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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 62. Die Thronfolge.
von Königen, die aus dem Geschlechte der Merowinger gewählt wurden.
Indem er sich zum König wählen liess, dehnte Chlodovech seine Herr-
schaft auf die Ribuarier aus, nachdem er das ribuarische Königs-
geschlecht ausgerottet hatte. Es war auf längere Zeit hinaus der
letzte Fall einer Königswahl. Denn seit Chlodovech nimmt das fränki-
sche Reich den Charakter eines reinen Erbreiches an und verschwindet
das Wahlrecht des Volkes. Erbberechtigt ist nur der Mannesstamm
des Königshauses. Dem verstorbenen König folgen zunächst seine
Söhne ohne Unterscheidung ehelicher und unehelicher Geburt 10. In
Ermangelung von Söhnen erben die Brüder und wahrscheinlich von
Rechtswegen erst nach diesen die Neffen 11. Für die entferntere Ver-
wandtschaft lässt sich eine feste Successionsordnung schlechterdings
nicht herstellen. Mehrere gleich nahe Erben succedierten gemein-
schaftlich, indem sie die erledigte Herrschaft vertragsmässig teilten,
sofern nicht bereits der Erblasser die Teile bestimmt hatte. Starb
ein Teilkönig, so gelang es nicht selten seinen regierenden Brüdern,
die minderjährigen Söhne des Verstorbenen von der Nachfolge auszu-
schliessen. Mitunter kam es vor, dass der Vater schon bei Lebzeiten
einem Sohne die Regierung eines Reichsteiles übertrug, indem er ihn
als Unterkönig bestellte. Der kinderlose König hatte die Befugnis,
ein Mitglied des Königsgeschlechtes durch Vergabung von Todeswegen
zum Erben seines Reiches zu machen. Die fränkische Vergabung von
Todeswegen war Adoption. Mehrmals sind Neffen von ihren Oheimen
zum Zweck solcher Vergabung adoptiert worden 12.

Die merowingischen Erbteilungen waren grundsätzlich Teilungen
zu gleichen Teilen 13, wobei denn freilich nicht nur Umfang und Be-

10 Theuderich war Sohn einer Kebse Chlodovechs. Weitere Beispiele bei
W. Sickel, Götting. gel. Anzeigen 1889, S. 952. Der uneheliche Sohn musste
vom Vater anerkannt sein. Unter den Karolingern ist eheliche Geburt Voraus-
setzung des vollen Successionsrechtes.
11 Über die scheinbar entgegenstehenden Stellen Greg. Tur. Hist. Frarc.
V 17; VI 3; VII 33 siehe die folgende Anm.
12 So machte Guntchram seinen Neffen Childebert II. zum Erben mit Aus-
schliessung seines Bruders Chilperich. Greg. Tur. Hist. Franc. V 17; cf. VII 33.
Als Vergabung mit Vorbehalt lebenslänglicher Regierung ist wohl auch Greg. Tur.
Hist. Franc. VI 3 aufzufassen, wenn es nicht etwa damals bei dem blossen Ver-
sprechen der Vergabung blieb. Chilperich erklärt: in omnibus, quae laborare po-
tuero, hic (Childebertus) heres existat; tantum dum advixero, liceat mihi sine scru-
pulo aut disceptatione cuncta tenere. Theudebert, den Childebert I. adoptiert hatte
(Greg. Tur. l. c. III 24), starb vor seinem Oheim. W. Sickel a. O. S. 959.
13 Aequa lance teilen nach Greg. Tur. Hist. Franc. III 1 die Söhne Chlodo-
vechs das Reich ihres Vaters; aequa lance teilen a. O. III 18 Childebert und
Chlothar den Anteil Chlodomirs.

§ 62. Die Thronfolge.
von Königen, die aus dem Geschlechte der Merowinger gewählt wurden.
Indem er sich zum König wählen lieſs, dehnte Chlodovech seine Herr-
schaft auf die Ribuarier aus, nachdem er das ribuarische Königs-
geschlecht ausgerottet hatte. Es war auf längere Zeit hinaus der
letzte Fall einer Königswahl. Denn seit Chlodovech nimmt das fränki-
sche Reich den Charakter eines reinen Erbreiches an und verschwindet
das Wahlrecht des Volkes. Erbberechtigt ist nur der Mannesstamm
des Königshauses. Dem verstorbenen König folgen zunächst seine
Söhne ohne Unterscheidung ehelicher und unehelicher Geburt 10. In
Ermangelung von Söhnen erben die Brüder und wahrscheinlich von
Rechtswegen erst nach diesen die Neffen 11. Für die entferntere Ver-
wandtschaft läſst sich eine feste Successionsordnung schlechterdings
nicht herstellen. Mehrere gleich nahe Erben succedierten gemein-
schaftlich, indem sie die erledigte Herrschaft vertragsmäſsig teilten,
sofern nicht bereits der Erblasser die Teile bestimmt hatte. Starb
ein Teilkönig, so gelang es nicht selten seinen regierenden Brüdern,
die minderjährigen Söhne des Verstorbenen von der Nachfolge auszu-
schlieſsen. Mitunter kam es vor, daſs der Vater schon bei Lebzeiten
einem Sohne die Regierung eines Reichsteiles übertrug, indem er ihn
als Unterkönig bestellte. Der kinderlose König hatte die Befugnis,
ein Mitglied des Königsgeschlechtes durch Vergabung von Todeswegen
zum Erben seines Reiches zu machen. Die fränkische Vergabung von
Todeswegen war Adoption. Mehrmals sind Neffen von ihren Oheimen
zum Zweck solcher Vergabung adoptiert worden 12.

Die merowingischen Erbteilungen waren grundsätzlich Teilungen
zu gleichen Teilen 13, wobei denn freilich nicht nur Umfang und Be-

10 Theuderich war Sohn einer Kebse Chlodovechs. Weitere Beispiele bei
W. Sickel, Götting. gel. Anzeigen 1889, S. 952. Der uneheliche Sohn muſste
vom Vater anerkannt sein. Unter den Karolingern ist eheliche Geburt Voraus-
setzung des vollen Successionsrechtes.
11 Über die scheinbar entgegenstehenden Stellen Greg. Tur. Hist. Frarc.
V 17; VI 3; VII 33 siehe die folgende Anm.
12 So machte Guntchram seinen Neffen Childebert II. zum Erben mit Aus-
schlieſsung seines Bruders Chilperich. Greg. Tur. Hist. Franc. V 17; cf. VII 33.
Als Vergabung mit Vorbehalt lebenslänglicher Regierung ist wohl auch Greg. Tur.
Hist. Franc. VI 3 aufzufassen, wenn es nicht etwa damals bei dem bloſsen Ver-
sprechen der Vergabung blieb. Chilperich erklärt: in omnibus, quae laborare po-
tuero, hic (Childebertus) heres existat; tantum dum advixero, liceat mihi sine scru-
pulo aut disceptatione cuncta tenere. Theudebert, den Childebert I. adoptiert hatte
(Greg. Tur. l. c. III 24), starb vor seinem Oheim. W. Sickel a. O. S. 959.
13 Aequa lance teilen nach Greg. Tur. Hist. Franc. III 1 die Söhne Chlodo-
vechs das Reich ihres Vaters; aequa lance teilen a. O. III 18 Childebert und
Chlothar den Anteil Chlodomirs.
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[25/0043] § 62. Die Thronfolge. von Königen, die aus dem Geschlechte der Merowinger gewählt wurden. Indem er sich zum König wählen lieſs, dehnte Chlodovech seine Herr- schaft auf die Ribuarier aus, nachdem er das ribuarische Königs- geschlecht ausgerottet hatte. Es war auf längere Zeit hinaus der letzte Fall einer Königswahl. Denn seit Chlodovech nimmt das fränki- sche Reich den Charakter eines reinen Erbreiches an und verschwindet das Wahlrecht des Volkes. Erbberechtigt ist nur der Mannesstamm des Königshauses. Dem verstorbenen König folgen zunächst seine Söhne ohne Unterscheidung ehelicher und unehelicher Geburt 10. In Ermangelung von Söhnen erben die Brüder und wahrscheinlich von Rechtswegen erst nach diesen die Neffen 11. Für die entferntere Ver- wandtschaft läſst sich eine feste Successionsordnung schlechterdings nicht herstellen. Mehrere gleich nahe Erben succedierten gemein- schaftlich, indem sie die erledigte Herrschaft vertragsmäſsig teilten, sofern nicht bereits der Erblasser die Teile bestimmt hatte. Starb ein Teilkönig, so gelang es nicht selten seinen regierenden Brüdern, die minderjährigen Söhne des Verstorbenen von der Nachfolge auszu- schlieſsen. Mitunter kam es vor, daſs der Vater schon bei Lebzeiten einem Sohne die Regierung eines Reichsteiles übertrug, indem er ihn als Unterkönig bestellte. Der kinderlose König hatte die Befugnis, ein Mitglied des Königsgeschlechtes durch Vergabung von Todeswegen zum Erben seines Reiches zu machen. Die fränkische Vergabung von Todeswegen war Adoption. Mehrmals sind Neffen von ihren Oheimen zum Zweck solcher Vergabung adoptiert worden 12. Die merowingischen Erbteilungen waren grundsätzlich Teilungen zu gleichen Teilen 13, wobei denn freilich nicht nur Umfang und Be- 10 Theuderich war Sohn einer Kebse Chlodovechs. Weitere Beispiele bei W. Sickel, Götting. gel. Anzeigen 1889, S. 952. Der uneheliche Sohn muſste vom Vater anerkannt sein. Unter den Karolingern ist eheliche Geburt Voraus- setzung des vollen Successionsrechtes. 11 Über die scheinbar entgegenstehenden Stellen Greg. Tur. Hist. Frarc. V 17; VI 3; VII 33 siehe die folgende Anm. 12 So machte Guntchram seinen Neffen Childebert II. zum Erben mit Aus- schlieſsung seines Bruders Chilperich. Greg. Tur. Hist. Franc. V 17; cf. VII 33. Als Vergabung mit Vorbehalt lebenslänglicher Regierung ist wohl auch Greg. Tur. Hist. Franc. VI 3 aufzufassen, wenn es nicht etwa damals bei dem bloſsen Ver- sprechen der Vergabung blieb. Chilperich erklärt: in omnibus, quae laborare po- tuero, hic (Childebertus) heres existat; tantum dum advixero, liceat mihi sine scru- pulo aut disceptatione cuncta tenere. Theudebert, den Childebert I. adoptiert hatte (Greg. Tur. l. c. III 24), starb vor seinem Oheim. W. Sickel a. O. S. 959. 13 Aequa lance teilen nach Greg. Tur. Hist. Franc. III 1 die Söhne Chlodo- vechs das Reich ihres Vaters; aequa lance teilen a. O. III 18 Childebert und Chlothar den Anteil Chlodomirs.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/43>, abgerufen am 24.11.2024.