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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 98. Ladung und Streitgedinge.
erscheinen, massgebend ist. Die Fristen sind durch das Volksrecht
fixiert. Sie betragen regelmässig 7, 14, 40 (42) Nächte15. Gelegentlich
finden sich auch Fristen von 21 und von 80 (84) Nächten. Die recht-
liche Bedeutung der Ladungsfrist besteht darin, dass der Vorgeladene
auf dem nächsten, nach Ablauf der Frist stattfindenden mallus er-
scheinen muss. Nachmals ist es eine Eigentümlichkeit der fränkischen
Tochterrechte, insbesondere des nordfranzösischen Rechtes, dass sie
sich vor allen westgermanischen Rechten durch eine strenge und
technisch durchgebildete Theorie der Ladungsfristen auszeichnen16.
Die Wurzeln des Gegensatzes, in den sie sich dadurch zu den ober-
deutschen und zu den übrigen niederdeutschen Stammesrechten stellen,
reichen in die Zeit der Volksrechte zurück.

Die rechtliche Wirkung der Parteiladung äussert sich darin, dass
der Vorgeladene, wenn er trotz der Ladung nicht vor Gericht erscheint
um Rede zu stehen, in eine Busse verfällt17. Sie beträgt 15 Solidi
(mit Einschluss des fredus) bei den salischen und ribuarischen Franken,
6 bei den Burgundern, noch weniger bei anderen Stämmen18. Die
Busse von 15 Solidi verwirkt nach fränkischem Rechte auch der Kläger,
der am festgesetzten Gerichtstage nicht erscheint oder eine rechts-
widrige Mannitio vornimmt. Rechtswidrig ist die formwidrige Man-
nitio, rechtswidrig die Mannitio, die ein Antrustio gegen einen An-
trustio anbringt, ebenso die Vorladung eines Gegners, der zur Zeit
im Königsdienste beschäftigt ist19.

Das Ausbleiben des Gegners gilt für entschuldigt, wenn er durch
echte Not, Sunne20, sunnis, sonia, verhindert ist, vor Gericht zu er-

15 Siehe die Register von Hessels zur Lex Sal. und von Zeumer zur Lex Rib.
und zur Lex Chamav. unter noctes. Dazu Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 6,
I 118; Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 1, I 292. Die altfränkischen Fristen finden
sich noch im altfranzösischen Recht. Siehe Ad. Tardif, La Procedure civile et
criminelle au XIIIe et XIVe siecles 1886, S. 48. Die Leges Henrici primi erwähnen
in c. 41, 2 Fristen von 7, 14, 21, 28, 42 Tagen.
16 Für das altfranz. Recht siehe Tardif a. O. S. 46 ff. Für das norman-
nische H. Brunner, Entstehung der Schwurgerichte S. 164. Für das flandrische
etwa Warnkönig, Flandr. RG III 278.
17 Bei Hincmar (unten Anm. 40) mannina genannt, womit zunächst die man-
nitio selbst bezeichnet wird.
18 Cap. Saxon. c. 5, I 72: 4, 2, 1 Sol. bei Adeligen, resp. Freien und Liten.
Vier Solidi nach Lex Chamav. c. 40 bei der bannitio. Dagegen dreissig Solidi
nach Edw. I 2 bei Klagen am Buchland.
19 Die dominica ambascia ist in Lex Sal. I 4 als ein Hindernis der mannitio,
nicht als ein Fall der Sunnis aufgefasst.
20 Mit sunne giebt die ahd. Übersetzung von Lex Sal. 1 die sunnis des latei-
nischen Textes wieder.

§ 98. Ladung und Streitgedinge.
erscheinen, maſsgebend ist. Die Fristen sind durch das Volksrecht
fixiert. Sie betragen regelmäſsig 7, 14, 40 (42) Nächte15. Gelegentlich
finden sich auch Fristen von 21 und von 80 (84) Nächten. Die recht-
liche Bedeutung der Ladungsfrist besteht darin, daſs der Vorgeladene
auf dem nächsten, nach Ablauf der Frist stattfindenden mallus er-
scheinen muſs. Nachmals ist es eine Eigentümlichkeit der fränkischen
Tochterrechte, insbesondere des nordfranzösischen Rechtes, daſs sie
sich vor allen westgermanischen Rechten durch eine strenge und
technisch durchgebildete Theorie der Ladungsfristen auszeichnen16.
Die Wurzeln des Gegensatzes, in den sie sich dadurch zu den ober-
deutschen und zu den übrigen niederdeutschen Stammesrechten stellen,
reichen in die Zeit der Volksrechte zurück.

Die rechtliche Wirkung der Parteiladung äuſsert sich darin, daſs
der Vorgeladene, wenn er trotz der Ladung nicht vor Gericht erscheint
um Rede zu stehen, in eine Buſse verfällt17. Sie beträgt 15 Solidi
(mit Einschluſs des fredus) bei den salischen und ribuarischen Franken,
6 bei den Burgundern, noch weniger bei anderen Stämmen18. Die
Buſse von 15 Solidi verwirkt nach fränkischem Rechte auch der Kläger,
der am festgesetzten Gerichtstage nicht erscheint oder eine rechts-
widrige Mannitio vornimmt. Rechtswidrig ist die formwidrige Man-
nitio, rechtswidrig die Mannitio, die ein Antrustio gegen einen An-
trustio anbringt, ebenso die Vorladung eines Gegners, der zur Zeit
im Königsdienste beschäftigt ist19.

Das Ausbleiben des Gegners gilt für entschuldigt, wenn er durch
echte Not, Sunne20, sunnis, sonia, verhindert ist, vor Gericht zu er-

15 Siehe die Register von Hessels zur Lex Sal. und von Zeumer zur Lex Rib.
und zur Lex Chamav. unter noctes. Dazu Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 6,
I 118; Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 1, I 292. Die altfränkischen Fristen finden
sich noch im altfranzösischen Recht. Siehe Ad. Tardif, La Procédure civile et
criminelle au XIIIe et XIVe siècles 1886, S. 48. Die Leges Henrici primi erwähnen
in c. 41, 2 Fristen von 7, 14, 21, 28, 42 Tagen.
16 Für das altfranz. Recht siehe Tardif a. O. S. 46 ff. Für das norman-
nische H. Brunner, Entstehung der Schwurgerichte S. 164. Für das flandrische
etwa Warnkönig, Flandr. RG III 278.
17 Bei Hincmar (unten Anm. 40) mannina genannt, womit zunächst die man-
nitio selbst bezeichnet wird.
18 Cap. Saxon. c. 5, I 72: 4, 2, 1 Sol. bei Adeligen, resp. Freien und Liten.
Vier Solidi nach Lex Chamav. c. 40 bei der bannitio. Dagegen dreiſsig Solidi
nach Edw. I 2 bei Klagen am Buchland.
19 Die dominica ambascia ist in Lex Sal. I 4 als ein Hindernis der mannitio,
nicht als ein Fall der Sunnis aufgefaſst.
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nischen Textes wieder.
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[335/0353] § 98. Ladung und Streitgedinge. erscheinen, maſsgebend ist. Die Fristen sind durch das Volksrecht fixiert. Sie betragen regelmäſsig 7, 14, 40 (42) Nächte 15. Gelegentlich finden sich auch Fristen von 21 und von 80 (84) Nächten. Die recht- liche Bedeutung der Ladungsfrist besteht darin, daſs der Vorgeladene auf dem nächsten, nach Ablauf der Frist stattfindenden mallus er- scheinen muſs. Nachmals ist es eine Eigentümlichkeit der fränkischen Tochterrechte, insbesondere des nordfranzösischen Rechtes, daſs sie sich vor allen westgermanischen Rechten durch eine strenge und technisch durchgebildete Theorie der Ladungsfristen auszeichnen 16. Die Wurzeln des Gegensatzes, in den sie sich dadurch zu den ober- deutschen und zu den übrigen niederdeutschen Stammesrechten stellen, reichen in die Zeit der Volksrechte zurück. Die rechtliche Wirkung der Parteiladung äuſsert sich darin, daſs der Vorgeladene, wenn er trotz der Ladung nicht vor Gericht erscheint um Rede zu stehen, in eine Buſse verfällt 17. Sie beträgt 15 Solidi (mit Einschluſs des fredus) bei den salischen und ribuarischen Franken, 6 bei den Burgundern, noch weniger bei anderen Stämmen 18. Die Buſse von 15 Solidi verwirkt nach fränkischem Rechte auch der Kläger, der am festgesetzten Gerichtstage nicht erscheint oder eine rechts- widrige Mannitio vornimmt. Rechtswidrig ist die formwidrige Man- nitio, rechtswidrig die Mannitio, die ein Antrustio gegen einen An- trustio anbringt, ebenso die Vorladung eines Gegners, der zur Zeit im Königsdienste beschäftigt ist 19. Das Ausbleiben des Gegners gilt für entschuldigt, wenn er durch echte Not, Sunne 20, sunnis, sonia, verhindert ist, vor Gericht zu er- 15 Siehe die Register von Hessels zur Lex Sal. und von Zeumer zur Lex Rib. und zur Lex Chamav. unter noctes. Dazu Cap. legi Rib. add. v. J. 803, c. 6, I 118; Cap. legi Sal. add. v. J. 819, c. 1, I 292. Die altfränkischen Fristen finden sich noch im altfranzösischen Recht. Siehe Ad. Tardif, La Procédure civile et criminelle au XIIIe et XIVe siècles 1886, S. 48. Die Leges Henrici primi erwähnen in c. 41, 2 Fristen von 7, 14, 21, 28, 42 Tagen. 16 Für das altfranz. Recht siehe Tardif a. O. S. 46 ff. Für das norman- nische H. Brunner, Entstehung der Schwurgerichte S. 164. Für das flandrische etwa Warnkönig, Flandr. RG III 278. 17 Bei Hincmar (unten Anm. 40) mannina genannt, womit zunächst die man- nitio selbst bezeichnet wird. 18 Cap. Saxon. c. 5, I 72: 4, 2, 1 Sol. bei Adeligen, resp. Freien und Liten. Vier Solidi nach Lex Chamav. c. 40 bei der bannitio. Dagegen dreiſsig Solidi nach Edw. I 2 bei Klagen am Buchland. 19 Die dominica ambascia ist in Lex Sal. I 4 als ein Hindernis der mannitio, nicht als ein Fall der Sunnis aufgefaſst. 20 Mit sunne giebt die ahd. Übersetzung von Lex Sal. 1 die sunnis des latei- nischen Textes wieder.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/353>, abgerufen am 22.11.2024.