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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 109. Die gutwillige Befriedigung.
angelobt und lautete das Urteil auf Zahlung einer Geldsumme --
was bei Buss- und Wergeldschulden jetzt stets der Fall war --, so
stand dem Schuldner eine rechtlich normierte Zahlungsfrist zu Gebote,
die bei den Salfranken wie die Beweisfrist regelmässig vierzig Nächte
betrug. Längere Fristen und eine Mehrheit von Zahlungsterminen
kennen die meisten Rechte bei Entrichtung des Wergeldes 1.

Auch wenn Urteil und Wette auf eine Geldsumme lauteten, er-
folgte die Zahlung meistens nicht in Geld, sondern in Geldeswert,
in Knechten, Vieh, Waffen und sonstigen Stücken beweglicher Habe 2.
Darum setzt die Lex Salica voraus, dass der Gläubiger, der sich von
dem Schuldner die Zahlung holen will, von Schätzungsleuten be-
gleitet sei 3. In karolingischer Zeit wurden für die Gegenstände, die
man in Zahlung zu geben pflegte, besondere Werttaxen aufgestellt 4.
Doch war die Taxe nicht schlechtweg bindend; denn der Schuldner
durfte schwören, dass der Gegenstand, den er in Zahlung gebe, einen
höheren als den gesetzlich taxierten Wert habe 5.

Wie der Schuldner durch Hingabe eines Knechtes den seinem
Werte entsprechenden Teil der Schuld tilgen konnte, so mochte er, wenn
und soweit es an anderen Zahlungsmitteln gebrach, sich selbst oder
sich und die seinigen für die Schuld oder einen Schuldrest verknechten.
Die Selbstverknechtung geschah als ein rechtsförmlicher Akt 6, indem
der Schuldner Hände und Haupt in die Hand des Herrn legte, sich
von ihm an den Haaren ergreifen liess, den Gürtel oder den Arm des
Herrn auf seinen Nacken setzte 7. In Neustrien wurde über den Akt

1 Z2 f. RG III 8 ff.
2 Carta Senon. 51: et servo suo nomen illo vel alia rauba sua ipsa illa pro
illa leodi ipsius lue vel coniuge sua illa, in quod eis bene conplacuit, dedit.
3 Lex Sal. 50, 1.
4 Lex Rib. 36, 11 (vgl. oben I 304, Anm. 5). Teilweise abgeändert durch
Cap. legib. add. von 818--819, c. 8, I 282. Lex Sax. 66. Cap. Saxon. v. J. 797,
c. 11, I 72 (vgl. oben I 348).
5 Nach Cap. legib. add. von 818--819 a. O. dürfen Schwert und Falke nicht
mehr in Zahlung gegeben werden, quia propter illa duo aliquoties periurium com-
mittitur, quando maioris pretii, quam illa sint, esse iurantur. Vermutlich war die
Taxe der Lex Ribuaria in der Zeit Ludwigs I. zu niedrig und zugleich der Wert
jener Gegenstände ein schwankender geworden, was dann den Anlass gab, im ein-
zelnen Falle einen höheren als den wirklichen Wert zu beschwören.
6 Grimm, RA S. 147. 328 und oben S. 271.
7 Form. Bignon. 27, Form. Pith. 75: brachium in collum posui et per comam
capitis mei .. tradere feci. Bernard, Chartes de Cluny I, Nr. 30 v. J. 887: corri-
giam ad collum meum misi et manibus .. se tradidit .. Cod. Cavensis I, Nr. 106:
per capillis capitis suis se ipso T. conprendere fecimus. Leges Henrici primi

§ 109. Die gutwillige Befriedigung.
angelobt und lautete das Urteil auf Zahlung einer Geldsumme —
was bei Buſs- und Wergeldschulden jetzt stets der Fall war —, so
stand dem Schuldner eine rechtlich normierte Zahlungsfrist zu Gebote,
die bei den Salfranken wie die Beweisfrist regelmäſsig vierzig Nächte
betrug. Längere Fristen und eine Mehrheit von Zahlungsterminen
kennen die meisten Rechte bei Entrichtung des Wergeldes 1.

Auch wenn Urteil und Wette auf eine Geldsumme lauteten, er-
folgte die Zahlung meistens nicht in Geld, sondern in Geldeswert,
in Knechten, Vieh, Waffen und sonstigen Stücken beweglicher Habe 2.
Darum setzt die Lex Salica voraus, daſs der Gläubiger, der sich von
dem Schuldner die Zahlung holen will, von Schätzungsleuten be-
gleitet sei 3. In karolingischer Zeit wurden für die Gegenstände, die
man in Zahlung zu geben pflegte, besondere Werttaxen aufgestellt 4.
Doch war die Taxe nicht schlechtweg bindend; denn der Schuldner
durfte schwören, daſs der Gegenstand, den er in Zahlung gebe, einen
höheren als den gesetzlich taxierten Wert habe 5.

Wie der Schuldner durch Hingabe eines Knechtes den seinem
Werte entsprechenden Teil der Schuld tilgen konnte, so mochte er, wenn
und soweit es an anderen Zahlungsmitteln gebrach, sich selbst oder
sich und die seinigen für die Schuld oder einen Schuldrest verknechten.
Die Selbstverknechtung geschah als ein rechtsförmlicher Akt 6, indem
der Schuldner Hände und Haupt in die Hand des Herrn legte, sich
von ihm an den Haaren ergreifen lieſs, den Gürtel oder den Arm des
Herrn auf seinen Nacken setzte 7. In Neustrien wurde über den Akt

1 Z2 f. RG III 8 ff.
2 Carta Senon. 51: et servo suo nomen illo vel alia rauba sua ipsa illa pro
illa leodi ipsius lue vel coniuge sua illa, in quod eis bene conplacuit, dedit.
3 Lex Sal. 50, 1.
4 Lex Rib. 36, 11 (vgl. oben I 304, Anm. 5). Teilweise abgeändert durch
Cap. legib. add. von 818—819, c. 8, I 282. Lex Sax. 66. Cap. Saxon. v. J. 797,
c. 11, I 72 (vgl. oben I 348).
5 Nach Cap. legib. add. von 818—819 a. O. dürfen Schwert und Falke nicht
mehr in Zahlung gegeben werden, quia propter illa duo aliquoties periurium com-
mittitur, quando maioris pretii, quam illa sint, esse iurantur. Vermutlich war die
Taxe der Lex Ribuaria in der Zeit Ludwigs I. zu niedrig und zugleich der Wert
jener Gegenstände ein schwankender geworden, was dann den Anlaſs gab, im ein-
zelnen Falle einen höheren als den wirklichen Wert zu beschwören.
6 Grimm, RA S. 147. 328 und oben S. 271.
7 Form. Bignon. 27, Form. Pith. 75: brachium in collum posui et per comam
capitis mei .. tradere feci. Bernard, Chartes de Cluny I, Nr. 30 v. J. 887: corri-
giam ad collum meum misi et manibus .. se tradidit .. Cod. Cavensis I, Nr. 106:
per capillis capitis suis se ipso T. conprendere fecimus. Leges Henrici primi
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[442/0460] § 109. Die gutwillige Befriedigung. angelobt und lautete das Urteil auf Zahlung einer Geldsumme — was bei Buſs- und Wergeldschulden jetzt stets der Fall war —, so stand dem Schuldner eine rechtlich normierte Zahlungsfrist zu Gebote, die bei den Salfranken wie die Beweisfrist regelmäſsig vierzig Nächte betrug. Längere Fristen und eine Mehrheit von Zahlungsterminen kennen die meisten Rechte bei Entrichtung des Wergeldes 1. Auch wenn Urteil und Wette auf eine Geldsumme lauteten, er- folgte die Zahlung meistens nicht in Geld, sondern in Geldeswert, in Knechten, Vieh, Waffen und sonstigen Stücken beweglicher Habe 2. Darum setzt die Lex Salica voraus, daſs der Gläubiger, der sich von dem Schuldner die Zahlung holen will, von Schätzungsleuten be- gleitet sei 3. In karolingischer Zeit wurden für die Gegenstände, die man in Zahlung zu geben pflegte, besondere Werttaxen aufgestellt 4. Doch war die Taxe nicht schlechtweg bindend; denn der Schuldner durfte schwören, daſs der Gegenstand, den er in Zahlung gebe, einen höheren als den gesetzlich taxierten Wert habe 5. Wie der Schuldner durch Hingabe eines Knechtes den seinem Werte entsprechenden Teil der Schuld tilgen konnte, so mochte er, wenn und soweit es an anderen Zahlungsmitteln gebrach, sich selbst oder sich und die seinigen für die Schuld oder einen Schuldrest verknechten. Die Selbstverknechtung geschah als ein rechtsförmlicher Akt 6, indem der Schuldner Hände und Haupt in die Hand des Herrn legte, sich von ihm an den Haaren ergreifen lieſs, den Gürtel oder den Arm des Herrn auf seinen Nacken setzte 7. In Neustrien wurde über den Akt 1 Z2 f. RG III 8 ff. 2 Carta Senon. 51: et servo suo nomen illo vel alia rauba sua ipsa illa pro illa leodi ipsius lue vel coniuge sua illa, in quod eis bene conplacuit, dedit. 3 Lex Sal. 50, 1. 4 Lex Rib. 36, 11 (vgl. oben I 304, Anm. 5). Teilweise abgeändert durch Cap. legib. add. von 818—819, c. 8, I 282. Lex Sax. 66. Cap. Saxon. v. J. 797, c. 11, I 72 (vgl. oben I 348). 5 Nach Cap. legib. add. von 818—819 a. O. dürfen Schwert und Falke nicht mehr in Zahlung gegeben werden, quia propter illa duo aliquoties periurium com- mittitur, quando maioris pretii, quam illa sint, esse iurantur. Vermutlich war die Taxe der Lex Ribuaria in der Zeit Ludwigs I. zu niedrig und zugleich der Wert jener Gegenstände ein schwankender geworden, was dann den Anlaſs gab, im ein- zelnen Falle einen höheren als den wirklichen Wert zu beschwören. 6 Grimm, RA S. 147. 328 und oben S. 271. 7 Form. Bignon. 27, Form. Pith. 75: brachium in collum posui et per comam capitis mei .. tradere feci. Bernard, Chartes de Cluny I, Nr. 30 v. J. 887: corri- giam ad collum meum misi et manibus .. se tradidit .. Cod. Cavensis I, Nr. 106: per capillis capitis suis se ipso T. conprendere fecimus. Leges Henrici primi

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/460>, abgerufen am 23.11.2024.