lijk proces in de 15e eeuw binnen der stad Leiden 1874, S. 74. Seerp Gratama, Rechtsgeschiedenis van Drenthe S. 272. Vgl. Eriks Sæll. Lov III 26. 30 Liu. 108. 31 Sie beträgt 20 Tage nach Ro. 252, 60 Tage, wenn Gläubiger und Schuld- ner mehr als hundert Meilen von einander entfernt sind. Liu. 108. 109 verkürzte die Frist auf 12 Tage. 32 Das verfallene Pfand heiſst transactum, fegangi. Vgl. oben I 172, Anm. 27 und Z. f. HR XXII 545. — Der Pfandnehmer erwirbt sonach an dem Pfandobjekte zuerst ein Zurückbehaltungsrecht, dann ein Gebrauchs- und Nutzungsrecht, schlieſs- lich das Eigentum. 33 v. Amira, Obligationenrecht I 238. Lehmann, Königsfriede S. 118 f. Nach Uplandslagen lautete das Urteil des Gerichts, welches die Pfändung gestattete, daſs der Gläubiger Nam des Schuldners nehme und behalte bis dahin, daſs er es zurücklöst. Nach ‘Eriks’ seeländischem Rechtsbuch III 26 soll der Pfandnehmer 28 Nach Jydske Lov II 58 steht auf Nam ohne Dom Strafe des Raubes oder Diebstahls.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/468>, abgerufen am 22.11.2024.